Das russische Christentum und die Erfinder des Papiergeldes
Aus: Russlands Einfluss auf, und Beziehungen zu Deutschland vom Beginne der Alleinregierung Peters I. bis zum Tode Nikolaus I. (1689—1835) Bd. 1
Autor: Sugenheim, Samuel (1811-1877) israelitischer Kaufmann, Historiker und Publizist. (Autodidakt), Erscheinungsjahr: 1856
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Zaren, Mongolen, Christentum, Mittelalter, Mecklenburg, Großfürst Wladimir, Moskowiter, Rurik
Zwei Unglücksfälle, von welchen Russland im Mittelalter betroffen worden, haben auf seine späteren Geschicke, wie auf seinen ganzen Entwicklungsgang den durchgreifendsten, den unseligsten Einfluss geübt. Das erste der fraglichen Missgeschicke bestand darin, dass das von seinem Großfürsten Wladimir, vornehmlich damit er die griechische Prinzessin Anna heiraten konnte, ihm (988) octroyierte Christentum das byzantinische Hofchristentum, jene Form des christlichen Glaubens gewesen, der alle ethischen, alle geistigen Elemente abgingen. Während der römische Katholizismus selbst in seiner gröbsten Verunstaltung noch immer sittlichen Gehalt genug besitzt, um auf wilde oder verwahrloste Völker bildend wirken zu können, entbehrte die byzantinische Hofkirche jener Tage, — und nur sie ist der russischen Rohheit gewaltsam*) eingeimpft worden —, aller erziehenden, aller veredelnden Fermente. Denn sie war nichts anderes als ein von servilen, gewissenlosen Pfaffen, für die Launen, für die Bedürfnisse, des lasterhaftesten und ruchlosesten Hofes der Welt zugeschnittenes Namen-Christentum, welches eben darum auch einem Fürsten am meisten zusagen mochte, der, wie der „apostelgleiche“ (so nennt ihn noch heut zu Tage die russische Kirche) Wladimir I., neben vier rechtmäßigen Frauen achthundert **) Kebsweiber hatte.
*) Strahl, Gesch. d. russ. Staats I., 110.
**) Schmidt-Phiseldek, Versuch einer neuen Einleitung in die russische Gesch. I., 83 (Riga 1773. 2 Bde.)
Aus dem argen Übelstande, dass den Moskowitern lediglich ein solch’ ekelhafter Abklatsch des christlichen Glaubens *) überkam, resultierte der noch weit größere, dass aus Anlass ihrer kirchlichen Absonderung von dem westlich-germanischen Europa auch die wichtigsten Bildungsvehikel desselben ihnen vorenthalten blieben — das Lehnwesen**) (welches bei Völkern, die noch auf den untersten Sprossen der Kulturleiter stehen, das sich leicht Vereinzelnde so trefflich zusammenhält und eine höhere Entwicklung so zweckmäßig vorbereitet), die Bekanntschaft mit dem römischen und kanonischen Rechte. Allerdings könnte man bei flüchtiger Betrachtung sich zu der Meinung versucht fühlen, dass eben hierdurch die Entfaltung der russischen Nationalität selbstständiger geworden, ungestörter geblieben. Wenn man aber genauer zusieht, wird man finden, dass Völker, welche im Mittelalter der erwähnten Bildungsmittel entbehrten, über den Zustand traurigen Vegetierens sich nie zu erheben vermochten.
*) Denn dass die Religion der Russen nie etwas Anderes gewesen, wird man nach den interessanten Aufschlüssen, die Bellermann in seinen lehrreichen Bemerkungen über Russland, in Rücksicht auf Wissenschaft, Kunst, Religion usw. II., 30 f. (Erfurt 1788. 2 Bde.) u. Meiners in s. trefflichen Vergleichung des altern u. neuern Russlands, nach Anleit. ält. u. neuer. Reisebeschreib. II. 330 f. (Leipz. 1798. 2 Bde.) über die Glaubenslehren, Gebräuche usw. der russischen Kirche geben, nicht bezweifeln können.
**) Das von Rurik und dessen Nachfolgern in Russland eingeführte System ist mit diesem sehr mit Unrecht verwechselt worden; es glich ihm nur äußerlich, während es in seinen Grundlagen, im Beginn, in der Entwicklung und in den Folgen, ihm durchaus unähnlich war. Ustrialow, Gesch. Russlands I,, 83 (der deutsch, Übersetz, Stuttg. 1840—43, 2 Bde., wie immer im Folgenden).
Das andere Unglück, welches die Russen in der genannten Zeit betraf, war ihre fast dritthalbhundertjährige Unterjochung (1237—1480)*) durch die Mongolen. Es erscheint gleichsam als die natürliche Folge ihres eben berührten ersten Missgeschickes. Denn das übrige Europa würde die Herrschaft dieser Erfinder des Papiergeldes**) in Russland schwerlich so lange und mit solchem Gleichmut geduldet haben, wenn, wie die Gebieter, nicht auch die Knechte Ungläubige gewesen wären, wenn nicht schon die Päpste Innocenz IV. und Alexander IV. die Überzeugung gewonnen hätten, dass die damals, in ihrer höchsten Roth, von den Russen gezeigte Bereitwilligkeit, den römischen Kirchenglauben anzunehmen, bloß eitel Trug und Spiegelfechterei gewesen, um die Hilfe der abendländischen Christenheit gegen ihre erbarmungslosen Tyrannen zu gewinnen.
*) Diese Zeitbestimmung nach Hammer-Purgstall, Gesch. d. goldenen Horde in Kiptschack, d. i. der Mongolen in Russland S. 106, 407 ff. (Pesth 1840)
**) Wie von Schlözer in seinen histor.-kritisch, Nebenstunden S. l59 f. (Götting. 1797) ermittelt worden. Die Mongolen hatten nämlich schon im dreizehnten Jahrhundert aus gestampften Maulbeerbaumblättern papierartig verfertigte Münzzeichen statt des Metallgeldes.
Die Spuren dieser langen Herrschaft der Mongolen in Russland treten uns noch jetzt wie in seiner Sprache, so auch in vielen Verhältnissen des öffentlichen und häuslichen Lebens grell genug entgegen,*) am prägnantesten zumal in seinem Regierungssysteme, welches noch heutigen Tages ein echt mongolisches Gepräge trägt. Merkwürdig bleibt aber immer, dass die Moskowiter, als sie endlich das Joch ihrer Zwingherren, nicht sowohl durch die Tapferkeit Iwans III. Wassiljewitsch, als vielmehr durch seine Staatsklugheit, welche die inneren Zerwürfnisse jener mit ungemeiner Gewandtheit ausbeutete, **) abgeschüttelt, und ihre frühere Unabhängigkeit zurückerworben hatten sogleich auch, — das Unglück schärft eben den Witz der Nationen wie der Einzelnen — die mittlerweile gewonnene Erkenntnis; dessen offenbarten, was ihnen fehlte. Sie bemühten sich nämlich, die berührten ihnen abgehenden mittelalterlichen Kulturmomente durch Herbeiziehen westeuropäischer Ansiedler, durch nachträgliches Schwängern des Moskowitertums mit den Elementen westeuropäischer Bildung zu ersetzen. Noch denkwürdiger ist aber, dass ihnen schon damals zu dem Behufe Niemand bereitwilliger die Hand bot, als die Deutschen, wie auch der Dank, den sie dafür ernteten. Iwan III. Wassiljewitsch hat sich während seiner dreiundvierzigjährigen Regierung (1482—1505) manche Verdienste um Russland erworben, das größte unstreitig dadurch, dass er, obwohl selbst ganz roh und bildungslos, unter allen Moskowiterfürsten zuerst dem oben belegten großen Mangel abzuhelfen suchte.
*) Wie Hammel-Purgstall a. a. O. S. 409 f. nachgewiesen hat. So sind z. B. die heutige russische Nationaltracht, verschiedene Rechtsbräuche rein mongolischen Ursprungs. —
**) Hammel-Purgstall. S. 404 f. —
*) Strahl, Gesch. d. russ. Staats I., 110.
**) Schmidt-Phiseldek, Versuch einer neuen Einleitung in die russische Gesch. I., 83 (Riga 1773. 2 Bde.)
Aus dem argen Übelstande, dass den Moskowitern lediglich ein solch’ ekelhafter Abklatsch des christlichen Glaubens *) überkam, resultierte der noch weit größere, dass aus Anlass ihrer kirchlichen Absonderung von dem westlich-germanischen Europa auch die wichtigsten Bildungsvehikel desselben ihnen vorenthalten blieben — das Lehnwesen**) (welches bei Völkern, die noch auf den untersten Sprossen der Kulturleiter stehen, das sich leicht Vereinzelnde so trefflich zusammenhält und eine höhere Entwicklung so zweckmäßig vorbereitet), die Bekanntschaft mit dem römischen und kanonischen Rechte. Allerdings könnte man bei flüchtiger Betrachtung sich zu der Meinung versucht fühlen, dass eben hierdurch die Entfaltung der russischen Nationalität selbstständiger geworden, ungestörter geblieben. Wenn man aber genauer zusieht, wird man finden, dass Völker, welche im Mittelalter der erwähnten Bildungsmittel entbehrten, über den Zustand traurigen Vegetierens sich nie zu erheben vermochten.
*) Denn dass die Religion der Russen nie etwas Anderes gewesen, wird man nach den interessanten Aufschlüssen, die Bellermann in seinen lehrreichen Bemerkungen über Russland, in Rücksicht auf Wissenschaft, Kunst, Religion usw. II., 30 f. (Erfurt 1788. 2 Bde.) u. Meiners in s. trefflichen Vergleichung des altern u. neuern Russlands, nach Anleit. ält. u. neuer. Reisebeschreib. II. 330 f. (Leipz. 1798. 2 Bde.) über die Glaubenslehren, Gebräuche usw. der russischen Kirche geben, nicht bezweifeln können.
**) Das von Rurik und dessen Nachfolgern in Russland eingeführte System ist mit diesem sehr mit Unrecht verwechselt worden; es glich ihm nur äußerlich, während es in seinen Grundlagen, im Beginn, in der Entwicklung und in den Folgen, ihm durchaus unähnlich war. Ustrialow, Gesch. Russlands I,, 83 (der deutsch, Übersetz, Stuttg. 1840—43, 2 Bde., wie immer im Folgenden).
Das andere Unglück, welches die Russen in der genannten Zeit betraf, war ihre fast dritthalbhundertjährige Unterjochung (1237—1480)*) durch die Mongolen. Es erscheint gleichsam als die natürliche Folge ihres eben berührten ersten Missgeschickes. Denn das übrige Europa würde die Herrschaft dieser Erfinder des Papiergeldes**) in Russland schwerlich so lange und mit solchem Gleichmut geduldet haben, wenn, wie die Gebieter, nicht auch die Knechte Ungläubige gewesen wären, wenn nicht schon die Päpste Innocenz IV. und Alexander IV. die Überzeugung gewonnen hätten, dass die damals, in ihrer höchsten Roth, von den Russen gezeigte Bereitwilligkeit, den römischen Kirchenglauben anzunehmen, bloß eitel Trug und Spiegelfechterei gewesen, um die Hilfe der abendländischen Christenheit gegen ihre erbarmungslosen Tyrannen zu gewinnen.
*) Diese Zeitbestimmung nach Hammer-Purgstall, Gesch. d. goldenen Horde in Kiptschack, d. i. der Mongolen in Russland S. 106, 407 ff. (Pesth 1840)
**) Wie von Schlözer in seinen histor.-kritisch, Nebenstunden S. l59 f. (Götting. 1797) ermittelt worden. Die Mongolen hatten nämlich schon im dreizehnten Jahrhundert aus gestampften Maulbeerbaumblättern papierartig verfertigte Münzzeichen statt des Metallgeldes.
Die Spuren dieser langen Herrschaft der Mongolen in Russland treten uns noch jetzt wie in seiner Sprache, so auch in vielen Verhältnissen des öffentlichen und häuslichen Lebens grell genug entgegen,*) am prägnantesten zumal in seinem Regierungssysteme, welches noch heutigen Tages ein echt mongolisches Gepräge trägt. Merkwürdig bleibt aber immer, dass die Moskowiter, als sie endlich das Joch ihrer Zwingherren, nicht sowohl durch die Tapferkeit Iwans III. Wassiljewitsch, als vielmehr durch seine Staatsklugheit, welche die inneren Zerwürfnisse jener mit ungemeiner Gewandtheit ausbeutete, **) abgeschüttelt, und ihre frühere Unabhängigkeit zurückerworben hatten sogleich auch, — das Unglück schärft eben den Witz der Nationen wie der Einzelnen — die mittlerweile gewonnene Erkenntnis; dessen offenbarten, was ihnen fehlte. Sie bemühten sich nämlich, die berührten ihnen abgehenden mittelalterlichen Kulturmomente durch Herbeiziehen westeuropäischer Ansiedler, durch nachträgliches Schwängern des Moskowitertums mit den Elementen westeuropäischer Bildung zu ersetzen. Noch denkwürdiger ist aber, dass ihnen schon damals zu dem Behufe Niemand bereitwilliger die Hand bot, als die Deutschen, wie auch der Dank, den sie dafür ernteten. Iwan III. Wassiljewitsch hat sich während seiner dreiundvierzigjährigen Regierung (1482—1505) manche Verdienste um Russland erworben, das größte unstreitig dadurch, dass er, obwohl selbst ganz roh und bildungslos, unter allen Moskowiterfürsten zuerst dem oben belegten großen Mangel abzuhelfen suchte.
*) Wie Hammel-Purgstall a. a. O. S. 409 f. nachgewiesen hat. So sind z. B. die heutige russische Nationaltracht, verschiedene Rechtsbräuche rein mongolischen Ursprungs. —
**) Hammel-Purgstall. S. 404 f. —