Zwölftes Kapitel. - Der Doctor hatte bisweilen vorgesprochen, aber nur auf Viertelstunden. ...

Der Doctor hatte bisweilen vorgesprochen, aber nur auf Viertelstunden. Als er einst kam, klagte Erich, daß in Roland Unwilligkeit und Verdrossenheit sich zeige; er sei nicht geradezu widerspenstig, thue aber Alles nur äußerlich; es wäre schwer, ihn dahin zu bringen, daß er einen Tag freudig begrüße, der nichts Neues bringt, sondern nur die Wiederholung des Gestern.

»Mein lieber junger Freund,« tröstete der Doctor, »ich pflege das die Maienkälte zu nennen. In jedem Verhältniß, wo die frühere Selbständigkeit aufgegeben wird, bei einer Berufsänderung, beim Eheschluß, tritt trotz allem Glück nach Wochen der Blüthe plötzlich die Maienkälte ein, wie draußen in der Natur. Man sagt, daß diese von den Alpen, vom Schmelzen der Eisberge herkäme; vielleicht schmelzen im Innern egoistische Eisberge, jedenfalls ist es wie nochmaliger Kampf des Winters mit dem Sommer, Kampf der Einsamkeit mit der Gemeinsamkeit. Seien Sie unverzagt! Lassen Sie bei dem Jungen die Tage der kalten Heiligen vorüber sein und es wird wieder Alles gut.«


Der Doctor kam nun öfter; er schlug Erich vor, der Einladung Weidmanns folgend, mit Roland einen längeren Besuch auf Mattenheim zu machen; die Anschauung eines nach vielen Seiten hin erwerbsthätigen Lebens werde Lehrer und Schüler erfrischen. Erich entgegnete, daß er sich nicht für berechtigt halte, das ihm anvertraute Haus auf mehrere Tage zu verlassen.

Erich und Roland begleiteten nun den Arzt zuweilen auf seinen Wegen und drangen dadurch gemeinsam in das Leben der Rheinlande ein. Der Doctor machte diese Einführung in das heimische Sein nicht ohne Absicht; er hielt es für einen ausreichenden Lebenszweck, wenn ein Mensch bestmöglichen Wein erziele. Das könne und solle Roland. Der Welt guten Wein bereiten, sei nicht minder, als ihr schöne Kunstwerke schaffen. Und wenn man Roland Anhänglichkeit an die Rheinlande einpflanze, so könnte daraus noch viel Edles erfolgen, zumal wenn man ihn mit dem Weidmannschen Hause in Verbindung bringe.

Der Doctor war der beste Wegweiser; er kannte jedes Haus und seine Einwohner bis ins Innerste und sprach von allen Menschen mit gerechter Abwägung, er hob die Schatten, wie die Lichtseiten gleichmäßig hervor. Von Haus zu Haus gab es belebende Einblicke und von Keller zu Keller erfrischende Labe.

»Man spricht immer vom Verfall unsres Volksstammes,« lehrte der Doctor, »es scheint eine lange Krankheit, jedenfalls keine gefährliche. Die Leute schlagen sich durch und trinken sich durch. So ist es gewesen und wird immer sein. Brennt die Sonne heiß, hat man ein Recht, zu trinken; ist das Wetter unheimlich und naß, muß man sich durch einen guten Trunk frisch erhalten.«

Sie kehrten bei einem Manne ein, an dessen Hause die Statue der heiligen Mutter mit einer Laterne in der Hand angebracht war.

»Hier oben,« sagte der Doctor, »wird noch in der That reiner Wein eingeschenkt, der Mann liefert an die Kirchen den Abendmahlwein, der ganz unverfälscht sein muß. Der Vater dieses Mannes ist ein berühmter Sticker von Kirchengewändern, sein Bruder ein angesehener Heiligenmaler, und wenn die Leute auch Vortheil von ihrer Religion haben, es ist ihnen doch heilig ernst damit. Wir wollen nicht an der Rechtschaffenheit der Gläubigen mäkeln, dafür sollen sie aber auch bei uns Ungläubigen die Rechtschaffenheit gelten lassen.«

Weiter kamen sie an ein Haus und der Doctor sagte:

»Da wohnte ein lustiger Schelm, der ein Gespenst ins Haus gesetzt hat. Es war ein alter Kauz, von Handwerk ein Maurer. Er hinterließ lachende Erben, und man weiß, daß er eine kleine Kiste machen ließ beim Tischler und ein Schloß dazu beim Schlosser und bei der Vermauerung des Kellers, wo er allein war, hat er die Kiste eingemauert. Man glaubt nun, daß darin bedeutende Summen verborgen sein müssen, und doch war er Schelm genug, eine leere Kiste einzumauern, um die Nachkommen damit zu necken. Nun wissen die Menschen nicht, sollen sie das Haus einreißen, um die Kiste zu suchen, oder nicht; es ist möglich, man findet eine leere Kiste, und es ist dann umsonst.«

Einen Alten mit verschmitztem Gesichte, der vor seinem Hause saß, grüßte ein andermal der Doctor zutraulich und fragte, ob man nicht wieder einen Tropfen von der »schwarzen Katz« kosten könne. Der Arzt wurde fröhlich eingeladen; er ging mit Erich und Roland in den Keller, wo sie feurigen Wein aus einem Fasse tranken, darauf in der That die schwarze Katze saß, freilich nur eine nachgemachte mit Glasaugen. Der Alte war überaus zutraulich und mit Roland anstoßend sagte er:

»Ja, ja, wir sind Alle nur Pfuscher gegen Ihren Herrn Vater.«

Mit schmatzendem Behagen lobte er die Durchtriebenheit und Pfiffigkeit Sonnenkamps, Erich sah besorgt auf Roland, der indeß wenig davon berührt schien. Als man davon ging, sagte der Doctor:

»Das ist der wahre Bauer, denn der wahre Bauer ist ein gründlicher Egoist, denkt immer nur an seinen Vortheil, mag darüber die Welt zu Grunde gehen. Das ist der Altbürgermeister, der den kleinen Leuten, so oft sie was brauchten, Geld geliehen hat, und war ein schlechtes Jahr, hat er die Ausstände mit Härte eingetrieben, so daß die Weinberge öffentlich versteigert wurden; und nun ist er im Besitz des größten Weingutes. Ja, er ist ein durchtriebener Schelm.«

Erich sah den Doctor von der Seite an, er begriff nicht, wie er doch mit dem Altbürgermeister so freundlich sein konnte; er fragte, ob der Mann überhaupt in Ansehen stehe, es wurde mit Nachdruck bejaht, denn Besitz gibt auf dem Lande Ansehen.

Auch beim Aichmeister, dem eigentlichen lustigen Bruder der ganzen Landschaft, kehrten sie ein; sie wurden durch die Keller geführt und mußten manchen guten Tropfen kosten.

Der Aichmeister trug stets ein Weißbrod in der Tasche, das nannte er sein Schwämmchen. »Mit Stroh,« sagte er, »heftet man die Rebe an, und mit diesem Brödchen, das aus dem Stroh gewachsen ist, bändige ich den Wein. Das Wasser zehrt, hat die Nonne gesagt, da hat sie ihren Schleier gewaschen und einen ganzen Laib Brod dazu gegessen . . .« Man hatte dem Aichmeister nachgerechnet, daß er bereits siebzig Stückfaß Wein getrunken, er aber behauptete: sie haben es gnädig mit mir gemacht, ich habe weit mehr getrunken.

Es war ein lustiges, ein weinseliges Leben, in das Erich und Roland zugleich eindrangen, und wenn sie wieder zu ihrer strengen Arbeit zurückkehrten, stand im Hintergrund der Seele das Bewußtsein, daß man in einer fröhlichen Landschaft lebte, wo das Dasein sich leicht abspielt.

Der hohe Sommer war da; es kamen kalte, windige, trübe Tage, wo man an allem Gedeihen zweifelt, und doch kann der Sommer noch nicht zu Ende sein, es muß wieder heiß werden. Die frischen Johannistriebe an den Laubbäumen zeigten an, daß die Sommerhöhe erstiegen war und es nun abwärts ging. Der Wald hat für das Jahr sein Wachsthum erreicht, der Gesang verstummte in ihm, nur der unermüdliche Plattmönch zwitscherte noch und die Elster schnatterte drein.

Erich, der nicht vor Anderen singen wollte, sang jetzt vor Roland allein. Er nahm das Oratorium vor, das eben von den rheinischen Gesangvereinen eingeübt wurde, erklärte Roland die Kunstform und sang eine Solostimme.

Buntbeflaggte Schiffe, die die Sänger trugen, zogen stromauf und wurden an allen Orten mit Böllerschüssen begrüßt. Roland bat, daß sie auch zu dem Musikfeste gingen.

Sie wanderten nun zu Fuß den Weg, den Roland in der Nacht gewandert war.

Roland erzählte unterwegs, was ihm Alles hier begegnet war. Vor der Rosenhecke, an der die wilden Rosen längst abgeblüht, stand er und sagte träumerisch leise:

»Hier habe ich damals gesehen, warum die Rose Dornen hat. Weißt Du auch, warum?«

»Die Natur wirkt nach Gründen, nicht nach Zwecken. Die Rose hat nicht Dornen, damit der Mensch sich daran steche, Schmetterling und Biene verletzen sich nicht an diesen Dornen, nicht an den Stacheln der Disteln; die Natur hat sich nicht auf Muskelbeschaffenheit des Menschen eingerichtet.«

»Ach nein, so meine ich es nicht,« erklärte Roland. »Damals in der Frühe habe ich mir gedacht: der Rosenstamm hat Dornen, das Rosenblatt hat seine rauhe Spitzen, um den Thau recht lange festhalten und einfangen zu können.«

Erich widersprach nicht.

Sie gingen weiter; sie kamen an den Wald und Roland erzählte, daß er hier eingeschlafen sei und einen wunderbaren Traum gehabt habe. Es sei aber doch kein Traum gewesen, denn das Kind habe englisch gesprochen und abgebrochene Blumen vor ihm liegen lassen.

Am Rande des Waldes rief er in die Bäume hinein:

»Lilian, komm! Lilian, komm!«

Erich begriff nicht, was das war, aber er hielt sich zurück, Roland weiter zu fragen; der Knabe mußte in jener Nacht und an jenem Morgen Wunderbares erlebt haben.

Roland ging in den Wald hinein, plötzlich rief er:

»Da ist mein Geldtäschchen!«

Er erzählte, wie er den Hausknecht in Verdacht gehabt, und Erich sagte:

»Es ist mir lieb, daß wir sehen, der Mann war ehrlich.«

»Laß uns nach dem Dorfe gehen, wo der Hausknecht ist,« bat Roland, »ich will ihm das ganze Geld schenken.«

Sie gingen nach dem Dorfe, der Hausknecht aber war nicht mehr da, er war zum Militär eingezogen.

Roland schrieb sich den Namen in sein Taschenbuch.

Weiter durch die sommerlich grünende Landschaft zogen die Beiden; sie kamen zur Eisenbahn und fuhren nach der Festungs-Stadt. Hier war Alles geflaggt, die ganze Stadt schien sich des fröhlichen Festes zu freuen. Auf Kähnen hellsingend, mit den Bahnzügen, von Willkommen begrüßt, kamen Sänger und Sängerinnen von allen Orten herbei.

»Sieh, das ist unser,« rief Erich aus. »Solche Feste hatten die Griechen und die Römer nicht und hat keine andere Nation, als die deutsche.«

Man übernachtete in der Stadt. Am andern Morgen versammelten sich Hunderte von Sängern und Sängerinnen und eine große Masse von Zuhörenden in der buntgeschmückten Festhalle, wo sonst an Werktagen der Fruchtmarkt abgehalten wurde. Da lief ein düsteres Gerücht durch die Versammlung; die Sänger und Sängerinnen schüttelten die Köpfe und unter den Zuhörern war unruhiges Flüstern und Fragen.

Ein Mann von edler Stimme und erprobter Bereitwilligkeit, der ein Solo zu singen hatte, war plötzlich erkrankt.

»Sieh da,« sagte Roland, »dort sitzen Nonnen und dort die Zöglinge, ganz in der Kleidung, wie sie im Kloster Manna's sind. Ach, wenn Manna auch hier wäre!«

Erich sagte zu Roland:

»Bleibe hier, ich will sehen, daß ich helfe; ich verlasse mich darauf, daß Du an diesem Platz bleibst.«

Er ging zu den Sängern auf die Tribüne, er stand bei dem Capellmeister und sprach eifrig mit ihm. Männer gingen ab und zu. Plötzlich wandten sich alle Köpfe nach Erich und durch die Versammlung ging ein Flüstern und Murmeln. Meister Ferdinand, der Capellmeister, schlug mit seinem Taktstocke auf, seine Mienen, die Alles wie mit einem Zauber regieren und begeistern, waren lächelnd. Es trat Stille ein und in herzgewinnendem Tone sagte er:

»Unser Bariton ist leider erkrankt, dieser Herr hier erbietet sich in überaus dankenswerther Weise, die Soli für unsern erkrankten Freund zu übernehmen. Sie werden ihm mit uns dankbar sein und ihm gern die erbetene Nachsicht gewähren.«

Ein allgemeiner Applaus erwiderte.

Die Chöre begannen und zogen brausend durch die Seele Rolands. Jetzt erhob sich Erich. Alle Herzen pochten. Aber beim ersten Ton, den er anstimmte, schaute jeder der Sänger und Sängerinnen und jeder Zuhörer zu seinem Nachbar und nickte. Das war eine Stimme, so voll, so tief, so zum Herzen dringend, daß Alles mit angehaltenem Athem zuhörte. Als er geendet, brach ein stürmischer Jubel los, daß die Halle zusammenzustürzen schien.

Erich setzte sich, die Chöre, die anderen Soli gingen weiter, er erhob sich wieder, er sang aber- und abermals und seine Stimme schien immer mächtiger zu werden, immer tiefer in die Herzen Aller zu dringen.

Die Chöre brausten heran wie hohe Meereswellen, kühn erhebend. Als Erich sang, war's Roland, als stünde sein Freund auf hohem Schiffe und leitete und regierte Alles, und diese Stimme war ihm so nahe befreundet und doch so hoch erhoben. Den Jüngling umfing jenes wonnig träumerische Glück, das uns die Musik bringt, und tief ins eigene Leben hinein versetzt und es uns austräumen läßt, und doch wieder vergessen in jenes wonnig wehmüthige Sein untertaucht und alles eigene Sein auflöst.

Roland weinte; die Stimme Erichs zog ihn hinaus in eine unsichtbare Welt. Die Chöre begannen wieder, und ihm war, wie wenn er in ein himmlisches Dasein versetzt wäre.

Roland hätte gern seinem Nachbar gesagt, wer der Mann sei, denn er hörte von allen Seiten fragen und räthseln, aber innerlich dachte er mit einem gewissen Stolze: Niemand kennt ihn als ich allein.

Da schweifte sein Auge wieder über die blau gekleideten Mädchen unter den Zuhörern und jetzt nickte ihm Eines zu. Ja, sie ist's! Es ist Manna!

Er bat die Zunächstsitzenden, man möchte ihn durchlassen; er wollte hin zu seiner Schwester, wollte ihr sagen, wer das ist, der jetzt solche Wonne in die Herzen Aller bringt. Aber er wurde mit Ungestüm zurückgewiesen, die Nachbarn schalten über den kecken Jüngling, der so unruhig war und eine Störung machen wollte.

Roland hielt sich still; er versäumte darüber die größere Pause, in welcher er füglich zu Manna hätte durchdringen können.

Das Oratorium war zu Ende, aber der Jubel der Versammelten wollte nicht enden. Man rief allgemein, der Fremde solle sich nennen.

»Sein Name! Sein Name!« tönte es von tausend Lippen und dazwischen wurde geklatscht.

Da schlug Meister Ferdinand, dem sich Weigernden freundlich winkend, wieder auf das Pult und Alles rief:

»Namen! Namen!«

Meister Ferdinand sagte:

»Der Sänger hatte gewünscht, seinen Namen nicht zu nennen, aber da Sie ihn mit so liebenswürdigem Ungestüm verlangen, nenne ich ihn; er heißt: Doctor Dournay.«

»Tusch! Tusch!« schrie die ganze Versammlung, das Orchester stimmte einen dreimaligen Tusch an und Alles schrie:

»Hoch, Doctor Dournay!«

Erich sah sich umdrängt von Solchen, die ihn jetzt erkannten, und von Anderen, die ihn kennen lernen wollten.

Die Versammlung zerstreute sich.

Erich sah sich nach Roland um und fand ihn nicht. Er ging auf dem Platze vor der Festhalle umher, er kehrte in die Festhalle zurück; da war Alles geräuschvoll und durcheinander, denn es wurden die Tische hergerichtet für das Festmahl. Erich blieb lange, er setzte voraus, daß sich Roland im Getümmel verloren hatte und nun wieder hieher zurückkehren würde.

Endlich kam Roland; seine Wangen glühten und er rief:

»Sie ist es gewesen! Ich habe sie und ihre Genossinnen nach dem Schiff begleitet, sie sind schon abgereist. O Erich, wie schön ist's, daß Du ihr zuerst zugesungen hast! Und sie hat gesagt, Du müßtest doch nicht so gottlos sein, weil Du so fromm singen kannst. Sie hat gesagt, ich soll Dir's nicht sagen, aber ich sage Dir's doch. O Erich! und Landrichters Lina ist auch unter den Sängerinnen und der Baumeister, sie gehen mit einander Arm in Arm, sie haben Dich gleich erkannt, haben Dich aber nicht verrathen. O Erich, wie Du gesungen hast, da ist mir's gewesen, als könntest Du fliegen; ich habe immer gemeint, jetzt thust Du Deine Flügel auf und fliegst davon.«

Der Jüngling war in fieberhafter Aufregung.

Ein Festordner kam und bat Erich und seinen Bruder – als solchen nahm er Roland an – bei dem Festmahle zu bleiben und neben dem Capellmeister zu sitzen.

Ein Photograph, der ebenfalls ein Solo gesungen, bat Erich, bis es zur Tafel ginge, sich bei ihm photographiren zu lassen, denn die Hunderte von Sängern und Sängerinnen würden sein Bild haben wollen.

Erich dankte für alle Freundlichkeit, und mit dem nächsten Schiffe fuhr er mit Roland nach der Villa.

Roland ging nach der Cajüte und schlief bald ein.

Erich saß allein auf dem Verdeck. Er hatte sich gegen seinen Willen so in die Oeffentlichkeit hinausgestellt; aber es gibt Momente, wo unsere Kräfte nicht uns gehören und wo wir uns nicht selbst bestimmen können.

Als man bei der Station anlangte, mußte Roland geweckt werden. Er wurde fast in den Kahn getragen, so taumelnd war er; er schien nicht zu fassen, was Alles mit ihm vorgegangen.

Als sie ans Land stiegen, sagte er:

»Erich, Dein Name ist von tausend und aber tausend Menschen genannt, Du bist jetzt sehr berühmt.«

Roland summte auf dem ganzen Wege eine Melodie des Chors.

Auf der Villa waren Briefe von der Mutter Erichs aus der Universitätsstadt und von Sonnenkamp aus Vichy angekommen. Die Mutter schrieb, Erich solle sich nicht daran kehren, wenn er den Vorwurf vernehme, daß er sein Ideal so leicht und schnell aufgegeben habe; die Menschen seien nur ärgerlich, daß er ohne allen Abschied davon gegangen.

Erich lächelte, er wußte recht gut, wie man am sogenannten schwarzen Tisch auf dem Casino, wo Jahr aus Jahr ein das glänzende Wachstuch über das unsaubere Tischtuch gelegt war, sich in Witzworten über ihn vergnügte.

Einen ganz andern Eindruck machte der Brief Sonnenkamps, denn er ermächtigte Erich, falls er es jetzt für wünschenswerth erachte, mit Roland allein zu reisen und zu ihm nach Biarritz zu kommen.

»Dem Vater wird's auch lieb sein, daß Du so viel Ehre bekommen hast; die Nonne, die Manna begleitete, hat freilich gesagt, er würde es nicht gut aufnehmen, daß Du so vor die Leute hingetreten bist.«

Inmitten seiner hocherregten Empfindung kam das Gefühl der Abhängigkeit über Erich. Aber hatte er denn seine ganze Persönlichkeit in den Dienst gestellt und mußte er bei jedem Thun und Lassen sich die Frage vorlegen, wie es wol von Sonnenkamp aufgenommen würde?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Landhaus am Rhein, Band 2