Fortsetzung (1)

Das vornehmste Ziel der Handelspolitik der in der Hanse vereinigten Städte musste nach der Mitte des 14. Jahrhunderts das Bestreben sein, das von ihren Kaufleuten und Schiffern im nordeuropäischen Verkehr errungene Monopol zu einem dauernden zu machen. Zu diesem Zwecke begann sie die Ausbildung eines allmählich immer mehr bis ins einzelne festgestellten Systems allgemeingültiger Vorschriften, die zum Teil den Verkehr der Hansen auf ihren auswärtigen Niederlassungen und dadurch im Ausland überhaupt, zum Teil ihren Handel daheim und andere Verhältnisse, auch die Behandlung nichthansischer Händler betrafen. War dies System in der Mehrzahl seiner Satzungen wahrscheinlich der Niederschlag einer längst geübten Praxis, so wurde die Kodifizierung überhaupt sowie ihre allmähliche Erweiterung doch wesentlich mit hervorgerufen durch Vorgänge, die von innen heraus und von außen her eine Beeinträchtigung der hansischen Vorherrschaft herbeiführen zu müssen schienen.

Zur Zeit der Erwerbung und Besiedelung der östlichen Koloniallande durch das Deutschtum und des ersten Emporwachsens ihrer Städte war ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Lübeck und den wendischen Städten in allen Richtungen selbstverständlich gewesen. Mit zunehmender Kräftigung aber wuchs in den neuen Städten des Ostens der Wunsch nach eigener Verselbständigung und nach Beschränkung der Herrschaft Lübecks über ihr Wirtschaftsleben. Der lübische Handel musste im 14. Jahrhundert aus den Stromgebieten der Düna und Weichsel wieder zurückweichen auf die Häfen der Küste. Thorn und Danzig nahmen vom Weichselhandel Besitz, Riga vom Dünahandel und verschloss den hansischen Kaufleuten die Bergfahrt auf dem Strom über seinen Hafen hinaus beharrlich und mit Erfolg. Die hansische Niederlassung zu Polozk wurde zu einem Kontor für die rigische Kaufmannschaft und erhielt von Riga 1393 ein neues Statut, das für die Folgezeit dort die Bedeutung eines Grundgesetzes erlangte. Die Niederlassung in Kowno aber, deren Begründung bald nach dem Friedensvertrage des Großfürsten Witold von Litauen mit dem deutschen Orden auf dem Sallinwerder 1398 erfolgte, war von vornherein in Händen der Danziger Kaufmannschaft. Immerhin blieb den überseeischen Hansen in Riga wie auch in Danzig gestattet, mit den dorthin kommenden Fremden der Hinterländer ohne Vermittlung der Bürger zu verkehren und zu handeln. Jedoch auch dieser Vorzug vor andern Fremden wurde ihnen von beiden Städten um 1460 entrissen, keine Gäste, auch die hansischen, sollten mehr miteinander Handel treiben. Und an dem einzigen noch allgemein-hansischen Zentralpunkte im Osten, in der hansischen Niederlassung zu Nowgorod, gingen die Inländischen Städte gestützt auf ihre Nachbarlage eigenmächtig vor und begannen seit dem Beginne des 15. Jahrhunderts mit wachsendem Erfolg trotz verschiedener und energischer Proteste hansischer Tagfahrten, die überlieferte Vorherrschaft der überseeischen Städte in den Angelegenheiten des Kontors einzuschränken, nachdem sie von jenen 1363 das Zugeständnis der Gleichberechtigung neben Lübeck und Wisby als ein besonderes Drittel in der Mitwirkung bei Fragen der Handelspolitik, des Handels und der Hofverwaltung erlangt hatten.


Die Bestrebungen der livländischen und preußischen Städte, die auf wirtschaftliche Verselbständigung hinzielten, blieben aber bei der Zurückdrängung der überseeischen Hansen aus ihren Hinterländern nicht stehen. Es galt für sie, auch ihre Abhängigkeit im Seehandel zu vermindern, selbst mit dem Westen in Verkehr zu treten, Schiffe zu bauen, die heimischen Rohstoffe selbst jenseits des Meeres abzusetzen und die Luxus-, Genuss- und Gebrauchsgüter, die der Westen bot, selbst an Ort und Stelle zu erwerben und heimzuführen. Und die Einfuhr des westfranzösischen Baiensalzes nach dem Osten z. B. wurde auch aus dem Grunde von den Preußen und Livländern so energisch aufgenommen, um sich in ihrem und ihrer Hinterländer starkem Salzbedürfnis der Abhängigkeit von dem durch die wendischen Städte ihnen vermittelten Lüneburger Salze zu entledigen. Im Laufe des 14. Jahrhunderts nahm die Entwicklung der preußischen und livländischen Beziehungen zum Westen einen größeren Maßstab an. Die Tatsache, dass Danzig bald nach der Mitte des 14. Jahrhunderts über Thorn als Seehandelsplatz das Übergewicht erlangte, ist auch in diesem Zusammenhänge beachtenswert. Es hängt mit diesen allgemeinen Entwicklungsvorgängen im hansischen Osten zusammen, dass die westlichen Nichthansen, weit voran die Holländer und Engländer, denn der Verkehr der Flamen, Wallonen blieb dauernd, der der Schotten bis ins 16. Jahrhundert wenigstens nach der Ostsee geringfügig, nach Preußen zu verkehren begannen und dort gern willkommen geheißen wurden. Neben die älteste Straße des ostwestlichen Verkehrs, die über Lübeck und Hamburg mit zweimaliger Umladung der Waren führte, trat eine direkte und der Kontrolle Lübecks nicht unterworfene Verbindung zwischen dem Ostseegebiet und dem Westen.

Bei beiden Nationen, den Holländern und den Engländern, entsprang die Aufnahme eines Verkehrs nach der Ostsee, die für beide alsbald die Hauptrichtung ihres aufwachsenden Handels wurde, aus ganz verschiedenen Gründen. Es ist bekannt, dass mit dem nationalen Aufschwung Englands unter König Eduard III. ein wirtschaftlicher um die Mitte des 14. Jahrhunderts Hand in Hand ging. Auf die einheimische Wollproduktion, die bisher ausschließlich in den Niederlanden Absatz gefunden und namentlich der flandrischen Tuchmanufaktur zu ihrer glänzenden Blüte verholfen hatte, wurde eine eigene Tuchindustrie begründet, die sich bald ausdehnte und in wenigen Jahrzehnten die Grundlage eines englischen Aktivhandels wurde. Merchant Adventurers wurden die Pioniere des englischen Exporthandels. Nach ihrer eigenen Erklärung wollten sie nur durch billigere und reellere Lieferungen, als seitens der Fremden und namentlich auch der hansischen Kaufleute erfolgten, das englische Volk mit allem Nötigen versorgen. In dem Tuchhandel sahen sie das beste Mittel, sich wirtschaftlich zu verselbständigen, und ihr Streben richtete sich in erster Linie auf das Ostseegebiet, das verschiedene für England wichtige Rohstoffe besaß, vor allem jedoch eine wachsende Aufnahmefähigkeit für westliche Waren zeigte. Dort suchte ihre Tuchindustrie im Kampfe mit der flandrischen sich Absatzfelder zu erringen, und die schnell zunehmende Einfuhr ihres Produkts in Preußen lässt schließen, dass man dort wieder gern einen Handelsartikel willkommen hieß, der das Monopol der flandrischen Tuche und ihres Hauptvermittlers, des lübischen und wendischen Kaufmannes, beseitigte. Bezeichnenderweise war es auch der Verkehr der Engländer nach dem Osten, d. h. nach Schonen, Stralsund und Preußen, der 1390 genossenschaftlich organisiert wurde. Danzig wurde der Sitz des Ältermanns der Gesellschaft, der König bestätigte dessen Wahl und regelte seine Amtsbefugnisse. Erst 1407 erhielten die nach den Niederlanden verkehrenden Merchant Adventurers eine entsprechende Organisation, erwarben in Antwerpen ein eigenes Haus und errichteten dort den Stapel ihrer rasch zunehmenden Tuchindustrie. Und 1408 wurden auch die nach Norwegen, Schweden und Dänemark Handel treibenden englischen Kaufleute in einer Genossenschaft vereinigt.

Jedoch die Energie des englischen Aktivhandels konnte sich nicht voll geltend machen, weil der mehr als hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich die Interessen und die Kräfte des Volks und seiner Herrscher in andern Richtungen in Anspruch nahm. Auch die dauernde Geringfügigkeit der englischen Reederei war für den Aufschwung des englischen Handels ein schweres Hemmnis. Der Versuch, den die englische Regierung mit Erlass einer ersten Navigationsakte 1381 machte, ein schnelles Emporwachsen einer vaterländischen Reederei zu bewirken 2, schlug ebenso fehl wie alle folgenden, die bis ins 16. Jahrhundert gemacht wurden, um die englische Schifffahrt auf eine den Bedürfnissen des Landes und seines Handels entsprechende Höhe zu heben. Die Kleinheit des englischen Schiffsbestandes und die Richtung der Engländer auf die Befriedigung nur der Bedürfnisse der Heimat machten für die Hanse die englische Gefahr geringer im Vergleich zur holländischen.

Dem holländischen Handel fehlte die breite Grundlage einer größeren aufnahmefähigen Volksmenge im eigenen Lande. Aber Holland, worunter die drei Landschaften Holland, Seeland und Westfriesland der Kürze halber zusammengefasst werden mögen, war durch seine geographische Lage ein Vermittlungsgebiet zwischen dem Rheinland und England, zwischen dem reichen und vielseitigen Handels- und Industriegebiet der angrenzenden südlichen Niederlande und dem Norden und Osten. Unter dem Zusammenwirken dieser Faktoren entwickelte sich der holländische Handel. Die holländische Kaufmannschaft warf sich von vornherein vorzugsweise auf Zwischenhandel und die holländische Schifffahrt auf ein internationales Frachtgeschäft, wodurch sie schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts neben der süderseeischen, preußischen und livländischen teilgenommen zu haben scheint an dem Transport des Baiensalzes von der westfranzösischen Küste nach dem preußisch livländischen Osten. Jedoch auch durch zwei eigene Güter bereicherten die Holländer seit dem Ausgange des 14. Jahrhunderts den nordeuropäischen Warenmarkt; das waren der Hering der Nordsee, den sie zuerst für den Fernhandel verwerteten, und eine Tuchindustrie, die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sich über eine größere Anzahl holländischer Städte und Ortschaften ausbreitete und namentlich in Leiden und Amsterdam für den Export zu arbeiten begann. Zielbewusst ging das Streben der Holländer mehr und mehr dahin, in allem und jedem Betriebs- und Handelszweige mit den alten Inhabern des nordeuropäischen Verkehrs, den Hansen, in Wettbewerb zu treten. Auch sie erkannten mit richtigem Blicke die besondere Wichtigkeit des Ostseeverkehrs für ihre Absichten. Noch im 14. Jahrhundert nahm ihr Verkehr nach der Ostsee beständig zu. Eine Amsterdamer Willkür von etwa 1360 trifft Anordnungen über Vergehen von Amsterdamern in den nordischen Reichen, in den wendischen und weiter östlichen Städten und Ländern. Zum Schutze der Sundfahrt gegen König Waldemar Atterdag von Dänemark traten 1367 mit den preußischen und drei süderseeischen Städten, sowie englischen und flandrischen Kaufleuten auch Amsterdam, Dordrecht und Zierixee zusammen. Auch für den holländischen Ostseeverkehr wurde alsbald Danzig der Hauptzielpunkt, und schon damals fand Amsterdam den Schwerpunkt der kaufmännischen und Schifffahrtstätigkeit seiner Bürger im Verkehr mit der Ostsee. Das schnelle Emporblühen Danzigs seit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts ist wesentlich dem Zuströmen des englischen und holländischen Verkehrs zuzuschreiben. Es war eine Folge davon, dass erst seit dieser Zeit in Preußen der Handel der Fremden durch die Gesetzgebung geregelt zu werden begann. Mit den neu gewonnenen Beziehungen aber waren alle Stände Preußens sehr einverstanden. Auch in Danzig waren die Fremden wohlgelitten, wenn sie die Schranken, die die städtische Gästepolitik ihrem Verkehr zog, nicht zu durchbrechen trachteten. In dieser Hinsicht waren die Holländer, offenbar in bemerkenswertem Gegensätze zum Verhalten der Engländer, viel gefügiger und genossen darum lange Zeit Begünstigung vor andern Fremden. Die Engländer jedoch traten bald trotzig fordernd gegen Danzig auf, und zwar um so fester, da sie der Geneigtheit der andern ständischen Gewalten in Preußen und des Hochmeisters sich versichert halten durften. Ja selbst politische Anschläge auf die Freiheit des Landes traute man ihnen zu; 1438 äußerte Danzig die Besorgnis, die Engländer könnten durch eine zeitlich unbegrenzte Niederlassungsfreiheit leicht so stark in Danzig werden und so fest sich einnisten, dass sie die Stadt in eine ähnliche politische Abhängigkeit von sich zu bringen vermöchten, wie sie es mit Bordeaux und der Gascogne und andern Ländern getan hätten.
015 Frauenreise

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016 Tanzfest bei Hofe

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017 Ständchen

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018 Mysterienspiele

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019 Ritter-Turnier

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020 Ausritt zur Jagd

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021 Armbrustschießen

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022 Zweikampf im Ring

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023 Burginneres

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024 Belagerung einer Burg

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025 Gelehrtenstube

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026 Schuhmacherwerkstatt

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027 Zahnbrecher

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028 Alchimist

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