Das Banquerottiren.

Das amerikanische Volk, das fast gänzlich aus Kaufleuten besteht, (auch der Farmer, der Handwerker hat in der Regel eine kaufmännische Einrichtung,) ist bekanntlich mehr als jedes andere Volk geneigt, große und gefährliche Speculationen zu machen. Hieraus erfolgt natürlich das schnelle Reichwerden einiger, und das so häufige Banquerottiren anderer. Aber Letzteres ist nicht immer eine Folge von Unglücksfällen, Verschwendung oder fehlgeschlagenen Unternehmungen, sondern nur gar zu oft wird es von dem Speculationsgeist herbeigeführt. Ein großer Theil fallirt dort aus keinem andern Grunde, als gerade nur um dadurch Vermögen zu erwerben, welches zu erlangen, ihnen aus rechtlichem Wege vielleicht schwer, ja fast unmöglich scheint. Aber Reichthum zu erlangen, das ist das Hauptziel, nach welchem in Amerika alles hinstrebt, denn wer dort nur einmal reich ist, der hat gewonnen. Er mag seinen Reichthum nun erlangt haben, auf welche Weise es auch sey, er ist ein Gentleman; ein Ehrenmann. Deswegen wird auch der, der einen Banquerott von 100 Tausenden zu machen versteht, als ein geborgener Mann betrachtet; sein Ruf leidet dabei gar nicht, sein Credit wird dadurch nichts weniger als erschüttert. Man weiß von ihm, er hat sein Schäfchen ins Trocknene gebracht; sein Haus wird in Zukunft groß dastehen, ein Ehrenhaus. Nur der arme Teufel, der mit einigen Hunderten fallirte, wird höchstens ein Rascal – Schurke – genannt.

Ich will hier blos durch ein einziges Beispiel zeigen, wie weit der Speculationsgeist der Amerikaner bei Banquerotten geht. Ein reicher Kaufmann in Baltimore, der schon 6 bis 8 Mal fallirt hatte, und weil es immer gelungen war, für einen ganz soliden Mann galt, fand es den Umständen angemessen, diese Spekulation noch einmal zu wiederholen. Seine 14 Häuser waren bereits im Stillen gegen Revers an mehrere seiner Freunde verpfändet, sein Geld war auf die Seite gebracht, seiner Gattin war möglichst viel zugeschrieben, und alles war so weit, um das Benefit*) zu nehmen; nur ein einziger Umstand verzögerte noch die Ausführung dieses Entschlusses. Er hatte nämlich in einer großen Brennerei eine ansehnliche Quantität Branntwein gegen baare Zahlung bei Ablieferung gekauft, und diese war noch nicht erfolgt.


Endlich kommen die Wagen mit den Branntweinfässern an, welche aber auf seine Anordnung nicht in seine eigenen, sondern in andere Keller abgeladen werden. Nachdem dies geschehen, geht der Commis der Brennerei in das Comptoir des Bestellers, um die Zahlung in Empfang zu nehmen. Der Herr der Handlung ist aber nicht gleich zugegen, und der Commis wird gebeten, ein wenig sich zu gedulden. Nicht lange darauf kommt der Besteller, und zwar in Begleitung von Gerichtspersonen, die sofort sein Comptoir und seine Waarenlager schließen. Der wartende Commis wird ersucht sich hinaus zu begeben, und ihm erklärt – und zwar von dem Hausherrn selbst, mit heiterer Miene, – daß er sich genöthigt gesehen habe, das Benefit zu nehmen. – Der Bestürzte eilt jetzt an den Ort, wo der Branntwein abgeladen wurde, und verlangt augenblickliche Zurückgabe. Allein hier wird ihm leider durch quittirte Rechnungen bewiesen, daß diese Waare schon vor der Abladung das Eigenthum des gegenwärtigen Inhabers war. Der Betrogene und Getäuschte würde nur Kosten gehabt haben, wenn er die Rechtlichkeit dieses Handels nicht hätte anerkennen wollen, und mußte ohne Geld und ohne Branntwein zu seinen Prinicpalen zurückkehren.



*) Das Benefit, oder die Wohlthat der Gesetze, schützt den Banquerottirer vor Personalarrest. Es kostet 10 bis 15 Dollars. Um jedoch dem Gläubiger einige Genugthuung zu verschaffen, wird derjenige, der es nachsucht, durch einen Constabler nach dem Gefängnißhause geführt, wo er den Schlüssel irgend eines leeren Gefängnisses umdrehen und in dasselbe hineintreten muß. Dies kostet noch 5 Dollars, dann ist er frei. Jedoch wird dasjenige von seinem Eigenthum, was er für gut befunden hat dazulassen, in Beschlag genommen, mit Ausnahme der Betten, der Wäsche, des Haus- und Handwerksgeräthes. Der arme Teufel aber, der die 15 bis 20 Dollars nicht aufbringen kann, muß oft wegen einer geringen Summe mit langem Gefängnisse büßen, während der muthwillige Betrüger stolz an dem Betrogenen vorübergeht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2