Zweite Fortsetzung

Nun, wer konnten sie sein? Juden? Wäre den Juden Alles feil, auch die Seele, woher fänden sich noch Juden? Was man auch von ihrer Überzeugung denken mag, eine große Mehrzahl lässt sie sich seit Jahrtausenden weder durch Verfolgung oder Verachtung abdrücken, noch durch Ehren, Würden und irdische Güter abkaufen. Urteilt darüber wie Ihr wollt; aber gesteht, dass es niedrige Verleumdung, oder strafbare Unbesonnenheit sei, zu behaupten: ihnen sei Alles feil, auch die Seele!

Ähnlichem Gerede hat Menzel eine ähnliche aber weit stärkere Entgegnung des Freiherrn v. Cotta in der Württembergischen Kammer entgegengesetzt und hinzugefügt:


„Dieser schlagende Satz widerlegt all das Gerede von der jüdischen Immoralität, vor der sich die scheinheiligen Christen immer so sehr zu fürchten vorgeben. (Literaturblatt v. 1833. Nr. 120)

„Nichts war ihnen zuwider, nichts, auch der Preis nicht.“

Was will unser, von dem namhaften Schriftsteller vertretener, Anonymus damit sagen? Etwa: sie hätten gern Sitte und Tugend dafür hingegeben? Wir halten Judenlob für nicht minder abgeschmackt als Judentadel, weil wir im Menschen nur den Menschen sehen. Dass sich aber die Juden durch eine verhältnismäßig größere Sittenlosigkeit auszeichnen – das ist ein Vorwurf, der wenigstens den Reiz der Neuheit für sich hat. Aus den zahllosen Schriften gegen die Juden, die es doch sonst mit der Wahrheit ihrer Beschuldigungen so genau nicht nehmen, ist dieser schwerlich, aus der Vergleichung gerichtlicher oder anderer Aktenstücke gewiss nicht gezogen. Doch hören wir weiter:

„Deutsche? Nein, dieses Volk unter Völkern hatte in seiner bespotteten Armut noch den Reichtum der Scham, in seiner Vielheit des Gedankens noch die Einheit des Gewissens, in den Wirren des äußeren, noch das Gefühl des inneren Rechts bewahrt.“ –

Wir unterschreiben von ganzem Herzen dieses Lob des deutschen Volkes. Aber doch ist das Factum unleugbar: allerdings sind es Deutsche, christliche Deutsche, die Schriftsteller, welche unser Anonymus so undeutsch und so unchristlich findet. Und welcher Vernünftige wird zwischen jener Wahrheit und dieser Tatsache auch den geringsten Widerspruch finden? Die Logik, vermöge deren die Sünden. Einiger Allen aufgebürdet werden, ist ja nur gegen die Juden anwendbar.

„Franzosen? Es war zu bald. Sie mussten unsere Sprache, unsere Literatur, unser Jetzt verstehen lernen, um uns in Masse heimzusuchen, und das Vergangene an dem Zukünftigen zu rächen.“

Wohl! Also Franzosen konnten es nicht sein, doch nicht weil es noch „zu bald war“, sondern weil sie keine Deutsche sind. Um aber unsere Sprache, unsere Literatur, unser Jetzt ganz zu verstehen, muss man notwendigerweise ein Deutscher sein. Juden aber konnten es sein (doch – wir werden nicht müde es zu wiederholen, weil man nicht müde wird, der Wahrheit zum Trotze, das Gegenteil tausendmal zu sagen – sie waren es nicht). Juden konnten es sein, denn sie sind Deutsche.

„Nein, es sollten Menschen sein, denen Pflicht und Humanität das Bürgerrecht erworben.“

Pflicht und Humanität also haben ihnen das Bürgerrecht erworben. Das gibt selbst unser Verfasser zu. Aber erlaubt auch die Humanität den Versuch eine ganze Klasse von Mitbürgern zu entehren? Gestattet das Pflichtgefühl, sie der Sünden zu zeihen die Andere begangen haben?

„Denen eine durch die bittersten Schicksale gestählte Ausdauer, ein durch zahlreiche Kämpfe raffinierter Scharfsinn, eine lauernde Gewandtheit, und ein tausendfarbiges Talent. Alles möglich gemacht, nur das nicht, was ihnen eine schwer errungene Emanzipation auferlegt: – sich zu entnationalisieren, das nicht mehr zu sein, was ihre Geschichte, ihre Religion, ihre innerste Natur, ihre Zukunft fordert – Juden.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das junge Deutschland und die Juden.