Der Bischof Bernard und die Juliner.

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Gesammelt von Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1840
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Rügen, Pommern, Wenden
Zu der Zeit, als noch ganz Pommern in der Finsternis des Heidentums lag, jammerte dieses einen frommen Mann, Namens Bernhardus, einen Spanier von Geburt, der in Rom zum Bischof gewählt war, aber das Bistum nicht annehmen wollte, da er hörte, dass von dem Kapitel desselbigen Stiftes schon ein Anderer war erwählet worden, mit dem er hätte streiten müssen. Er gedachte, dass er lieber etwas zur Ausbreitung der Ehren Gottes beitragen wolle, und er beschloss deshalben, nach dem Pommerlande zu ziehen, dessen Einwohner noch Unchristen waren, um sie zum christlichen Glauben zu bekehren. Er begab sich zuerst zu dem Herzoge Bolislaff von Polen, der zu damaliger Zeit einen großen Teil von Pommern inne hatte, und erbot sich, dass er hinziehen wollte, den Pommern zu predigen. Das hörte der Herzog Bolislaff gern, und er gab ihm Dolmetscher mit in das Land. Dieses war im Jahre 1122.

Darauf zog Bernhardus mit den Dolmetschern nach Julin, da dieses die vornehmste der Städte war. Allda hob er an zu predigen, und die Dolmetscher legten es den Leuten aus.

Aber dieser Bernhardus ging, seiner vermeinten Heiligkeit halber, armselig einher, barfuß und übel bekleidet, und aß nur trockene und wenige Speisen, und trank nur Wasser. Als er daher mit solchem verhungerten Gesichte und armseligen Wesen gen Julin die reiche Stadt kommt, da wollte das Volk nicht auf seine Reden hören, und man fragt ihn, von wannen er komme, und wer ihn gesandt habe. Darauf gibt er durch den Dolmetscher die Antwort: Er sei ein Diener des einzigen wahren Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erden, von dem alle Macht und aller Reichtum komme. Da dünkt es den Julinern sehr ungereimt, dass ein so großer reicher Herr, dessen er sich rühmet, einen so unansehnlichen, hungrigen und zerlumpten Boten sollte ausgeschickt haben, und sie verlachten ihn und hielten ihn für einen Bettler, der nur darum gekommen wäre, dass er ihnen das Geld möchte abschwatzen und reich werden, oder für einen Narren, der seine Armut bei ihnen büßen sollte. Sie sagten ihm deshalb, er sollte sich nur bald packen, oder sie wollten ihm Füße machen. Da hob er an zu sprechen von dem geistlichen Reichtum, und dass das Reich Gottes nicht in vielem Gelde und äußerlicher weltlicher Pracht, sondern nur in der Kraft und Tat des Geistes bestehe; darum sollten sie sich nicht ärgern an seiner Armut und Schlechtheit, denn sein Gott sei ein solcher, der die Reinigkeit des Herzens haben wollte, und der vergänglichen Gutes nicht achte. Er sagte ihnen weiter, dass ihre Götter keine Götter, sondern nur Holz und Steine wären, die sich selbst nicht helfen könnten, vielweniger denjenigen, die sie ehren. Damit sie auch sehen sollten, dass sein Gott der wahre Gott, und er sein echter Diener wäre, so sollten sie ihn in ein altes Haus setzen und dasselbe mit Feuer anzünden, wo sie dann sehen würden, dass er nicht verbrenne. Das war nun sehr viel von ihm. Die Priester und die Bürger der Stadt hielten auch einen Rat und fragten einander, was sie bei so gestalteten Sachen tun sollten. Aber da sprachen Etliche von ihnen, der Mensch sei wohl seiner Armut halber in Verzweiflung, also dass er nicht mehr leben wolle. Andere meinten, er wäre nicht bei Sinnen. Und wieder Andere waren der Meinung, er wolle, dass die ganze Stadt in Feuer aufgehe, damit er also für seine Abweisung Rache nehme. Sie verlachten ihn deshalb nur um so mehr, und geboten ihm, straks die Stadt zu räumen und sich zu entfernen, damit er ihre Götter nicht beleidige.

Da entbrannte der fromme Mann in großem Eifer, und er nahm eine Axt und hieb in ein Götzenbild, das mitten auf dem Markte stand und sehr heilig gehalten wurde. Nun ging aber auch den Heiden die Geduld aus, und sie fielen über ihn her und schlugen ihn samt seinen Dolmetschern blau und gebrechlich. Sie hätten ihn auch tot geschlagen, aber die Götzenpriester und die Ältesten der Stadt berieten, wie es vor Jahren den Preußen schlecht ergangen, die den heiligen Adalbert getötet hatten, und darüber viel Druck und Elend erlitten und alle das Ihrige verloren. Sie beschlossen also, ihn, ohne ihm größer Leid zuzufügen, aus dem Lande zu entfernen, und sie setzten ihn in ein Schiff, das brachten sie in das frische Haff, und ließen ihn fahren, wohin er wollte, ihm sagend, nun solle er den Fischen predigen, die würden mehr Zeit haben, solch Gaukelwerk anzuhören.

Da sah Bernhardus ein, dass er mit seiner Armut nichts ausrichten könne; er ging zurück zum Herzog Bolislaff, dem berichtete er die Sache, und zog darauf nach Bamberg, wo Sankt Otto Bischof war; allda begab er sich in das Kloster zu Sankt Michael, und berichtete dem heiligen Otto, wie es ihm zu Pommern ergangen wäre, und sagte, so Einer den Pommern predigen wolle, der müsse nicht arm kommen, sondern mit Reichtum. Das hat sich der heilige Bischof Otto wohl gemerkt, als er hernach auszog, die Pommern zu bekehren.

N. Daniel Cramer, Große Pommersche Kirchen-Chronik, I. S. 19,
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 75—77
P. F. Kanngießer, Geschichte von Pommern, S. 541—545.
Joh. Bugenhagen Pommerania, p. 83.

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller