Deutsche Burgen und feste Schlösser aus allen Ländern deutscher Zunge
Die Auswahl war in diesem Falle noch mehr als früheren Bande dieser Bücherserie lediglich auf Andeutungen gegenüber einem wahrhaft ungeheueren Bestände angewiesen. Sie verzichtet gänzlich auf den in solcher Form doch nicht ausführbaren Versuch, die verwickelte und wissenschaftlich durchaus nicht immer klare Gestaltung des Wehrbaues von innen darzustellen, und scheut sich dafür nicht, sich gelegentlich der Grenze des Landschaftlichen zu nähern; beides, um lediglich diejenige Seite zu zeigen, mit der die Welt der Burgen und festen Schlösser für das heutige allgemeine Bewusstsein lebensfähig ist.
Sie geht nach Landschaften, nicht nach Zeiten vor und bewegt sich in mehreren großen Bogenwindungen einigermaßen, jedoch nicht völlig genau von Südwesten her (Oberrhein und Neckar) über Schwaben, das stammesdeutsche Alpengebiet, und Bayern durch Franken nach dem westlichen Mitteldeutschland zurück (Main, Mittelrhein, Lahn), biegt von da über Thüringen und Sachsen bis Schlesien aus, wendet wieder und gewinnt über den Harz hin das niedersächsische, westfälische und niederrheinische Gebiet, um bei dem östlichen Siedlerlande, dem Ordenslande sowie mit einem kurzen Ausblick auf siebenbürgisch-sächsische Kirchenburgen zu endigen. Im allgemeinen [d. h. von begründeten Ausnahmen abgesehen] wurden Ruinen sowie Rekonstruktionen NICHT aufgenommen.
Bei der Auswahl der Bilder hat Herr Professor Dr. Pinder NUR ALS BERATER, jedoch NICHT als verantwortlicher Herausgeber, gewirkt. Die Einleitung, die er freundlicher Weise auf einen besonderen Wunsch des Unterzeichneten geschrieben hat, ist lediglich auf die oben angedeutete Art des Blickes eingestellt und versucht nur, sie begrifflich etwas näher zu begründen. Für alle eingehende Beschäftigung muss auf die Literatur verwiesen werden. Neben der täglich wachsenden Menge der Sonderschriften seien einzeln genannt: Otto Piper, Burgenkunde, München 1895 (mit dem Versuch eines Burgenlexikons für das deutsche Sprachgebiet), ferner Bodo Ebhardt, Deutsche Burgen, Berlin 1898—1908, Klappheck, Alt-Westfalen, Stuttgart 1912, sowie die wichtige Zeitschrift „Der Burgwart“.
Der Verleger
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Burgen und feste Schlösser sind nicht nur Kunstwerke und wollen nicht nur als Kunstwerke gesehen sein. Sie wurzeln tiefer am Boden, als etwa Kirchenbauten — mit denen man sie nicht gleichsetzen dürfte. Von der reinen Naturform der Landschaft bis zur reinen Kunstform der Architektur ist es ein weiter Weg. Ihr Ursprung verweist die Burg an seinen Beginn. Sein Ende braucht sie nicht zu erreichen, um wertvoll zu sein. Der erste Sinn ihrer Form ist die Veränderung gegebenen Geländes; sie will Herrschaft setzen und Schutz gewähren.
Das heißt, daß der Kern ihrer Gestaltung und der Kern des Kirchenbaues von entgegengesetzten Seiten her erwachsen. Der kirchliche Raum entrückt; er umschließt ein geistiges Erlebnis, und er erreicht seine Vollendung, wenn er noch durch die Umfassung hindurch bis an die letzte Außenfläche heran die Sprache dieses Erlebnisses redet. Selbst, was wir „Gebrauchszweck“ nennen, ist hier jenseits des täglichen Kampfes gelegen. Die Burg aber verdankt gerade diesem ihr Dasein; ihr Leben ist mit Not und Gefahr verstrickt, sie wächst in der gleichen Schicht mit dem Leben der Menschen, und ihre Sprache redet auch zu täglicheren Gefühlen.
Allerdings, im wirklichen Geschehen rücken auch ursprüngliche Gegensätze, wie Kirche und Burg, zusammen, verschlingen sich und verbinden sich. Auch die Kirche muss sich oft Bedingungen des niederen Lebens anbequemen, sie kann sogar zu einem Teile Wehrbau sein. Und dem Wehrbau wieder bleibt die Erhebung zum rein Schöpferischen nicht endgültig versagt.
Das Erste freilich muss ihm die Behauptung im Gelände und gegen das Gelände sein — eine monumentale Form von Kampf zwischen Bauwerk und Boden, um der bewehrten Stätte die Überlegenheit zu sichern, immer also eine ursprüngliche Scheidung von der Umgebung. Sie wird von selbst auf zwei Grundmöglichkeiten ausgehen: Erhebung über das Land und Absonderung vom Lande: Höhenburg und Wasserburg. Die Art des Gegners — der der Boden selbst ist — bestimmt die Wahl der Kampfart: der Berg gegen das Tal, das Wasser gegen die Ebene. Auch hier kann in einem Lande und an einem Werke Beides sich treffen und überkreuzen. Im Großen ergibt sich leicht, daß bei uns die Wasserburg im Tieflande, die Höhenburg in Ober- und Mitteldeutschland ihre Blüte finden musste.
Indem aber Bauwerk und Boden wie feindliche Brüder einander entgegentreten, ergreifen sie sich um so deutlicher in dem Eindruck der Form. Die Burg „beherrscht“ die Landschaft, die Landschaft aber hält die Burg — noch gar nicht zu reden von der malerischen Bewältigung durch den Verfall — viel dichter in ihrer eigenen Lebensschicht, als die Kirche, die wohl in sie, aber nicht gegen sie gestellt ist. Die Macht des Bodens, die sich irgendwie Allem mitteilt, was über ihm gebaut ist, wird hier zwingender, als bei Werken, die sich auf freiem Plane erheben. Die Landschaft liefert ganze Bauteile als fertige Form, ganze felsige Unterbauten und ganze felsige Wände. Eben dadurch wird der Reiz der Burgen so vielfältig; es wachsen ihnen Werte zu, die die Natur selbst geschaffen hat.
Zunächst sind das Werte, die nur durch eine heutige Verwechslung als künstlerisch gelten — verkleidete Naturgenüsse, die mit dem Eindruck der geschaffenen Form verschwimmen. Zugleich aber eröffnet sich doch auch einer der wichtigsten Wege zur künstlerischen Freiheit auch im Burgenbau: es ist einem glücklichen Feingefühle eben doch möglich, die Windungen aufzuspüren, mit denen die Natur der künstlerischen Erscheinung entgegenkommt, sie schmiegsam auszunutzen und die Abhängigkeit zum Scheine der Freiheit umzudeuten. Die sichere Wahl der Umrisse wirkt dann bis auf die gewachsene Natur hinunter und zurück, das Gegebene selbst erscheint durch die Steigerung als gewollt. Natürlich ist es nicht immer leicht, das Hinzugewachsene im Gesamteindruck von dem bewusst Geplanten abzugrenzen; aber die leichtgläubige Hinnahme alles Zufälligen für Absicht wäre auch nicht falscher, als der zu weit getriebene Verdacht, der alles der Natur zuschreiben wollte. Eine rechte Lahn- oder Neckarburg ist nicht bloß durch zufällige Gunst der Landschaft so „stolz“ geworden, sie hat auch einen Kern von künstlerischem Willen und wird von einer ähnlichen gefühlsmäßigen Berechnung getragen, wie sie am Limburger Dome gebaut hat und wie sie schließlich, auf noch höherer Stufe, aus vollendeter Bewusstheit später Menschen, in der Anlage der Melker Klosterkirche wiederkehrt.
Das ist also der eine Weg zum wahrhaft Schöpferischen: Umdeutung und Höherdeutung des gegebenen Geländes. Der andere wäre die Verleugnung; die Aufzwingung einer planvollen Regelmäßigkeit, die den Gang der Hauptformen aus unabhängiger Überlegung bestimmt. Also der schärfste Gegensatz, nicht die Erhebung und stetige Verwandlung der Bodenform zur Kunstform, sondern die Befreiung der Gestalt des Baues von jener des Geländes, nicht die ausgenutzte Abhängigkeit, sondern die aufgezwungene Unabhängigkeit.
Diese zweite Möglichkeit steigt nur selten auf. Das Büdinger Schloss (Oberhessen) wäre ein wichtiges Beispiel aus romanischer Zeit, ein schon annähernd kreisähnliches Dreizehneck, von Wasser umgeben. Hier erscheint, wenn auch unfertig, die Absicht auf eine gedankenmäßige, d. h. innerlich rechnerische Regelmäßigkeit der Form. Im Großen wird sie dann in den gewaltigen klösterlichen „Ritterkasernen“ des Deutschen Ordens durchgeführt, die von bewundernswerter Klarheit der Anordnung sind, frei nach außen und gesetzlich streng in sich selbst. Zum allgemeinen Siege aber gelangt sie erst mit der Renaissance, d. h. in Deutschland da und dort im sechzehnten Jahrhundert — so im Stuttgarter Schlosse — , mit voller Entschiedenheit an der Wende zum siebzehnten, z. B. im Aschaffenburger: geregeltes Viereck mit geregelter Turmzahl, Betonung der Ecken und Zusammenziehung der Türme und der Mauern zu einer hingelagerten Wachstumseinheit; hier nach französischem Muster. Ein solcher Bau wirkt zwar zugleich wundervoll malerisch im Aufstiege über das Wasser hin, aber seine Form ist nicht notwendig darauf berechnet und wäre in der Ebene nicht weniger lebensfähig; sie ist durch den Sieg der Regel von den Zufälligkeiten des Bodenwuchses befreit.
Sicher ist, daß beide Möglichkeiten zugleich in einer gewissen geschichtlichen Ordnung stehen. Es gibt deutlich einen Weg von der unregelmäßigen Gruppe zum bodenbefreiten System. Hier landen schließlich auch alle freieren Bildungen, und erst von hier aus kann die Umwandlung zum festlichen Schlosse und zum feineren Lusthause angetreten werden.
Und noch etwas Anderes: Die Grundmöglichkeiten der rein künstlerischen Gestaltung spiegeln in höherer Form die Grundmöglichkeiten der rein zweckvollen Anlage wieder. Umdeutung oder Befreiung — Höhen-Entwicklung aus dem Gelände oder Abtrennung vom Gelände — Höhenburg oder Wasserburg. Die technische Absonderung ist auch der künstlerischen näher verwandt und arbeitet ihr vor: die Wasserburg erreicht am frühesten die kristallische Gesetzmäßigkeit in sich, die dann auch gleichsam von oben her dem bewegteren Gelände aufgezwungen werden kann.
Die unablässige Verbindung, in der — schmiegsam oder herrisch — Burg und Schloss von Natur her zum Lande steht, begründet zu einem Teile die ungeheuere Volkstümlichkeit des alten Wehrbaues, besonders in Deutschland. Aber nur zu einem Teile; es treten noch Werte hinzu, die erst die Art der späteren Menschen ermöglicht hat, zum Teile halb, zum Teile gar nicht künstlerischer Natur. Es sind die Wirkungen der Zeit, zunächst reine Wirkungen auf das Auge. Verfall und Zerstörung — und gerade diese ist bei uns so häufig — ziehen das Gebaute, selbst wo es kristallisch klar gemeint war, und um so mehr, je inniger es von vornherein sich der Landschaft anschloss, in den Bereich der regellosen Naturschönheit hinein. Die zerbröckelten Massen, die zernagten Linien, die Verdunklung und Verschwärzung der Farbe und endlich gar das pflanzliche Leben, das die geneigten und geborstenen Körper überquillt, sind lauter Zerstörungen der Architektur, die im „Malerischen“ wieder zur Auferstehung helfen. Und endlich darf auf keinen Fall der (außerkünstlerische) Eindruck des „Geschichtlichen“ vergessen werden. Es gibt doch wirklich Menschen genug, denen der Sinn der geschichtlichen Urkunde sogar weit über den künstlerischen Reiz der Form geht, die also jedenfalls ein ehrliches und lebendiges Gefühl für die Bezeugung vergangenen Lebens gerade durch den Wehrbau besitzen. Sie teilen es dem allgemeinen Bewusstsein mit, das es verwandelt, verschleiert, verdunkelt, immer doch aufnimmt; und schließlich verliert sich dieses Gefühl vom Wissen um Geschehenes bis in das Grenzenlose und Ungreifbare der Sagenbildung und der Volksdichtung hinaus.
Alles in Allem: in dem lebendigen Gesamtwerte der alten Burgen und festen Schlösser ist das Künstlerische nur selten vollkommen zur Stelle, und selbst wo es erreicht und nicht zerstört ist, da ist es doch niemals allein. Eine große Reihe von Vorstellungen und Gefühlen fließen darin zusammen: der beredte Ausdruck des ursprünglichen Wehrzweckes, den wir trotz der ganz veränderten Formen der heutigen Kampfberechnung noch stark empfinden, der noch zu uralten Kräften und Erinnerungen in uns den Weg findet; der schöpferische Gedanke, der den Zweckbau zum Kunstwerke adeln will, ob er nur die Bewegung des Bodens zu Ende denkt oder ob er ihr frei entgegentritt; der weite Zusammenhang der Landschaft, der auch das selbständigste Bauwerk zuletzt als sein Rahmen in sich zieht, das ihm verwandte aber, und noch viel mehr das gesunkene und verfallende geradezu zur Natur werden lässt, bis es nicht mehr „gemacht“, sondern „gewachsen“ scheint; und endlich die Fülle ruhmreicher und schmerzlicher Erinnerungen, die das geschichtliche Bewusstsein hinzuträgt, als Wissen wie als Dichtung.
So erscheint zuletzt durch eine ganze Mischung von Eindrücken und Gefühlen hindurch und gerade darum, weil es sich keineswegs allein um Künstlerisches handelt, für jedes lebendige Gemüt die große zusammengesetzte Einheit, die Alle empfinden, auch wer kein Bedürfnis hat, sie seinem Verstände klar zu machen: das Land. Burgen und feste Schlösser wirken heute als die Wahrzeichen der Länder, ja als die Sinnbilder der Stämme, unter denen sie errichtet sind.
Von hier aus ist wohl am sichersten die Reihe der hier folgenden Burgenbilder zu genießen; und weiter als bis hierher sollen auch diese paar vorbereitenden Sätze nicht getrieben werden. Sie wollen die Aufgabe einer sachlichen Darstellung lieber gar nicht anrühren. Die ganze Menge der verschiedenen Bestimmungen (Kaiserpfalzen, Reichsburgen, Fürsten- und Bischofsburgen, Amtsvogteien, Edelsitze für Einzelne und für Ganerben — die sich zu mehreren darein teilen müssen — schließlich Ordensschlösser und Kirchenburgen) überkreuzt sich mit dem stetigen reichen Wandel der Stammesarten, der auf wenige Wegstunden schon dem Aufmerksamen fühlbar wird. Die Wanderung der Burgenbilder von den in Wald und Berg gewachsenen Rittervesten des Südwestens bis zu den großartig ernsten Ordensschlössern des Nordostens, die Kloster und Festung zugleich in strenger Schönheit und musterhaft klar ausprägen, lehrt das Auge selbst so mühelos wie denkbar, in schnell zusammenschießenden Eindrücken, die ungeheure Vielfältigkeit von Menschen und Boden ahnen: Deutschland, das alte große Land der Mitte, das den Norden und den Süden, den Osten und den Westen von Europa nicht nur berührt, sondern tatsächlich selbst in seinem eigenen unermesslichen Schoße birgt.
000 Wimpfen Am Berg. Kaiserpfalz. Saalbau von der Neckarseite. Frühes 13. Jahrhundert.
001 Zwingenberg am Neckar. Burg. Anfang des 15. Jahrhunderts. Ursprünglich Zwingenbergisch.
002 Zwingenberg am Neckar. Burg. Anfang des 15. Jahrhunderts. Der Bergfried älter.
003 Ruine Ulrichsburg bei Rappolstsweiler. Wesentlich aus dem 13. Jahrhundert; auf Unterbau des 11. Jahrhunderts.
004 Heidelberg. Schloss der Pfalzgrafen. Hauptbauzeit 1544-1632
005 Ruine Girsberg bei Pappoltsweiler. Kleinste der 3 Burgen bei R. Ende des 13. Jahrh. Egisheimisch, später Rappoltsteinisch.
006 Schloss Liebenstein. Oberamt Besigheim, Württemberg. Wesentlich aus dem späteren 16. Jahrhundert.
007 Schloss in Menzingen in Baden
008 Schloss Gottesbau bei Karlsruhe. 1588—1597. Veränderung nach 1735.
009 Schloss Hellenstein bei Heidenheim. 1537 neu erbaut. Herzoglich Württembergisch.
010 Tübingen. Schloss. 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Herzoglich Württembergisch.
011 Merseburg am Bodensee. Altes Schloss der Bischöfe von Konstanz. Hauptsächlich a. d. 16. Jahrhundert.
012 Deutschordens-Schloss in Mergentheim[Württembergisch Franken]. Ansicht mit dem Haupttor. Nach 1572.
013 Festes Kloster Grosskomburg bei Schwäbisch Hall. 11. bis 18. Jahrh. Benediktinerorden.
014 Schloss Neuenstein-Hohenlohe bei Oeringen, vor der Erneuerung. 16. Jahrh.