Die Gedanken und Empfindungen des Menschen

Die Gedanken und Empfindungen des Menschen entziehen sich, ihrem Wesen nach, jedem von außen kommen den Zwange, und sie haben einen um so gerechteren Anspruch auf Achtung und Schonung, je tiefer sie in der menschlichen Persönlichkeit, in ihrer Individualität wurzeln und begründet sind. Zu den am tiefsten im Innenleben des Menschen wurzelnden Gedanken und Empfindungen aber gehören seine religiösen Überzeugungen. Diese sind keiner äußeren Macht unterworfen. In ihrem Bereiche gelten keine Majoritätsbeschlüsse, sie sind unveräußerlich und unverletzlich. Diesem Gedanken uneingeschränkter Religionsfreiheit hat der philosophische König auf dem preußischen Throne durch den Satz ,,In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden“ Ausdruck gegeben, wenn er auch die volle praktische Konsequenz aus diesem Toleranzsatze nicht gezogen und nicht durch Gewährung gleicher Rechte an alle Bewohner des Staates, ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, einem jeden neben der Möglichkeit der „Seligkeit“ auch die der „Glückseligkeit“ eingeräumt hat*).

*) Sein Verdienst um die Lehrfreiheit, das er sich durch die gleich nach seiner Thronbesteigung veranlasste Zurückberufung des Philosophen Wulff nach Halle erworben hat, bleibt ihm neben seinen anderen großen Verdiensten in der Geschichte unvergessen.