Die Bedeutung der jüdischen Bevölkerungsbewegung für die Juden

Andeutungen finden wir in einem Aufsatz Ruppins in den preußischen Jahrbüchern. Außerdem ist ein einschlägiger Artikel „Die Grundlagen des Übels“ von Dr. Arthur Kahn in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen B. B. Logenblatt (Nr. 7, 1907) erschienen, worin eine kleine Broschüre „Der Untergang Israels“ (Zürich 1894, Verlagsmagazin von Schabelitz) angeführt ist, die ich nur im Exzerpt zu lesen bekam. Der anonyme Verfasser des Schriftchens, „das in jüdischen Kreisen offenbar gänzlich unbeachtet blieb“ (Dr. Kahn), hatte wohl einen guten persönlichen Blick für die Entwicklung, gleichwohl fehlte der Arbeit die Statistik, die heute bei aller Schmähung der Wissenschaft von der Zahl doch das Hauptgeschütz unter den Waffen des Nationalökonomen bildet.

Wie ich mich aber auch in einer Arbeit über die Mortalität der Juden *) zu zeigen bemühte, geht die Entwicklung der Verhältnisse der Juden in den einzelnen Ländern ziemlich gleichmäßig vor sich. Heute sind, wie wir später sehen werden, die deutschen Juden in unserer Frage ähnlich gestellt wie die übrigen Westjuden und wenn nicht alle Zeichen trügen, sind die Lebensverhältnisse der deutschen Juden auch für die des Ostens, wenigstens vorerst für die wohlhabenden und großstädtischen russischen und galizischen Juden, vorbildlich.


Und damit wächst das Problem. Wenn wir es zwar auch nur an den deutschen Juden untersuchen, so hat es doch heute schon eine gewisse Gültigkeit für weitere Teile des jüdischen Stammes (wie wir kurz zeigen werden), so dass die Gefahr des Untergangs eine allgemein jüdische Frage wird.

Und diesem Volk schrieb noch vor kurzem der bekannte Volkshygieniker Prof. v. Gruber ins Gedenkbuch:

„Und noch eins lehrt uns das Beispiel der Juden. Sie hätten unmöglich diese Jahrhunderte beständigen Kampfes um ihre Existenz überdauern können, wenn sie nicht einen so natürlich gesunden Instinkt und eine so bewundernswerte Aufopferungsfähigkeit für die Erhaltung ihres Volkes besessen hätten. Der junge Mann, kaum erwerbsfähig geworden, hielt es für seine Pflicht, seinem Volke unter Entbehrungen und harter Arbeit zahlreichen Nachwuchs aufzuziehen. So wird ein Volk unsterblich!“**)

Das hat der Midrasch zu Psalm 36 ähnlich schon aus gedrückt: „Ein Volk steht auf, das andere verschwindet, aber Israel bleibt ewig.“

Wirklich? Nous verrons!

*) Ausstellung für Hygiene, Dresden 1911.
**) Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Volkshygiene. München, Berlin 1908.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Untergang der deutschen Juden.