Der Araber und sein Pferd

Autor: Redaktion, Pfennig-Magazin, Erscheinungsjahr: 1849
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Araber, Pferde, Rassepferde, Pferderassen
Aus: Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge VII. Band. Nr. 314-365. Leipzig, Brockhaus 1849.

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Die Araber haben drei Pferderassen, die Atterbi, Kadischi und Kohlani. Die beiden ersten sind gewöhnliche Dienstpferde, die Kohlani sind reinen Bluts und stammen nach der Volkssage von den Lieblingsstuten des Propheten ab. Mohammed, erzählt man, lieferte eine Schlacht, die drei Tage dauerte; während dieser ganzen Zeit setzten seine Krieger den Fuß nicht auf den Boden, und die Stuten, die sie ritten, hatten weder zu fressen noch zu trinken. Endlich am dritten Tage kam man an einen Fluss und der Prophet befahl, dass die Pferde abgezäumt und in Freiheit gelassen werden sollten. Vom glühenden Durste verzehrt, stürzten sich alle diese Pferde, 10.000 an der Zahl, nach dem Flusse, als im Augenblick, wo sie das Ufer erreichten, die Trompete des Propheten sie zurückrief. Zehntausend Pferde hörten das Signal, aber nur fünf gehorchten demselben, verließen den Fluss, ohne nur ihre Lippen genetzt zu haben, und kehrten zu ihrer Fahne zurück. Der Prophet segnete diese Stuten und färbte ihre Augenlider, wie die der Frauen des Orients mit Kohol, daher der Name Kohlani, was geschwärzt bedeutet. Von diesem Augenblick an wurden sie von dem Propheten selbst und seinen Gefährten Ali, Omar, Abu Bekr und Hassan geritten, und von ihnen stammten alle edeln Renner Arabiens ab.

Die große Überlegenheit des arabischen Pferdes dankt man zum Teil der außerordentlichen Sorgfalt der Beduinen in Erhaltung der Reinheit der Rasse, zum Teil der wohlwollenden und freundlichen Art, mit der das Pferd im Zelte des Herrn behandelt wird, wo es der Liebling der Kinder ist und gleichsam als Familienglied behandelt wird. Die Stute des Beduinen — denn diese reiten niemals Hengste — zeigt den ganzen Scharfsinn und die Treue des Hundes, sie wird nie ihren eingeschlafenen Herrn vom Feinde überfallen lassen, ohne ihn aufzuwecken. Die außerordentliche Schwierigkeit, sich arabische Stuten zu verschaffen, darf deshalb nicht in Erstaunen setzen: die Leute der Wüste bezahlen oft selbst bis zu 5.000 Francs, nur um zu hindern, dass eine berühmte Stute nicht an Fremde verkauft werde. Man hat selbst 12.000 Francs bezahlen sehen, eine ungeheure Summe, wenn man den Wert des Geldes in Arabien und Syrien in Anschlag bringt. Burckhardt führt einen Scheikh auf, der eine sehr berühmte Stute hatte, woran er das halbe Eigentum mit 10.000 Francs bezahlt hatte. Diese Teilungen des Eigentums sind merkwürdig, denn es kommt manchmal vor, dass eine Zuchtstute unter 10—12 Araber verteilt ist.

In der Wüste wird eine Rassestute selten verkauft, ohne dass der Verkäufer sich die Hälfte oder zwei Drittteile des Eigentums vorbehält. Verkauft er die Hälfte, so nimmt der Käufer die Stute und muss dem Verkäufer das erste weibliche Füllen lassen, oder er behält das Füllen und gibt die Stute zurück. Hat der Araber nur ein Dritteil der Stute verkauft, so führt der Käufer zwar die Stute fort, muss aber dem Verkäufer die weiblichen Füllen von zwei Jahren oder aber eins der Füllen mit der Mutter lassen. Die weiblichen Füllen aller folgenden Jahre gehören dem Käufer, ebenso die männlichen Füllen der ersten und der nächsten Jahre. So sind die meisten arabischen Stuten das ungeteilte Eigentum zweier oder dreier Personen oder selbst einer größern Anzahl, wenn der Preis sehr hoch ist. Eine Stute wird manchmal unter der Bedingung verkauft, dass alle Beute, die ihr Reiter macht, zwischen ihm und den, Verkäufer geteilt wird.

Ein Pferd zu stehlen gilt in der Moral der Wüste als eine sehr rühmliche Tat, wenn das Opfer ein Fremder, oder einem anderen Stamme angehört, was fast so viel heißen will als ein Feind ist. Ein Beduine, Namens Dschabal, hatte eine sehr berühmte Stute; Hassad-Pascha, Gouverneur von Damaskus, wünschte sie zu kaufen und machte ihrem Besitzer wiederholt sehr vorteilhafte Anträge, die jedoch stets zurückgewiesen wurden. Nun fing er an zu drohen, aber mit ebenso wenig Erfolg. Endlich kam ein Beduine von einem anderen Stamme zu ihm und fragte, was er Demjenigen geben würde, der ihn in den Besitz der Stute Dschabals setze?

Einen Sack mit Gold, erwiderte Hassad, dessen Stolz und Habsucht durch den Widerstand des Besitzers aufs höchste gesteigert war. Da indes das Ergebnis der Zusammenkunft Dschafers mit dem Pascha verlautet hatte, so war Dschabal mehr als jemals auf seiner Hut. Er band alle Nacht seine Stute mit einer eisernen Kette an, wovon das eine Ende an einem der hintern Zeltpflöcke befestigt war, während das andere Ende durch das Zelt hindurchging und sich um einen Pflock wand, der unter dem Fell, das ihm und seiner Frau als Bett diente, in die Erde geschlagen war. In einer Nacht schlich sich Dschafar ins Zeit, schmiegte sich zwischen Dschabal und seine Frau, drückte sachte bald nach der einen, bald nach der andern Seite, bis die in tiefem Schlafe liegenden Eheleute sich maschinenmäßig links und rechts entfernten, jedes in der Meinung, der Druck rühre vom andern her. Als dies geschehen war, durchschnitt Dschafar das Fell mit einem scharfen Messer, zog den Pflock heraus, machte die Stute los und schwang sich auf ihren Rücken. Ehe er aber fort ritt, ergriff er die Lanze Dschabals, stieß ihn mit dem Holzende stark an und rief: Ich bin Dschafar! ich habe deine edle Stute geraubt und zeige es dir bei Zeiten an. Hier muss nämlich bemerkt werden, dass diese Ankündigung den Gebräuchen der Wüste in solchen Fällen gemäß war: sobald der Diebstahl in gewissen Fällen als eine ehrenvolle Handlung betrachtet wird, sucht Derjenige, welcher ihn ausführt, natürlicherweise den ganzen Ruhm zu erlangen, der mit einer solchen Tat verknüpft ist. Der arme Dschabal, plötzlich aufgeweckt, stürzte aus dem Zelt und machte Lärm, schwang sich dann auf die Stute seines Bruders und setzte mit einigen Leuten seines Stammes dem Diebe nach. Die Stute des Bruders war von derselben Rasse wie die Dschabals, doch ohne ihr gleichzukommen; indes war sie nach einem Ritt von vier Stunden allen anderen voraus und sogar auf dem Punkte, den Dieb einzuholen, als Dschabal dem Letztern zurief: „Zwick sie in das rechte Ohr und gib ihr die Ferse.“ Das waren die geheimen Mittel, die Dschabal anwandte, um seine Stute in volles Jagen zu versetzen; jeder Beduine lehrt nämlich sein Pferd ein gewisses Zeichen dieser Art, zu welchem er nur in sehr wichtigen Fällen seine Zuflucht nimmt, und woraus er sogar gegen seinen Sohn ein Geheimnis macht. Dschafar hatte nicht sobald die ihm edelmütig gegebene Andeutung benutzt, als die Stute wie ein Blitz davon schoss und alle Verfolgung unnütz machte. Die Gefährten Dschabals waren ebenso erstaunt als unwillig über sein seltsames Benehmen. Unsinniger, sagten sie, du hast dem Räuber selbst geholfen, dir dein Juwel zu stehlen. Er aber brachte sie mit der Antwort zum Schweigen: Ich will lieber meine Stute verlieren, als ihren Ruhm schwächen. Sollte ich dulden, dass man unter den Stämmen sagt, eine andere Stute habe die meinige erreicht? Es bleibt mir wenigstens der Trost, behaupten zu können, dass sie nie ihresgleichen gefunden hat.

Der arabische Charakter zeigt manchmal bei derselben Person eine Mischung von Edelmut und Raublust. In dem Stamme der Nedschna befand sich eine nicht minder berühmte Stute als die Dschabals, und alle Wünsche Dahers, eines reichen Arabers in einem benachbarten Stamme, vereinten sich darin, sie in seinen Besitz zu bekommen. Da er vergebens seine Kamele und all sein Vermögen dafür geboten hatte, beschloss er sich des Tieres durch List zu bemächtigen. Er färbte sich das Gesicht mit Kräutern, kleidete sich in Lumpen und band sich den einen Fuß so, dass er sich das Ansehen eines verstümmelten Bettlers gab. So verhüllt legte er sich an einen Ort, wo er wusste, dass Nabi, der Herr des Pferdes, vorüberkommen musste, auf den Boden, und sobald er ihn erblickte, bat er ihn mit kläglicher Stimme um Hilfe, da er nicht vom Platze kommen könne und er vor Hunger umkommen müsse. Nabi bot ihm an, hinten aufs Pferd zu steigen, er wolle ihn in sein Zelt führen und ihm zu essen geben. Eure Barmherzigkeit sei gesegnet, antwortete der angebliche Bettler, aber ich kann ohne Hilfe nicht auf euer Pferd steigen. Der gute Nabi stieg ab und hob mit vieler Mühe den Hinkenden in den Sattel. Sobald Daher sich fest darin fühlte, stieß er dem Pferde die Fersen in die Seiten und sprengte fort unter dem Rufe: Ich bin Daher und deine Stute ist mein! Nabi rief ihm zu, anzuhalten und zum mindesten zu hören, was er ihm zu sagen habe; der Räuber, wohl wissend, dass er nichts zu fürchten habe, kehrte um und hielt an, jedoch außer dem Bereiche der Lanze seines Gegners. Du hast dich meiner Stute bemächtigt, sagte dieser; da es Gottes Wille ist, so wünsche ich dir Glück dazu, aber ich bitte dich, erzähle Niemand, wie du sie gewonnen hast.

Und warum denn nicht? fragte Daher.

Weil es sonst kommen könnte, dass ein wirklich verstümmelter Bettler hilflos liegen bliebe. Wenn es bekannt würde, so würde Niemand mehr eine Handlung der Barmherzigkeit üben wollen, aus Furcht betrogen zu werden, wie ich betrogen wurde.

Betroffen von diesen Worten, stieg Daher sogleich ab, umarmte Nabi und gab ihm seine Stute zurück.

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Arabisches Pferd

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