Uebersicht der mecklenburgischen Geschichte.

Nach der Meinung der meisten Geschichtsforscher waren die Ostseeküsten Deutschlands schon in uralter Zeit von germanischen Völkern bewohnt, welche zur Zeit der Völkerwanderung dem allgemeinen Zuge nach Süden und Westen folgten, und slavischen Volksstämmen, die man mit dem germanischen Namen, Wenden (Venedi) bezeichnete, die verlassenen Wohnsitze überließen. — Im jetzigen Mecklenburg finden wir am Ende des achten Jahrhunderts die mächtigen slavischen Volksstämme der Obotriten und Wilzen, welche in verjährter gegenseitiger Feindschaft lebten. Die Fürsten oder Könige der Obotriten waren wiederholt mit Carl dem Großen verbündet, und bekriegten in Gemeinschaft mit den Franken die benachbarten Sachsen. Späterhin stellten die deutschen Kaiser das Land der Obotriten unter Hoheit der Herzoge von Sachsen. Dem Freiheitssinne der Wenden war aber dieses Verhältniß unerträglich, und gab Veranlassung zu immerwährenden Kämpfen. — Mehrfache Versuche, das Christenthum einzuführen, hatten keinen dauernden Erfolg, bis endlich unter Anführung Heinrich’s des Löwens, Herzogs von Sachsen, ein förmlicher Kreuzzug gegen die Wenden angeordnet wurde. In den Kriegen, welche Heinrich der Löwe mit verschiedenen Unterbrechungen beinahe zwanzig Jahre hindurch gegen die Obotriten führte, fiel auch endlich der tapfere Fürst der Obotriten, Niclot, der Ahnherr der noch jetzt regierenden Großherzoglichen mecklenburgischen Häuser. — In diesem blutigen Kampfe wurde der größte Theil der wendischen Bevölkerung ausgerottet,1) und demnächst das verheerte Land von sächsischen und flamländischen Colonisten, die sich bei der Fruchtbarkeit des Bodens zahlreich genug einfanden, wieder bevölkert. — Herzog Heinrich der Löwe versöhnte sich jedoch zuletzt mit Pribislav, dem Sohne Niclots, gab ihm die väterlichen Besitzungen großtentheils zurück, und vermählte seine Tochter Mechtild mit Heinrich Borwin, dem Sohne Pribislav’s. Einen Theil des Landes erhielt jedoch der zum Grafen von Schwerin ernannte Ritter Gunzel von Hagen, und blieben auch einzelne Districte im Besitze der Grafen von Danneberg und Ratzeburg. Ebenso wurden auch die Bisthümer Schwerin und Ratzeburg mit ansehnlichen Besitzungen dotirt. Pribislav nahm das Christenthum an und erhielt im Jahr 1170 die Reichsfürstenwürde.

Unter den nächsten Nachfolgern Pribislav’s, welche beinahe ein Jahrhundert unter dänischer Lehns-Hoheit standen, und erst durch den Sieg bei Bornhoeft (1227) ihre Reichsunmittelbarkeit wieder gewannen, kam das Land wieder in Blüthe. Viele Ortschaften wurden zu Städten erhoben, und in verschiedenen Gegenden des Landes Klöster angelegt und mit schönen Besitzungen dotirt.


In den fürstlichen Häusern fanden hieraus mehrfache Teilungen statt. Die wichtigsten Linien waren die der Fürsten und Herren zu Werle oder Wenden, und die der Fürsten und Herzoge von Mecklenburg.2) Heinrich I., genannt der Pilger, Fürst von Mecklenburg, gerieth auf einer Wallfahrt nach Jerusalem in die Gefangenschaft des Sultans von Aegypten (1272), und kehrte erst nach Verlauf von 24 Jahren in sein Vaterland zurück. — Im Jahr 1301 erwarb sein Sohn, Heinrich II., genannt der Löwe, die Herrschaft Stargard als Heirathsgut seiner Gemahlin, einer brandenburgischen Prinzessin. Heinrichs Sohn, Albrecht I., erwarb seinem Hause die Grafschaft Schwerin und die Herrschaft Dömitz, und wurde vom Kaiser Karl IV. zum Herzoge von Mecklenburg erhoben. Der Sohn Albrechts I., Albrecht II., trug über zwanzig Jahre die schwedische Königs-Krone. — Im Jahre 1436 erlosch die werlesche Linie und fiel das Fürstenthum Wenden an die mecklenburgische Linie.

Gegen die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts wurde unter der gemeinschaftlichen Regierung der Herzoge Johann Albrecht und Ulrich die Reformation eingeführt und die lutherische Lehre im ganzen Lande verbreitet. Alle Klöster und geistlichen Stiftungen wurden in der Reformation säcularisirt und fast sämmtlich den Domainen einverleibt. Im Assecurations- Reverse der Herzoge Johann Albrecht und Ulrich von 1572, den sogenannten Sternberger Reversalen, wurden jedoch die drei Klöster Dobbertin, Ribnitz und Malchow den Landständen „zur christlichen ehrbaren Auferziehung inländischer Jungfrauen“ überwiesen.3) Eine gleiche Bestimmung erhielt das Kloster zum heiligen Kreuz in Rostock. Ein Theil der eingezogenen geistlichen Fonds wurde jedoch zum Besten der Universität Rostock und zur Gründung einiger gelehrten Schulen verwendet. — Die Enkel Johann Albrechts, Friederich I. und Johann Albrecht II., theilten das Land, und stifteten die Linien Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow.

Im dreißigjährigen Kriege (1618 — 1648) wurden die mecklenburgischen Herzoge aus ihren Ländern verdrängt, und der kaiserliche Feldmarschall Albrecht von Wallenstein mit Mecklenburg belehnt. Letzterer wurde jedoch nach wenigen Jahren durch König Gustav von Schweden aus dem usurpirten Besitze vertrieben, und die rechtmäßigen Fürsten nahmen ihre Throne wieder ein. Im westphälischen Frieden mußte Herzog Adolph Friederich von Mecklenburg-Schwerin die Stadt Wismar mit den Aemtern Poel und Neukloster an Schweden abtreten, wogegen ihm jedoch die Bisthümer Schwerin und Ratzeburg, als weltliche Fürstenthümer, und auch die Johanniter-Commenden Mirow und Nemerow überwiesen wurden.

Während des dreißigjährigen Krieges war Mecklenburg, wie alle deutschen Staaten, aus eine furchtbare Weise verheert, und besonders das flache Land in hohem Grade verwüstet, so daß eine Menge Dorfschaften gänzlich eingingen, und eine noch größere Menge Bauerhöfe von ihren Inhabern verlassen wurden.4) — Die hiedurch veranlaßten Veränderungen der Verhältnisse auf dem Lande führten auch veränderte rechtliche Verhältnisse eines Theils des Landvolks herbei. Während in früherer Zeit viele Bauern Erbpächter gewesen waren und die meisten übrigen ihre Husen gegen Entrichtung gewisser Geldpächte, und Leistung einiger Dienste, wenn auch nicht mit einem wirklichen Colonat-Rechte, doch wahrscheinlich als erbliche Lehen besaßen5), findet man am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts fast in allen Theilen des Landes nur noch Frohnbauern, welche nach völliger Willkühr ein- und abgesetzt wurden. In den ritterschaftlichen Gütern wurden überdies von der Mitte des siebenzehnten bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die mehrsten Bauerstellen gelegt, und die Baueräcker zu den Hoffeldern genommen. Dieselbe Operation vollführte man auch theilweise, jedoch nur selten, in den Domainen,6) nachdem hier am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts, statt der früher gebräuchlichen Administration, die Hingabe der Höfe oder Vorwerke aus Zeitpacht eingeführt worden. Viele Erwerbszweige, welche im sechszehnten Jahrhundert in Mecklenburg blühten, z. B. die Bierbrauerei, der Hopfenbau,7) die Schafzucht, die Fabrikation grober Wollenzeuge u. s. w., und ebenso auch Handel und Schifffahrt, waren im Laufe des siebenzehnten Jahrhunderts gänzlich in Verfall gerathen.8) Am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts starb die Linie voll Mecklenburg-Güstrow aus, und erlosch auch die Haupt-Linie von Mecklenburg-Schwerin. Die Differenzen über die Nachfolge zwischen beiden Nebenlinien zu Grabow und Strelitz wurden durch den Hausvertrag von 1701 beigelegt. Herzog Friedrich Wilhelm von Grabow erhielt Mecklenburg-Schwerin, Herzog Adolph Friedrich, Stifter der jetzigen Strelitzschen Linie, erhielt den Stargardischen Kreis von Mecklenburg-Güstrow und das Fürstenthum Ratzeburg. In beiden Häusern wurde nunmehr die Linial-Succession mit Primogenitur eingeführt.

In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts litt Mecklenburg, das sich von den Wunden des dreißigjährigen Krieges, noch nicht erholt hatte, durch die nordischen Kriege, und unter der Regierung Carl Leopold’s von Mecklenburg-Schwerin veranla?ten die Differenzen zwischen Fürsten und Ständen, nachdem letztere den Beistand des deutschen Reichs in Anspruch genommen hatten, einen förmlichen inneren Krieg. — Die hiedurch herbeigeführte Zerrüttung der Finanzen hatte die Verpfändung mehrerer Domanial-Aemter an Hannover und Preußen zur Folge.

Im Jahr 1755 wurden endlich unter der Regierung Herzogs Christian Ludewig II. alle Streitigkeiten zwischen Fürsten und Ständen durch den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich beigelegt. — Der Nachfolger Christian Ludewigs, Herzog Friederich der Gütige, löste die meisten verpfändeten Aemter wieder ein und suchte aus alle Weise den Flor des Landes zu heben. Im Lause des achtzehnten Jahrhunderts wurde in den mecklenburgischen Landgütern, statt der bisher gebräuchlichen Dreifelderwirthschaft, die holsteinsche Koppel- oder Schlagwirthschaft nach und nach mit verschiedenen Modificationen eingeführt, und dadurch Ackerbau und Viehzucht, trotz der häufigen Viehseuchen, aus einen bedeutenden Grad der Cultur gebracht.9) — Die mehrfachen Versuche, Manufacturen und Fabriken in Flor zu bringen, blieben ohne sonderlichen Erfolg. 10)

Im Jahre 1785 übernahm der noch jetzt regierende allverehrte Landesherr, Großherzog (damals Herzog) Friederich Franz, die Regierung von Mecklenburg-Schwerin. Derselbe schritt sofort zur Einlösung einiger noch an Preußen verpfändeten Aemter, beseitigte gleich in den ersten Jahren seiner Regierung die vielfachen Differenzen mit der Stadt Rostock durch den Rostocker Erbvergleich (von 1788)11) und vereinigte im Jahre 1803 die Herrschaft Wismar wieder mit Mecklenburg. — Zur Zeit der Usurpationen Napoleon’s wurde auch in Mecklenburg der angestammte Landesfürst vom Throne verdrängt, gelangte aber nach kurzer Zeit wieder zum vollen Besitze seines Landes. — Mecklenburg gehörte hieraus zum Rheinbunde, dem jedoch gleich im Beginn des Freiheitskampfes gegen Frankreich (1813), an welchem auch Mecklenburg wesentlich Theil nahm, Herzog Friederich Franz zuerst von allen deutschen Fürsten entsagte. — Im Jahr 1815 nahmen hierauf die mecklenburgischen Herzoge die großherzogliche Würde M und wurden Mitglieder des deutschen Bundes.

Die nach und nach in Mecklenburg-Schwerin erwachsenen Kammerschulden — vier Millionen Thaler — wurden im Jahre 1809 von den Landständen als Landesschulden anerkannt, und wegen successiver Abtragung derselben durch die Aufkünfte einiger Domanial-Aemter und durch außerordentliche, von allen Landeseinwohnern zu erhebende Steuern die behufigen Anordnungen getroffen.

Großherzog Friederich Franz rief während seiner langen Regierung, unter fortwährender Ausrechthaltung der Verfassung, eine Menge der wichtigsten Institutionen zum Heil des Landes ins Leben. Das Landschulmeister-Seminarium für die Domainen, welches schon unter der Regierung des Herzogs Friederich gestiftet worden, wurde aus das zweckmäßigste organisirt, und überhaupt dem Schulwesen auf dem Lande die thätigste Vorsorge gewidmet. Die Justizpflege wurde in vielfacher Rücksicht verbessert, und als höchste Instanz wurde ein Ober-Appellationsgericht errichtet. Gleichzeitig ward auch eine Compromiß-Instanz für etwanige Differenzen zwischen Fürsten und Ständen instituirt. Die Creditverhältnisse wurden durch die Hypothekenordnung für die ritterschaftlichen Güter, durch die Bestätigung des ritterschaftlichen Creditvereins und durch eine neue Stadtpfandbuchordnung auf das angemessenste regulirt. Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben, und die bäuerlichen Verhältnisse, besonders in den Domainen, erlitten eine wesentliche Verbesserung. Die Verwaltung der Domainen wurde in aller Beziehung vervollkommnet, und der Ertrag derselben fast auf das Doppelte erhöhet. Zur Unterbringung heimathsloser Individuen, so wie zur Aufbewahrung der Landstreicher, und zur Correction muthwilliger Bettler und Müßiggänger, entstand ein Landarbeitshaus zu Güstrow, und zur Heilung von Geisteskranken die ausgezeichnete Irrenanstalt zu Sachsenberg bei Schwerin. Die Residenzen Schwerin und Ludwigslust, und besonders das im Jahr 1793 errichtete glänzende Seebad Doberan, wurden unausgesetzt durch Bauten und Anlagen verschönert.

Am Ende des vorigen Jahrhunderts entstand die mecklenburgische landwirthschaftliche Gesellschaft, welche im Jahre 1817 als patriotischer Verein sich neu organisirte und ihren Wirkungskreis erweiterte. Unter Leitung des patriotischen Vereins entstanden auch die Pferderennen zu Doberan, Güstrow und Neubrandenburg, und die Thierschau zu Güstrow. — Der Ertrag der Ländereien wurde durch das im Lause des gegenwärtigen Jahrhunderts allgemein gebräuchlich gewordene Mergeln — Auffahren von Mergelerde — so wie auch durch die Anwendung des Gipses12) bedeutend erhöhet. — Nachdem in den letzten Decennien die Zucht der veredelten Schafe sich ungemein vermehrt, und die in Mecklenburg producirte Wolle den besten Producten der sächsischen und schlesischen Schafzucht gleich gestellt werden durfte, wurden mehrere Wollmärkte im Lande angeordnet und eine Stammschäferei für die Domainen errichtet. Ebenso wurde die Pferdezucht, wo, durch Mecklenburg von jeher berühmt gewesen, auch in neuerer Zeit, besonders durch die immer mehr verbreitete Einführung der englischen Vollblut-Race, und durch die Erweiterung des großherzoglichen Haupt- und Landgestüts zu Redefin und Pätow, noch mehr in Flor gebracht.




l. In neuerer Zelt haben mehrere vaterländische Geschichtschreiber, denen sich auch von Lützow in seiner schätzenswerthen pragmatischen Geschichte von Mecklenburg angeschlossen hat, behauptet, daß Mecklenburg in den verheerenden sächsischen Kriegen zwar einen großen Theil seiner Bevölkerung eingebüßt, daß aber gleichwohl nach Beendigung der Kriege noch eine sehr große Zahl wendischer Einwohner übrig geblieben, diese auch noch den wesentlichsten Theil der Bevölkerung ausgemacht habe, und nur mit einigen deutschen Colonisten vermischt worden, wodurch nach und nach die Germanisirung der Wenden veranlaßt. — Daß sich manches anführen läßt, wodurch diese Meinung einige Bestätigung zu finden scheint, ist zwar nicht ganz zu leugnen. Nach meiner Ueberzeugung ist aber dennoch die ältere Ansicht die richtigere, nämlich die: daß nach den langen sächsischen Kriegen das Land im höchsten Grade entvölkert gewesen, und nur ein geringer Theil der wendischen Einwohner übrig geblieben, neben welchen sich deutsche und flamländische Colonisten angesiedelt, die aus alle Weise begünstiget wurden und sich äußerst schnell vermehrten, (etwa in der Weise, wie wir es in neuerer Zeit bei den Ansiedelungen in Nordamerika gesehen haben), und daher sehr bald mit den hinzukommenden späteren Einwanderern den bei weitem größten Theil der Bevölkerung ausmachten, neben welchen die zurückgesetzten und bedrückten (leibeigenen) Wenden binnen kurzem ihre Nationalität verloren, welche die vornehmen Geschlechter, die sich gleich anfangs durch Heirathen mit dem sächsischen Adel vermischten, ebenfalls sehr bald aufgaben. Daß bei einem mit fanatischer Wuth gegen hartnäckige Heiden geführten zwanzigjährigen Verheerungs-Kriege ein kleines Land fast gänzlich entvölkert werden mußte, ist an sich wohl sehr begreiflich. Man denke nur an die bedeutende Entvölkerung des großen deutschen Reichs durch den dreißigjährigen Krieg, welchen ein halbes Jahrtausend später Christen gegen Christen führten. Für die ausgesprochene Meinung lassen sich übrigens auch noch nachstehende Gründe anführen:

a) In allen wendisch gewesenen deutschen Ländern ist die wendische Sprache entweder sehr langsam entschwunden, wie z. B. im eigentlichen Preußen, oder hat sich noch bis aus den heutigen Tag erhalten, wie z. B. in der Lausitz. In Mecklenburg verlieren sich aber die wesentlichen Spuren der wendischen Sprache schon im dreizehnten Jahrhundert, obgleich das herrschende Fürstenhaus wendischer Abkunft war, — so wie auch viele adliche Geschlechter — und ein sehr geringer Verkehr mit den übrigen deutschen Staaten statt fand. — Es ist überhaupt eine historische Thatsache, daß überall, wo zwei verschiedene Volksstämme verschmolzen wurden, wenn der eine Volksstamm nicht sehr unbedeutend war, entweder eine neue Sprache entstand — wie in England, in allen sogenannten romanischen Ländern und in den von slavischen Völkern überschwemmter“ östlichen römischen Provinzen (Bulgarien, Serbien u. s. w.) — oder die Sprache des einen Stammes doch nur sehr langsam entschwand. Auffallende Erscheinungen sind freilich die schnelle Verbreitung der englischen Sprache in Schottland und Irland (wenn auch mit abweichendem Dialect), und die Annahme der europäischen Sprache von Seiten derjenigen slavischen Volksstämme, welche sich in einigen Theilen von Griechenland, unter Verdrängung des größten Theils der Ureinwohner, ansiedelten (worüber jedoch noch einige Dunkelheiten obwalten). Zur Erklärung dieser Erscheinungen lassen sich jedoch bei näherer Betrachtung ausreichende Gründe auffinden. (Es sind überdies die Schotten und Irländer, ihrer ganzen Individualität nach, noch bis zu dieser Stunde Schotten und Irländer geblieben, trotz der Verbreitung der englischen Sprache.)

Daß eine Sprache, welche von dem größten Theil der Bevölkerung gesprochen wird, nicht so leicht mit einer andern vertauscht wird, dafür läßt sich auch noch ein nahe liegendes Beispiel anführen. In Mecklenburg wird schon seit Jahrhunderten dem Landvolke der Religionsunterricht in hochdeutscher Sprache ertheilt, dasselbe hört nur die hochdeutsche Sprache in der Kirche und im Gericht, gleichwohl spricht der Bauer noch kein Wort hochdeutsch, und selbst der geringe Mann in den Städten, der noch weit mehr gezwungen ist, sich mit der hochdeutschen Sprache bekannt zu machen, bleibt ebenfalls bei der plattdeutschen Sprache.

b) Es finden sich überall im Lande Ortsnamen mit dem Beisatz: wendisch, z. B. Wendisch-Mulsow neben Kirch-Mulsow, Wendisch-Weningen neben Junker-Weningen u. s. w., und soll früher dieser Beisatz noch bei mehreren Ortschaften gebräuchlich gewesen sein. Auch trifft man sehr häufig die Ortsnamen Wendorf, Wendhof, und auf vielen Stadtfeldmarken giebt es sogenannte Wendfelder. Es wird hiedurch wahrscheinlich, daß die wendische Bevölkerung aus einzelne Orte beschränkt worden, während im allgemeinen die Ortschaften mit Deutschen bevölkert waren.

c) Es ist sehr wahrscheinlich, daß viele adliche Familien, welche wendische Namen haben, dennoch von sächsischer Abkunft sind, weil die sächsischen Ritter sich wohl häufig nach den ihnen überwiesenen Gütern nannten, als feststehende Familiennamen gebräuchlich wurden, was zur Zeit der sächsischen Occupationen noch keineswegs allgemein der Fall war. Die Zahl der adlichen Geschlechter von wendischer Abkunft ist also wohl viel geringer, als man gewöhnlich glaubt. (Der wendische Adel stand übrigens sehr in Ansehen, und in vielen Urkunden aus dem 13ten Jahrhundert sind unter den adlichen Zeugen die Wenden vor den Deutschen gestellt, obgleich die gemeinen Wenden so sehr verachtet waren, daß kein Individuum von slavischer Abkunft in die städtischen Gewerke aufgenommen wurde.)

d) Man findet zwischen dem mecklenburgischen Landvolke und dem Landvolk in Ländern mit sächsischer Bevölkerung — z. B. in Westphalen — eine auffallende Aehnlichkeit in Character, Sitten, Sprache, Bauart der Wohnungen u. s. w., und in einigen Gegenden Mecklenburgs zeigt sich beim Landvolke eine große Uebereinstimmung rücksichtlich seines Aeußeren (Gesichtsbildung, Kleidertracht) mit dem Landvolke in solchen Gegenden Deutschlands, welche notorisch mit flamländischen Colonisten bevölkert sind.

e) Man vermißt bei dem mecklenburgischen Landvolke durchaus das cholerisch-sanguinische Temperament, welches den Völkern slavischer Abkunft eigenthümlich ist, so wie auch die leidenschaftliche Vorliebe für Gesang und Musik. Es sind überhaupt keine wesentlichen Verschiedenheiten zwischen den jetzigen Mecklenburgern und den übrigen Norddeutschen auszufinden, so daß man hieraus Veranlassung nehmen könnte, die mecklenburgischen Landleute für Nichtdeutsche (für deutschsprechende Slaven) auszugeben.

f) Das eigentliche persönliche Leibeigenschaftverhältniß hat in Mecklenburg von jeher mit der Leibeigenschaft in slavischen Ländern wenig Aehnlichkeit gehabt, und ist selbst in rechtlicher Beziehung noch weniger strenge gewesen, als in einigen andern deutschen Ländern, z. B. in einzelnen Theilen von Westphalen. Daß aber das mecklenburgische Landvolk nach und nach factisch in eine sehr große Abhängigkeit und in ein sehr beschränktes Verhältniß gerieth, und insbesondere der eigentliche Bauernstand in Beziehung auf seine dinglichen Verhältnisse noch weit abhängiger wurde, als in den mehrsten deutschen Ländern, läßt sich aus zureichenden Gründen erklären, z. B. aus dem Umstande, daß der mecklenburgische Adel an den Kreuzzügen und an den späteren Kriegszügen der römisch-deutschen Kaiser nur selten Antheil nahm, und daß derselbe überhaupt von Hause aus eine Stellung erhielt, die in allen Beziehungen freier, unabhängiger und einflußreicher war, als die des niedern Adels in den übrigen deutschen Staaten. (Eine nähere Begründung und Nachweisung dieser zuletzt beregten Ansicht und eine Widerlegung der entgegenstehenden würde hier zu weit führen.)


2. Mecklenburg ist der deutsche Name einer schon im zwölften Jahrhundert größtentheils zerstörten großen obotritischen Stadt, ungefähr an der Stelle des jetzigen Dorfs Mecklenburg belegen. (Mekel war im Altsächsischen gleichbedeutend mit „groß“, im Gegensatz zu „lütt“, klein.) — Der frühere wendische Name der Stadt war Rereg. Unter der Regierung Pribislavs war Mecklenburg nur noch eine Burg, die auch nur hin und wieder den Fürsten zur Residenz diente. Es ist daher auffallend, daß sich letztere nach derselben nannten, und endlich das ganze Land den Namen Mecklenburg erhielt.


3. In Folge uralten Herkommens und späterer Vergleiche zwischen der Ritterschaft und den Städten werden die Stellen in den Klöstern größtentheils an Töchter des sogenannten eingebornen Adels, welcher diejenigen Familien begreift, die 1572 im Lande ansässig waren, oder denen späterhin von diesen durch Reception das Indigenat zugestanden, überwiesen. Einige Stellen werden jedoch in allen drei Klöstern von den Städten besetzt.


4. Nach einigen Traditionen verfuhr man in Mecklenburg nach dem dreißigjährigen Kriege in ähnlicher Weise, als man jetzt in den Urwäldern Amerikas verfährt; man brannte die Waldungen nieder, um den Acker wieder urbar zu machen. Wölfe waren um jene Zeit dem Landmann eine eben so große Plage als das Schwarzwild.


5. Daß in früheren Jahrhunderten viele Bauern ein eingeschränktes Eigenthum unter verschiedenen Modificationen an ihren Hufen gehabt haben, läßt sich nicht bezweifeln. Es gab z. B. viele sogenannte Freischutzen, und in den geistlichen Stiftern auch wohl wirkliche Erbpächter. Der größte Theil der Bauern hatte jedoch wohl niemals an seinen Gehöften ein Eigenthums- oder Erbpachtrecht, auch wohl nicht einmal ein eigentliches Colonatrecht, sondern höchstens nur ein erbliches Baurecht (das Recht der Erbleihe). Gewiß ist aber wenigstens, daß eine Einziehung der Bauerhufen — das Legen der Bauern, nicht zu verwechseln mit der Abmeierung einzelner Individuen — bis zur Mitte des sechszehnten Jahrhunderts nur in sehr seltenen Fällen, z. B. wenn Dorfschaften an Städte verkauft und die Hufen zu den Stadtfeldmarken gezogen wurden (ob mit oder ohne Abfindung der Bauern? steht wohl nicht zu ermitteln), vorkam. Die Bauern zahlten Martini gewisse stehende Geldpächte, lieferten einige Naturalien, entrichteten die Landbeeden sowohl den Fürsten als den Grundherren, und leisteten die sogenannten Burgdienste. Letztere bestanden in Arbeiten bei Erbauung der Städte, Schlösser und Brücken , und wurden ursprünglich vielleicht von allen Bauern, ohne Unterschied, aus wessen Grund und Boden sie wohnten, den Fürsten geleistet ; — noch im sechszehnten Jahrhundert kommt häufig der Fall vor, daß die Burgdienste dem Landesfürsten und die Pächte dem Gutsherrn geleistet wurden. — Ebenso hatten in ältester Zeit auch alle Bauern die Verpflichtung, dem Landesfürsten das sogenannte Hundekorn zu liefern. Diese Abgabe wurde aber schon vom Fürsten Heinrich II. von Mecklenburg im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts für immer ausgehoben. Im Fürstenthum Wenden bestand diese Abgabe noch am Ende des vierzehnten Jahrhunderts.

Daß übrigens schon vor dem dreißigjährigen Kriege, und schon um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, mit den Bauern nach und nach immer willkührlicher verfahren wurde, leidet keinen Zweifel. Einige betreffende Nachmessungen geben die Landtagsverhandlungen aus dem sechszehnten Jahrhundert. — „Es läßt sich indessen nicht behaupten, daß die Bauern zur Zeit der Frohndienste in einer eigentlich drückenden, armseligen Lage sich befanden. So wenig sie auch in Cultur und Industrie fortschritten, so lebten sie doch nicht selten in einem gewissen rohen Ueberfluß; dies bestätigen die wiederholten Verbote der bei Hochzeiten u. s. w. vorkommenden Schlemmereien, welche man in den alten Polizei-Ordnungen und andern Landesgesetzen findet.


6. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß grade um dieselbe Zeit, als man in vielen Ländern, z. B. Sachsen, Ansbach und Baireuth, Hessen-Darmstadt, Böhmen, Schleswig-Holstein, Dänemark und in einigen Theilen der preußischen Monarchie, die Domanial-Vorwerke und auch zum Theil die großen Privat-Besitzungen zergliederte und an Erdpächter vertheilte, in Mecklenburg ein entgegengesetztes Verfahren beobachtet wurde, indem man die Bauerhöfe eingehen ließ und die Hufen zu den Vorwerken legte. — Höchst merkwürdig ist die Procedur, welch in dieser Angelegenheit in der preußischen Monarchie statt fand. Unter der Regierung Friederichs I. wurden gleich im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts alle königl. Vorwerke, mit Ausnahme der Domainen in den westphälischen Provinzen, zergliedert und ohne Respectirung der bestehenden Zeitpacht-Contracte in Erbpacht gegeben. Die ganze Operation war aber übereilt vorgenommen und unzweckmäßig ausgeführt, weshalb eine große Unordnung in dem Finanzwesen entstand. Es erfolgte daher schon nach wenigen Jahren ein königlicher Befehl: die Domainenstücke zusammen zu ziehen, die Vorwerke wieder herzustellen und die Zeitpacht wieder einzuführen. — Die Erbpächter mußten demnach ihre Grundstücke, gegen Zurückzahlung der Erbstandsgelder, wieder abliefern. — Dem Mecklenburger, der in seinem Vaterlande den geringsten Eingriff in privatrechtliche Verhältnisse und die geringste Verletzung derselben durch die Staatsgewalt als etwas Unerhörtes anzusehen gewohnt ist, erscheint das eben beschriebene Verfahren fast fabelhaft. — Unter der Regierung Friederich des Großen wurden aber wiederum in verschiedenen Theilen der preußischen Monarchie über 400 Domanial-Vorwerke zergliedert und an Erbpächter vertheilt. Diese Operation ist auch in neuester Zeit im preußischen Staate fortgesetzt worden. Im Anfange des vorigen Jahrhunderts, traf jedoch auch in Mecklenburg Herzog Carl Leopold einige Einleitungen, einen Theil der Domanial-Pachtungen zu verkleinern und an Erbpächter hinzugeben, zugleich aber auch die parcelirten Pachtstücke mit mehreren Neben-Pächtern, Freileuten und Einwohnern besetzen zu lassen , um — wie es in der betreffenden Verordnung heißt — „die getreuen Unterthanen von der bisherigen, beschwerlichen Dienstpflicht und Leibeigenschaft zu befreien“. Das Project kam aber nicht zur Ausführung wegen der eintretenden inneren Unruhen, und wurde grade um dieselbe Zeit die Einziehung der ritterschaftlichen Bauern, die bis dahin nur hin und wieder vorgekommen war, so sehr allgemein.


7. Bier war ein sehr bedeutender Ausfuhr-Artikel, und ging besonders nach Schweden und Dänemark. Der Hopfenbau war einer der bedeutendsten ländlichen Erwerbszweige. Es wurde auch Hopfen exportirt, jedoch die Ausfuhr desselben mitunter verboten. Dergleichen Exportationsverbote waren überhaupt im sechszehnten Jahrhundert nicht selten, und beweisen, wie bedeutend die innere Consumtion gewesen. Zur Zeit wird Bier, und zwar selbst aus Schweden, eingeführt, und der Hopfenbau ist jetzt bei weitem nicht ausreichend für den eben nicht großen inneren Bedarf.


8. Es ist bekannt, daß bereits im sechszehnten Jahrhundert ein Theil der Elde mit sehr großem Kostenaufwande schiffbar gemacht und die Verbindung des schwerinschen See’s mit der Elbe hergestellt wurde, und daß man auch gleichzeitig, zur Verbindung der Elbe mit der Ostsee, einen Canal von Hohen-Viecheln nach Wismar angelegt hatte, welche“ jedoch wahrscheinlich unvollendet geblieben. Während des dreißigjährigen Krieges gingen alle diese kostbaren Anlagen völlig zu Grunde.


9. Die holstelnsche Koppelwirtschaft wurde zuerst durch den Oberland-Drost v. d. Luhe aus Panschow in Mecklenburg wirklich und dauernd in Ausübung gebracht (1720 — 1740). Jedoch wurden schon früher (1680) auf Anordnung des Kammerpräsidenten Sala in den Domainen hin und wieder Versuche zur Einführung der Koppelwirthschaft angestellt, z. B. im Amte Dargun. Man kehrte aber damals bald wieder zur Dreifelderwirthschaft zurück. In den Bauerdörfern verschwand die Dreifelderwirthschaft größtentheils erst im laufenden Jahrhundert.


10. Eine große Tuchfabrik, welche im Jahn 1762 in Doberan angelegt ward, ging nach wenigen Jahren wieder ein. Gleiches Schicksal hatten eine in Dömitz angelegte Eisenfabrik, so wie auch ein Kesselhammer in Neustadt, eine Salpetersiderei in Schwerin und ähnliche Anlagen.


11. Im Jahre 1827 sind die rostockschen Verhältnisse auf’s neue durch einen Vertrag regulirt.


12. Vor wenigen Jahren wurde beim Domanial-Flecken Lübtheen ein Gipswerk angelegt. Es wird indessen auch viel Gips vom Auslande für das Bedürfniß des Lanbbaues eingeführt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Landvolk im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin