Parmentiers Nahrungspulver

Der Notstand zwischen den Jahren 1846 — 47 betraf, wie die Teuerung von 1807, vorzugsweise auch das sächsische Erzgebirge. In der damaligen schweren Zeit wurde in dem zu Schneeberg erscheinenden „Anzeiger“ ein Palliativmittel gegen die Hungersnot veröffentlicht, welches wir um des allgemeinen Besten willen hier wiederum folgen lassen:

„Schon einige wilde Völker waren im Besitz eines Nahrungspulvers, dessen sie sich zur Zeit der Hungersnot zu ihrer Erhaltung bedienten. Man weiß auch, dass die Besatzung zu Lille in Flandern, als sie im Spanischen Successionskriege eine langwierige Belagerung aushielt, sich eine geraume Zeit mit diesem Nahrungspulver das Leben fristete. Inzwischen war jenes Brotsurrogat wieder in Vergessenheit gekommen, bis es endlich der französische Chemiker Parmentier wieder entdeckt hat.


Es besteht zwar ursprünglich aus Brot; allein 12 Loth von diesem Pulver gewähren eben die Sättigung wie zwei Pfund Brot. Es haben Menschen, welche von Natur sehr guten Appetit hatten, sich täglich mit 12 Loth solchen Pulvers viele Tage lang ohne die geringste Beschwerung ernährt. Die Bereitung des Pulvers ist folgende:

Man nimmt Brot, welches gut gebacken und mehre Tage alt ist, schneidet es in dünne Scheibchen und dörrt diese in einem Backofen, doch so, dass es nicht verbrennt. Wenn es ganz dürr ist, zerreibt man es zu einem Pulver und setzt dieses pulverisierte Brot wieder in den Backofen; hier wird es, wenn es nur eine Viertelstunde darin gestanden hat, zwei Dritteile seines Gewichts verlieren, Geruch und Farbe dieses Pulvers sind angenehm und sein Geschmack gut.

Herr Parmentier tat einige Loth von diesem Pulver mit etwas Butter und Salz in eine Pfanne und goss zwei Maß Wasser hinzu, welches bei der ersten Aufwallung verschlungen und dadurch ein Brotmus wurde, welches von gutem Geschmack und sehr sättigend war. Von diesem Muse ließ Herr Parmentier einen Soldaten, welcher gewöhnlich viel aß, täglich 12 Loth essen, und er klagte über keinen Hunger. Selbst an sich machte Herr Parmentier diese Probe, und er hielt es mehre Tage ohne die geringste Beschwerde aus, nachdem er seine 12 Loth Nahrungspulver in zwei Teile geteilt, sie auf oben beschriebene Art in Mus verwandelt und Morgens wie Abends regelmäßig von 12 zu 12 Stunden gegessen hatte.

Von welchem Nutzen für die Armut könnte diese Entdeckung sein, wenn sie nicht das Schicksal der meisten, oft der Menschheit zum wahren Besten gereichenden Erfindungen hätte: man achtet nicht darauf und lässt den lieben Schlendrian walten!

Nach Herrn Parmentiers Versicherung würde sich dieses Brotpulver ein Jahrzehnt hindurch gut erhalten, wenn es nur in guten Tonnen an luftigen, trockenen Orten aufbewahrt und gegen solche Tiere, die es verderben könnten, gesichert würde.“