Der Entenwigk zu Sachsenheim

Autor: Ueberlieferung
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Es kam ein Gespenst nach Sachsenheim zu den Herren von Sachsenheim. Es blieb etliche Jahre bei ihnen und hieß Entenwigk. Das Gespenst hat erzählt, es sei ein aus dem Himmel verstoßener Engel und hoffe, einmal wieder in Gnaden angenommen zu werden. Entenwigk hat mancherlei davon geredet, wie er die Zeit seit seiner Verstoßung verbracht habe, so sei er u. a. 1000 Jahre in einem Röhrlein in einem Moos gewesen, in der Erwartung, bald von da wegzukommen.

Er war von den Edelleuten befragt worden, wie er nach Sachsenheim gekommen sei. Entenwigk berichtete, er sei mit einem Diener von Köln heraufgereist und hinten auf dem Pferd gesessen.

Alles, was es im Schloß zu tun gab, verrichtete er nach bestem Willen, wie ihm befohlen. Er leuchtete den Gästen im Dunkeln, brachte das Kartenspiel herbei oder andere gewünschte Dinge, wie er eben geheißen wurde. Nur hat man ihn dabei nicht sehen können, und die Dinge sind gewissermaßen durch die Luft geschwebt und wie von selbst gekommen. Wenn er in ein Zimmer kam, sah man ihn nicht, auch wenn er redete.

Alle Gebete, die man ihm vorsprach, sagte er nach, auch das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser, dieses jedoch nur ohne die Worte: »Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel! « Die hat er nicht sagen wollen und an dieser Stelle geschwiegen.

Entenwigk hat auch vernehmen lassen, so lange er sich zu Sachsenheim aufhalte, werde das Sachsenheimer Geschlecht bei Ehr und Gut verblieben. Es ist auch, um die Wahrheit zu sagen, dem damaligen Herrn von Sachsenheim glücklich und wohl ergangen. Er hatte hübsche Kinder und auch Zuwachs erfahren an Zeitlichem. Doch, wiewohl der Geist etliche gute Jahre im Schloß verbrachte, niemanden beleidigte, sondern zu jedermann dienstwillig war, so war es den Freunden der Familie doch nicht ganz wohl dabei. Sie rieten dem Herrn von Sachsenheim dringend, er solle das Gespenst fortschicken, es werde das Geschlecht sonst aussterben. Also ließ sich der von Sachsenheim bereden und trennte sich von dem, Geist. Beim Abschied sagte Entenwigk ein großes Unglück voraus. Von ihm selbst hat man nie wieder etwas vernommen.