Der Farnsame und der Mann aus Berka

Autor: Ueberlieferung
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Dem Farnkraut werden im Volk allerlei übernatürliche Wirkungen zugeschrieben. Sein Same bringt Glück und macht unsichtbar.

Einem Manne aus Berka an der Werra ging es damit gar wunderlich. Sein Fohlen hatte sich im Wald verlaufen; auf der Suche nach dem Tier traf er auf einer Waldwiese unversehens auf reifendes Farnkraut. Etwas von dem Samen fiel ihm in die Schuhe, ohne daß sich irgend etwas Besonderes ereignete. Er lief lange im Wald umher, fand das Füllen aber nicht und kam erst früh am Morgen wieder nach Hause. Dort betrat er die Stube und setzte sich müde und verdrießlich hinter den Kachelofen auf den Lehnstuhl. Frau, Kinder und Gesinde gingen auf und ab, hantierten und plauderten, aber keines sagte guten Morgen zu ihm. Das wunderte ihn.

Endlich murrte der Mann: "Ich habe das Fohlen nicht gefunden."

Alle erschraken, niemand wußte, woher plötzlich die Stimme kam. Erstaunt blickten sie einander an, ihn sah niemand.

"Ja, Mann, wo steckst du denn?" rief die Frau.

Da erhob er sich, trat mitten in die Stube und schalt: "Da bin ich ja, närrische Frau, ich stehe doch vor dir!"

Nun erschraken die Seinen noch mehr, denn sie hatten ihn aufstehen und herumgehen hören, sahen aber nichts von ihm. Da merkte der Mann, daß er unsichtbar geworden war, wünschte aber nicht, es zu bleiben. Er erinnerte sich, daß ihm im Wald etwas in die Schuhe gefallen war, das ihn drückte wie Sand. Gleich riß er die Schuhe von den Füßen und klopfte sie aus; da fiel Farnsamen heraus. Der Mann aber stand sogleich, allen sichtbar, vor ihnen.