Der vom Teufel geholte Kartenspieler von Kessin bei Rostock.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Von L. P. zu S, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Laage, Rostock, Warnow, Kessin, Karfreitag,
Die Einwohnerschaft des Pfarrdorfes Kessin konnte man in alten Zeiten für eine fromme Gemeinde halten; denn es war wohl keine Kirche am Sonntage so stark besucht, als die Kessiner. Aber ach, es war nur Schein. Die Kessiner waren nicht fromme Christen, die aus innerem Drange, aus Liebe zu Gott sich des Sonntags zur Kirche begaben und auch häufig das heilige Abendmahl nahmen, sondern es geschah nur aus alter Gewohnheit; man tat es, weil es so Sitte war, und Vater und Großvater es auch so gemacht hatten. Eine Leidenschaft, der böse Geist des Spiels, das Trachten nach irdischen Gütern, das Geld auf unerlaubte Weise zu erlangen, hatte sich der ganzen Einwohnerschaft bemächtigt und verdrängte alle Frömmigkeit und den wahren Gottesglauben. — Ja gerade am Sonntage, am Tage des Herrn, wurden am meisten die Karten benutzt. Gleich nach dem Gottesdienste stürmten die meisten Männer schon nach der Schenke, wo sie darauf am Kartentische sitzend, bei fleißigem Zusprechen der Flasche, bald in die rohesten Schimpfwörter, in die schrecklichsten Flüche gegen einander ausbrachen. Der Genuss des vielen Branntweins erhitzte die Gemüter, und immer mehr steigerte sich die Lust und Gier zum Spiel, so dass gewöhnlich erst spät in der Nacht die Gesellschaft sich trennte.

So geschah es auch an einem Gründonnerstage, dass sämtliche Kessiner an den Altar traten, um das hochwürdige Sakrament des Herrn zu empfangen. Was für einen ergreifenden Eindruck müsste solcher Anblick auf den fremden Zuschauer gemacht haben, und mit welchem Wohlgefallen hätte Gott auf diese Seine Kinder herab schauen können, wenn die wahre Liebe und das wahre Schuldbewusstsein sie an Seinem Tische versammelt hätte; aber wie ganz anders war es nun! —

Auch heute eilte fast die ganze männliche Einwohnerschaft von Kessin sofort wieder aus der Kirche in die Schenke. Schnell wurden dort die Karten herbeigeholt, Krüge mit Bier auf den Tisch gesetzt, und in Kurzem saß so eine große Gesellschaft am Kartentisch beisammen.

An Gotteslästereien, Flüchen und Tobereien fehlte es auch dies Mal nicht. Die ganze Nacht hindurch blieb man am Spieltisch sitzen, und selbst das feierliche Glockengeläute am Karfreitagmorgen konnte die Männer nicht zum Aufbruch bewegen. — Nein sie blieben ruhig bei ihren Karten; und während der Prediger in der nahe gelegenen Kirche die Zuhörer ermahnte und sie an die hohe, für die ganze Christenheit so wichtige Bedeutung dieses Tages erinnerte, und zu Gott für seine Gemeinde im inbrünstigen Gebete flehte, fluchten und tobten die rohen Menschen in der Schenke fort.

Dies Mal konnte man sich gar nicht von den Karten trennen. Essen und Trinken hatten die Spieler schon vergessen; nur noch den einen Gedanken, das Spiel im Herzen, saßen sie da. Und sie blieben auch noch, obgleich es schon wiederum Abend geworden war.

Gegen Mitternacht erschien noch ein Gast in der Wirtsstube; er hatte sich in einen großen Mantel gehüllt, und gehörte scheinbar dem feinen Stande an. Durch das Eintreten des fremden Herrn ließen sich unsere Abendmahlsgäste nicht weiter stören, sondern fuhren ruhig im Spiele fort, schauderhafte Flüche und Verwünschungen dabei ausstoßend. Oft zuckte um den Mund des späten Gastes ein teuflisch-höhnisches Lächeln, wenn einer der Spieler den andern zum Teufel wünschte.

Ein Bauer, Peter wollen wir ihn nennen, der viel Unglück gehabt, und dessen Kasse daher erschöpft war, hoffte von dem Fremden vielleicht noch etwas gewinnen zu können, und lud ihn daher ein, am Kartenspiel Teil zu nehmen. Dieser ließ sich nicht lange nötigen, und indem er eine Börse mit Goldstücken auf den Tisch warf, dabei die Worte sagend: „Wer die gewinnt, der möge mit mir in die Hölle fahren", setzte er sich unter sie. Durch derbe Flüche wurde diese seine Äußerung von den Versammelten bekräftiget, und Bauer Peter meinte sogar: „Ja wenn ich das Geld da nur erst erobert hätte, so wollte ich wohl schon die Reise mit Euch antreten."

Mit großem Eifer begann das Spiel nun wieder. Peters Glückstern schien jetzt aufgegangen zu sein; denn bald hatte er nicht nur seinen mitspielenden Dorfbewohnern sämtlich die Taschen geleert, sondern auch schon manches Goldstück aus dem Beutel des Fremden eingestrichen — „Seht, wer nur den Teufel um seine Hilfe bittet, der ist geborgen; macht's wie ich!" — rief Peter, übermütig ob seines Glücks, seinen missgünstigen Mitspielern zu.

Sollte das Spiel noch fortgesetzt werden, so musste Peter seine Genossen auf Borg weiter mitspielen lassen; denn, wie schon gesagt, Alle hatten bis auf Peter und den Fremden keinen einzigen roten Pfennig mehr in der Tasche.

Unser Glücksmann, dem dann auch ein solches Anerbieten gemacht wurde, hatte keine Lust dazu, und aufgeregt, wie er war, rief er die Karten auf den Fußboden werfend aus: „Der Teufel soll mich noch diese Nacht holen, wenn ich auf Borg mit Euch weiter spiele!"

Der Fremde wusste ihn jedoch wieder zu beruhigen, und Peter verstand sich nach einigem Sträuben dazu, auf Kreide mit ihnen weiter zu spielen. Schnell bückten sich jetzt die Kessiner, um die von Peter niedergeworfenen Karten aufzusammeln, da er in seiner übermütigen Laune dies von ihnen forderte.

Beim Aufsammeln der Karten sahen die Suchenden, wie unter dem weiten, langen Mantel des Fremden nicht Menschenfüße, sondern ein Pferde- und ein Krähenfuß hervorragten. Welch' Entsetzen ergriff sie Alle bei der Entdeckung, dass der Teufel ihr Mitspieler sei. Eiligst, und voll Abscheu warfen sie die Karten auf den Spieltisch, und zitternd vor Angst und Schrecken liefen sie, ohne weiter etwas zu sagen, aus der Wirtsstube nach Hause.

Peter lachte und spottete hinter ihnen her, nicht ahnend, warum sie sich so schleunig entfernt hatten.

Weiter ging's im Spiel. Peter gewann fortwährend, und mit dem Glockenschlage Eins wanderte auch das letzte Goldstück aus des Anderen Börse in seine Tasche.

Da erhob sich der Fremde, sein Gesicht verzog sich zu einer abscheulichen Fratze, und indem er Peter mit beiden Händen erfasste und an sich presste, rief er: „Jetzt bist Du mein! Erfülle Dein Versprechen!"

Einen Augenblick später sah man von den beiden Spielern nichts mehr. Furchtbarer Pech- und Schwefelgeruch erfüllte das ganze Zimmer, und ein großer Blutflecken an der Außenwand desselben bezeichnete die Stelle, durch welche der Teufel mit Peter zur Hölle gefahren war.

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In einer Niederung an der Warnow liegt, eine halbe Meile von Rostock, unweit der Rostock-Laager Chaussee, das Dorf Kessin.

Solltest Du, freundlicher Leser, dasselbe bei einer Reise passieren, so kannst Du Dir in dem Hause, wo sich Vorstehendes zugetragen haben soll, noch jetzt den großen Blutflecken ansehen, da derselbe durch kein Abkratzen und Übertünchen der Wand zu vertilgen ist.

Durch das Vorsetzen eines großen Schranks pflegt der jetzige Bewohner dieses Hauses den Blutfleck für gewöhnlich zu verbergen.