Der Teehandel in Russland

Aus: Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland, Band 10
Autor: Herausgegeben A. Erman, Erscheinungsjahr: 1852

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Teehandel, Teeblätter, Mischung, Teehändler, Teeanbau, Teeernte, Teekanne, Teegeruch, Teeverfälschung, Teehandel, Teehändler, Tataren, Kalmücken,
Das Journal des Ministeriums des Innern (J. Ministerstwa wnutrennich Djel) enthält einen interessanten Artikel über den russischen Teehandel, aus dem wir folgende Details hervorheben:

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Der Tee wird von seinem Produktionsort zuerst nach Norden verschifft, dann auf dem Großen Kanal weiter transportiert und endlich zu Lande auf Kamelen durch die Mongolei nach Kjachta gebracht. Die Kisten haben ein Gewicht von 63 bis 67 und von 87 bis 93 Pfund; erstere heißen ganze oder Quadrat-Kisten (kwadralnyje), letztere anderthalbe (polutornyje). Der Blumentee besserer Sorte wird in hübsche Kästchen gepackt, wovon bis 32 auf eine Kiste (jaschtschik oder zibik) gehen.

Beim Einkauf probiert man gewöhnlich den Tee vermittelst einer kleinen Schaufel. Nachdem man damit ein Loch in die Kiste geschlagen und etwas zur Probe herausgenommen hat, wird die Kiste in feuchte Kuhfelle genäht und in dieser Gestalt nach Russland weiter befördert. Hier wird der Tee nun vollständig umgepackt; man nimmt ihn aus den Kisten, teilt ihn in Bunde von einem, einem halben oder einem Viertel Pfunde und überliefert ihn so den Konsumenten. Er wird in demselben Laden verkauft, wo sich Kaffee und Zucker befindet, und verliert in Folge aller dieser Manipulationen sein eigentümliches Bouquet. Andererseits leidet der aus Kanton zur See nach Europa ausgeführte Tee durch die Einwirkung der feuchten Atmosphäre, der er so lange ausgesetzt ist, und im westlichen Europa verfährt man damit noch barbarischer als in Russland. In Paris z. B. wird er ganz offen in die Waageschalen gelegt. Mit siedendem Wasser übergossen, färbt er nur das Wasser; aller Wohlgeruch und Geschmack ist dahin. Wie stark der Tee in seiner Heimat ist, kann man danach beurteilen, dass die Matrosen, wie versichert wird, beim Beladen der Schiffe mit dieser Pflanze in eine Art von Rausch geraten und sich dann und wann von den Kisten entfernen müssen, um neue Kräfte zur Arbeit zu sammeln.

In Russland herrscht die verderbliche Gewohnheit, den Tee folgendermaßen zuzubereiten. Man gießt kochendes Wasser darauf und stellt ihn alsdann auf die Feuerpfanne des Samowar; hier schmort er und all sein Bouquet geht verloren. Wenn schon der Tee, der in der Kanne, nicht in der Tasse bereitet wird, einen brandigen Geschmack annimmt, so kann man sich denken, welchen Eindruck es auf ihn hervorbringt, wenn er eine Viertelstunde oder länger auf der Teemaschine steht.

Die Chinesen hingegen befolgen beim Teekochen fünf Regeln. Erstens nehmen sie wo möglich frisches Wasser aus Berg- oder anderen Quellen; Flusswasser wird für weniger gut erachtet, und Brunnenwasser ist noch unvorteilhafter. Zweitens gebrauchen sie zum Kochen des Wassers einen irdenen Topf und gießen den Tee in eine porzellanene Teekanne oder noch besser in eine porzellanene, bis zur Hälfte zugedeckte Tasse, wobei noch viele Vorsichtsmaßregeln angewendet werden. Wenn sich rohes Fleisch, Fisch, Öl oder Talg in der Nähe befindet, so verliert der Tee seinen reinen Geruch und erhält einen unangenehmen Beigeschmack. Drittens mischen sie nie verschiedene Sorten zusammen. Viertens begießen sie den Tee lieber mit abgekochtem, als mit siedendem Wasser, und tragen dabei Sorge, kein nasses Holz zu gebrauchen. Endlich spülen sie den Tee vor dem Aufguss mit warmem Wasser aus, um den Staub abzuwaschen und den dumpfigen Geschmack, der vom Verschließen herrührt, zu entfernen. Übrigens wird der Tee ohne Milch getrunken, da ihm jede Beimischung schadet. Was den Handel betrifft, der in Russland mit Tee getrieben wird, so kommt, da die Einfuhr desselben aus dem westlichen Europa im ganzen Reiche, mit Ausschluss des Freihafens Odessa, verboten ist, nur der Tee von besserer Qualität, der sogenannte Tschai baichowy, nach Russland, und zwar über Kjachta und Semipalatinsk — auf letzterem Wege jedoch nur in geringer Menge. Der in Kjachla eingetauschte Tee wird nach Irkutsk gebracht und von dort in das europäische Russland verführt, namentlich auf den Markt von Nijni-Nowgorod. Der jetzige Handel mit China nahm seinen eigentlichen Anfang erst im Jahr 1792, und die Tee-Einfuhr hat seitdem mit jedem Jahre zugenommen.

Der Eintausch von baichowy tschai in Kjachta betrug:

im Jahr 1792 6.851 Pud 10 3/4 Pfund
im Jahr 1797 12.799 Pud 131/2 Pfund;
im Jahr 1802 21.581 Pud 29 1/2 Plund;
im Jahr 1807 39.791 Pud 3 1/2 Pfund.

Während dieser Zeit verbreitete sich der Verbrauch des Tees über ganz Russland; in Irkutsk war es bereits der ärmsten Familie Bedürfnis, zweimal täglich Tee zu trinken. Es wurden eingetauscht:

im Jahr 1811 46.406 Pud 3 Pfund;
im Jahr 1812 24.729 Pud 15 1/2 Pfund;
im Jahr 1813 67.583 Pud 22 3/4 Pfund;
im Jahr 1814 42.375 Pud 5 Pfund;
im Jahr 1816 55.784 Pud 37 Pfund;
im Jahr 1817 60.648 Pud 21 Pfund;
im Jahr 1818 83.019 Pud 36 Pfund;
im Jahr 1819 84.773 Pud 31 Pfund;
im Jahr 1820 100.096 Pud 23 Pfund.

Zwischen 1820 und 1836 blieb sich die Konsumtion ziemlich gleich; in den folgenden zwölf Jahren stieg sie jedoch bedeutend. Die Einfuhr über Kjachtn und Semipalatinsk betrug:

im Jahr 1836 136.230 Pud;
im Jahr 1837 135.809 Pud;
im Jahr 1839 143.842 Pud;
im Jahr 1840 152.955 Pud;
im Jahr 1841 171.562 Pud;
im Jahr 1842 196.577 Pud;
im Jahr 1843 136.664 Pud;
im Jahr 1844 176.476 Pud;
im Jahr 1845 201.042 Pud;
im Jahr 1846 230.138 Pud;
im Jahr 1847 226.410 Pud.

In einem Vierteljahrhundert, von 1820 bis 1845, hat also die Einfuhr des baichowy tschai in Russland um das Doppelte zugenommen.

Wenden wir uns jetzt zu dem sogenannten Backsteintee (kirpilschny tschai). In ganz Sibirien wird er von den eingeborenen Nomaden Völkern konsumiert, und im Lande jenseits des Baikal (Sabaikalskji krai) auch von der ansässigen russischen Bevölkerung. Im europäischen Russland trinken ihn nur die Tataren und Kalmücken. An der Grenze der ganzen Statthalterschaft Irkutsk ist der Eintausch dieses Tees seit dem Jahr 1830 zollfrei erlaubt; der welcher durch Kjachta geht, müsste also vorzugsweise für die im europäischen Russland lebenden Tataren und Kalmücken bestimmt sein. Er belief sich:

im Jahr 1792 auf 11.551 Pud 5 3/4 Pfund;
im Jahr 1797 auf 21.522 Pud 24 Pfund;
im Jahr 1802 auf 23.451 Pud 16 1/2 Pfund.

Die Quantität verdoppelte sich also im Laufe von zehn Jahren. Im Jahr 1807 wurden 33.712 Pud 29 ¾ Pfund eingetauscht. Hierauf nahm der Import stufenmäßig ab, so dass 1814 über Kjachta nur 9.080 Pud 5 Pfund eingingen; es ist klar dass in diesem Zwischenraum die Bewohner des transhaikal'schen Landes den Schleichhandel mit China in größerem Maßstabe trieben. Seit 1817 begann die Einfuhr des Backsteintees sichtbar wieder zuzunehmen: ein Zeichen, dass sich ein neuer Absatzweg nach Russland eröffnet haben musste. Im erwähnten Jahre wurden 41.004 Pud eingetauscht, und nach zwanzig Jahren (1836) beinah das Doppelte, nämlich 79.455 Pud. Von dieser Zeit an schwankte der Betrag und fiel mitunter auf 60.000 Pud, aber im Jahr 1815 stieg er rasch auf 129.911, 1846 auf 117.903 und 1847 auf 130.696 Pud. Das die Kalmücken und Tataren allein einer so starken Zufuhr bedurften, ist schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil der Verbrauch von Tee besserer Qualität (baichowy tschai) im ganzen Reiche sich im letztgenannten Jahr auf nicht mehr als 226.410 Pud belief. Für den Backsteintee muss demnach eine andere Absatzquelle entdeckt worden sein — welche, lässt sich nicht genau angeben. Soviel ist zuverlässig, dass er im eigentlichen Russland dem gemeinen Mann auch nicht einmal dem Namen nach bekannt ist. Wären es inzwischen nur die Talaren und Kalmücken die ihn konsumieren, so würde er nicht weiter als bis nach Kasan gebracht werden; statt dessen geht der größte Teil auf den Jahrmarkt von Niji-Nowgorod und nach Moskau, wo ihn die Teehändler der beiden Residenzen kaufen.

Ganz privat - Teestunde am Samowar

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Russland 046. Kleinrussin

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Russland 047. Großrusse

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Russland 050. Eine Altgläubige (Raskolniza)

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Russland 054. Großrussischer Junge mit selbstgefertigtem Hackbrett

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Russland 064. Eine Tatarenfamilie vom Unterlauf der Wolga (Auf dem Tisch der Samowar, die im ganzen Russischen Reich verbreitete Teemaschine)

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