Charakter und Sitten des mecklenburgischen Landvolks. — Verschiedene Klassen der ländlichen Bevölkerung
Aus: Das Landvolk im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin
Autor: Bollbrügge, Carl Friedrich Wilhelm Dr. (1798-1846), Erscheinungsjahr: 1835
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Themenbereiche
Pferd, Hund, Jagd Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Landwirtschaft, Natur und Umwelt
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Mecklenburg-Schwerin, Landvolk, Verfassung, Bauern, Handwerker, Büdner, Justiz, Polizei, Armenpflege, Verwaltung, Güter, Sitten und Gebräuche
Das mecklenburgische Landvolk hat im allgemeinen bei einem phlegmatischen Temperamente einen sehr gutmütigen Charakter; bei aufgeregtem Affekte zeigt sich jedoch nicht selten ein hoher Grad von Rohheit, und ist auch die Zahl der Individuen, bei welchen das Phlegma in wahre Indolenz ausgeartet, nicht ganz geringe. Der mecklenburgische Bauer ist in der Regel gottesfürchtig, er verehrt seinen Fürsten, liebt seinen Grund- und Brotherrn und seinen Seelsorger, und achtet seine Obrigkeit. Im Verkehr mit seinen Standesgenossen zeigt derselbe viel Redlichkeit und Treue; weniger gewissenhaft ist er dagegen im Verkehr mit Mitgliedern der über ihm stehenden Volksklassen, und gegen diese überhaupt misstrauisch und versteckt, bis dieselben bei längerer Bekanntschaft sein spezielles Vertrauen gewonnen haben; gleichwohl lässt er sich, in Folge seiner Gutmütigkeit, von gewöhnlichen Betrügern leicht hintergehen. Grobe Verbrechen, als Mord, Raub, große Diebstähle usw., werden von dem mecklenburgischen Landvolke äußerst selten verübt; dagegen trifft man ziemlich häufig einen Hang zu kleinen Mausereien an Esswaren, Feld- und Gartenfrüchten usw., besonders wenn dergleichen Gegenstande nicht Leuten geringen Standes, sondern zum Eigentum vermögender Grund- und Brotherren des Landvolks gehören, — und Forstfrevel rechnet das letztere nicht einmal zu den unmoralischen Handlungen, sie werden durchgängig verübt, wenn die Furcht vor Entdeckung nicht davon abschreckt. — Das Laster der Trunkliebe ist auf dem Lande sehr verbreitet; selbst die Weiber lieben häufig den Branntwein, den man nicht selten den Kindern zu trinken gibt. 1) Eigentliche Trunkenbolde findet man jedoch nicht sehr häufig, und das Herumtreiben in den Schenken, welches in vielen anderen Ländern beim Landvolk so gewöhnlich ist, gehört nicht zu den Untugenden des mecklenburgischen Bauern, und Karten- und Würfelspiel um Geld sind etwas Ungewöhnliches. Das jugendliche Bauernvolk liebt aber ziemlich leidenschaftlich das Vergnügen des Tanzes. — Die Tugend der Keuschheit darf man dem mecklenburgischen Landvolke nicht nachrühmen; indessen sind doch Ehebruch, unglückliche Ehen und Ehescheidungen im allgemeinen nur selten.
Der mecklenburgische Bauer hat, wenn es ihm auch häufig an rascher Auffassung fehlt, in der Regel einen ziemlich hellen Verstand und gute natürliche Anlagen. Die einzelnen Individuen von beschränktem Geist, welche hier, wie in allen Ständen, vorkommen, werden aber natürlich um so mehr bemerkbar, da ihre Einfalt nicht durch mühsam erworbene Bildung verdeckt wird.
Aberglauben trifft man bei dem mecklenburgischen Landvolk in ziemlicher Dosis, jedoch ist die Verminderung desselben in neuerer Zeit unverkennbar.
Das mecklenburgische Landvolk spricht die plattdeutsche Mundart, und zwar meistenteils den sogenannten runden, in einigen Gegenden aber auch den breiten Dialekt.
Die körperliche Bildung des Landvolks ist in Mecklenburg weniger gleichmäßig als in manchen andern deutschen Ländern. In einzelnen Gegenden und Ortschaften findet man einen großen Menschenschlag; im allgemeinen ist jedoch der mecklenburgische Bauer von mittlerer Statur. Die Gesichtsbildung des mecklenburgischen Landvolks darf in den meisten Gegenden nicht hässlich genannt werden, und die Zahl von einzelnen Individuen, denen man körperliche Schönheit zugestehen muss, ist gar nicht geringe. — Die ländliche Tracht ist nicht ganz gleichförmig und besonders beim weiblichen Geschlecht in verschiedenen Gegenden und Ortschaften von einander abweichend.
Das mecklenburgische Landvolk trifft, wie fast jede geringe Volksklasse, mehr oder weniger der Vorwurf der Unreinlichkeit; jedoch ist dasselbe in mancher Beziehung nicht ohne Sinn für Reinlichkeit und dürfte, mit dem Landvolke anderer Länder in Vergleich gestellt, keineswegs in diesem Punkte die unterste Stelle einnehmen. 2)
Der mecklenburgische Bauer wird von Jugend auf an schwere Arbeit gewöhnt, und werden dadurch bedeutende körperliche Kräfte entwickelt. 3) Er vermag daher im ausgebildeten Mannesalter die schwersten Arbeiten ohne Anstrengung zu verrichten. Es verlässt ihn jedoch bei seiner Arbeit niemals eine gewisse phlegmatische Ruhe, und ist sein Fleiß auch durch das Zugestehen der gewohnten körperlichen Pflege, nämlich durch drei reichliche Haupt-Mahlzeiten und zwei Neben-Mahlzeiten, bedingt. 4) Das weibliche Geschlecht ist in der Regel ebenfalls kräftig, obgleich von demselben die Verrichtung schwerer Arbeiten fast weniger verlangt wird, als in vielen andern Ländern. 5)
Nach Maßgabe der verschiedenen äußeren Verhältnisse kann man verschiedene Klassen des mecklenburgischen Landvolks hervorheben, welche jedoch in Charakter und Sitten keine wesentlichen Verschiedenheiten zeigen. Es leben nämlich auf dem Lande — abgesehen von den Landleuten gebildeten Standes, so wie von den Landgeistlichen und den Forstbeamten —
1) Bauern im engeren Sinne des Worts, oder sogenannte Hauswirte;
2) Büdner;
3) Handwerker von einigen auf dem Lande zulässigen Professionen;
4) Tagelöhner.
Die Mehrzahl der Mitglieder aller dieser Klassen lebte bis zum Jahr 1820 in Leibeigenschaft (hier gewöhnlich Gutsuntertänigkeit genannt). Die Leibeigenschaft war jedoch in der neueren Zeit nicht sehr drückend, und die Verhältnisse der Leibeigenen waren faktisch von denen der neben ihnen lebenden freien Landleute der arbeitenden Klasse sehr wenig verschieden. 6)
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1. Die Neigung zum Genuss des Branntweins hat sich erst seit etwa hundert Jahren unter dem, Landvolk verbreitet und ist leider fortwährend im Zunehmen. In früherer Zeit wurde von den Bauern viel Bier konsumiert, welches sie aus den städtischen Brauereien bezogen. Jetzt trinken die geringen Landleute höchst selten anderes Bier, als den elenden selbst gebrauten Konvent, der im Sommer fast immer sogleich in die Essiggärung übergeht. — Dass dem übermäßigen Genuss des Branntweins staatswegen ernstlich entgegen gewirkt werde, ist gewiss sehr an der Zeit. Es wäre hierbei wohl am zweckmäßigsten die Mitwirkung der Geistlichen und Schullehrer in Anspruch zu nehmen, und besonders die Verabreichung des Branntweins an Kinder bei strenger Strafe zu verbieten. In größeren Dörfern dürfte die Bildung eines eigenen Ausschusses von verständigen Männern, welche sich verpflichteten, die Aufrechterhaltung des betreffenden Verbots zu bewachen, sehr angemessen sein. Vor allen Dingen scheint aber eine strenge polizeiliche Aufsicht auf die Kartoffel Branntweinbrennereien dringend notwendig. Denn wenn auch nach neueren Untersuchungen der Kartoffelbranntwein an sich nicht schädlich ist, so hat doch ohne allen Zweifel der schlecht bereitete Kartoffelbranntwein, so wie er häufig in den mecklenburgischen Landstädten, und hin und wieder auch wohl auf dem Lande, fabriziert wird, die nachteiligsten Folgen für die Gesundheit.
2. Der mecklenburgische Bauer gibt sehr wenig auf Reinlichkeit und Zierlichkeit des Äußeren seiner Wohnungen und Höfe. Im Innern der Häuser findet man nicht selten ziemlich viel Reinlichkeit und Ordnung. Der gemeine Mann hält auch einigermaßen auf die Reinlichkeit seiner Wäsche, und das bei dem geringen Landvolke in slawischen Ländern so gewöhnliche ekelhafte Ungeziefer verabscheuet der mecklenburgische Bauer in hohem Grade. Selbst Wanzen, die in den meisten benachbarten Ländern in den Wohnungen der geringen Volksklasse so sehr verbreitet sind, findet man fast nie in einer mecklenburgischen Bauernhütte.
3. Durch die frühe Verrichtung schwerer Arbeiten entstehen jedoch bei den Landleuten nicht selten mancherlei körperliche Gebrechen, und sind besonders die Bruchschäden sehr häufig.
4. Die beliebteste Kost des mecklenburgischen Landvolks sind die Kartoffeln. Nur aus dem Umstande, dass diese Frucht im Vergleich mit Zerealien wenig Nahrungsstoff enthält, wird es erklärlich, dass der mecklenburgische Bauer eine fast unglaubliche Quantität von diesem Nahrungsmittel konsumieren kann. Eine sehr treffende Schilderung der Esslust des mecklenburgischen Landvolks findet man in der wertvollen Schrift: „Beiträge zur Verwaltung der Landpolizei in den herzoglich Mecklenburgischen Landen, von v. Suckow“ (Rostock 1801). Es heißt dort pag. 277. „dass die geringere Menschenklasse auf dem platten Lande in Mecklenburg weit stärker arbeitet, als sie vielleicht in jedem andern Staate tut, ist unleugbar und mögte keinem Zweifel unterworfen werden können. Aber eben so gewiss ist es auch, dass der geborene Mecklenburger dieser Gattung beinahe noch einmal so viele Speisen zum Unterhalt braucht, als seine Mitbrüder in anderen Ländern. Ohne drei starke Mahlzeiten zu tun wird der erstere an keinem Tage im Jahre sich zufrieden gestellt finden, und in der Ernte muss er deren fünfe haben, wohin das sogenannte Hochimpt und das Vesperbrot gerechnet werden, die er in seiner Kiepe mit zu Felde nimmt. Man muss mit Aufmerksamkeit den inneren Gehalt der letzteren sehr oft betrachtet haben, wenn man überzeugt sein will, dass der Knecht eines Pächters oder Gehöftwirtes bloß in dem einem Vesperbrot mehr verzehrt, als der Schwabe, der Thüringer, der Obersachse usw. den ganzen Tag über genießen. Die vorgedachte Kiepe gleicht einem Magazin von Lebensmitteln, sie enthält, ohne das Brot zu rechnen, Speck, Fleisch, Wurst, Hering, gekochte Eier, Käse usw.“ Hierher gehört auch eine Andeutung in dem XVII. Jahrgange der neuen Annalen der Mecklenburgischen Landwirtschaftsgesellschaft in einer Abhandlung vom Freiherrn von Moeller-Lilienstern auf Rothspalk, betitelt: die Butter. — Die Butterbrote, dieser mächtige Hebel unserer Landwirtschaft, spielen im Norden eine große Rolle! Eine Normal-Szene (wenn der Ausdruck erlaubt ist) Ernte-Butterbrot, wovon ein Neapolitaner mehrere Tage leben könnte, und was unsere Knechte so nebenher zwischen den Mahlzeiten verzehren, hat an Brot, Butter und zähem Holländerkäse über 80 Kubikzoll.
5. Das weibliche Geschlecht wird von dem geringen Landmanne in Mecklenburg im Allgemeinen sehr gut behandelt; nur Trunkenbolde machen hierin gewöhnlich eine Ausnahme. Die Hausfrauen verrichten nur selten die schwereren häuslichen Arbeiten, und selbst die Tagelöhner besorgen dieselben für ihre Frauen gewöhnlich in den Feierstunden.
6. Über die Verhältnisse der mecklenburgischen sonstigen Leibeignen waren früher im Auslande gewöhnlich sehr unrichtige Ansichten verbreitet, und noch jetzt findet man nicht selten in neuen geographischen Schriften über die Verhältnisse des mecklenburgischen Landvolks die größten Unrichtigkeiten. Noch im Jahre 1817 lehrte ein Professor bei einem angesehenen thüringischen Gymnasium, dass der mecklenburgische Leibeigene das ganze Jahr für seinen Leibherrn Frondienste verrichten müsse, und dafür einige Scheffel Korn und Kartoffeln, etwas Leinwand und Wolle und ein Paar Holzschuhe (eine in Westfalen sehr beliebte, aber in Mecklenburg gänzlich unbekannte Fußbekleidung, welche man nicht mit den sogenannten hölzernen Pantoffeln verwechseln darf) erhalte. Der gelehrte Herr würde sich sehr verwundert haben, wenn ihm die in den schon angeführten „Beiträgen zur Verwaltung der Landpolizei von v. Suckow“ enthaltene Angabe, dass man im Anfange dieses Jahrhunderts das in den Kisten der mecklenburgischen leibeignen Domanial-Bauern befindliche bare Vermögen auf beinahe 1 1/2 Millionen Thaler berechnen könne, zu Gesicht gekommen wäre, oder wenn man ihn überzeugt hätte, dass ein mecklenburgischer Leibeigner eine sehr harte Strafe darin finden würde, wenn man ihn nur eine Woche auf die Diät des obersächsischen Bauern setzen wollte.
Der mecklenburgische Bauer hat, wenn es ihm auch häufig an rascher Auffassung fehlt, in der Regel einen ziemlich hellen Verstand und gute natürliche Anlagen. Die einzelnen Individuen von beschränktem Geist, welche hier, wie in allen Ständen, vorkommen, werden aber natürlich um so mehr bemerkbar, da ihre Einfalt nicht durch mühsam erworbene Bildung verdeckt wird.
Aberglauben trifft man bei dem mecklenburgischen Landvolk in ziemlicher Dosis, jedoch ist die Verminderung desselben in neuerer Zeit unverkennbar.
Das mecklenburgische Landvolk spricht die plattdeutsche Mundart, und zwar meistenteils den sogenannten runden, in einigen Gegenden aber auch den breiten Dialekt.
Die körperliche Bildung des Landvolks ist in Mecklenburg weniger gleichmäßig als in manchen andern deutschen Ländern. In einzelnen Gegenden und Ortschaften findet man einen großen Menschenschlag; im allgemeinen ist jedoch der mecklenburgische Bauer von mittlerer Statur. Die Gesichtsbildung des mecklenburgischen Landvolks darf in den meisten Gegenden nicht hässlich genannt werden, und die Zahl von einzelnen Individuen, denen man körperliche Schönheit zugestehen muss, ist gar nicht geringe. — Die ländliche Tracht ist nicht ganz gleichförmig und besonders beim weiblichen Geschlecht in verschiedenen Gegenden und Ortschaften von einander abweichend.
Das mecklenburgische Landvolk trifft, wie fast jede geringe Volksklasse, mehr oder weniger der Vorwurf der Unreinlichkeit; jedoch ist dasselbe in mancher Beziehung nicht ohne Sinn für Reinlichkeit und dürfte, mit dem Landvolke anderer Länder in Vergleich gestellt, keineswegs in diesem Punkte die unterste Stelle einnehmen. 2)
Der mecklenburgische Bauer wird von Jugend auf an schwere Arbeit gewöhnt, und werden dadurch bedeutende körperliche Kräfte entwickelt. 3) Er vermag daher im ausgebildeten Mannesalter die schwersten Arbeiten ohne Anstrengung zu verrichten. Es verlässt ihn jedoch bei seiner Arbeit niemals eine gewisse phlegmatische Ruhe, und ist sein Fleiß auch durch das Zugestehen der gewohnten körperlichen Pflege, nämlich durch drei reichliche Haupt-Mahlzeiten und zwei Neben-Mahlzeiten, bedingt. 4) Das weibliche Geschlecht ist in der Regel ebenfalls kräftig, obgleich von demselben die Verrichtung schwerer Arbeiten fast weniger verlangt wird, als in vielen andern Ländern. 5)
Nach Maßgabe der verschiedenen äußeren Verhältnisse kann man verschiedene Klassen des mecklenburgischen Landvolks hervorheben, welche jedoch in Charakter und Sitten keine wesentlichen Verschiedenheiten zeigen. Es leben nämlich auf dem Lande — abgesehen von den Landleuten gebildeten Standes, so wie von den Landgeistlichen und den Forstbeamten —
1) Bauern im engeren Sinne des Worts, oder sogenannte Hauswirte;
2) Büdner;
3) Handwerker von einigen auf dem Lande zulässigen Professionen;
4) Tagelöhner.
Die Mehrzahl der Mitglieder aller dieser Klassen lebte bis zum Jahr 1820 in Leibeigenschaft (hier gewöhnlich Gutsuntertänigkeit genannt). Die Leibeigenschaft war jedoch in der neueren Zeit nicht sehr drückend, und die Verhältnisse der Leibeigenen waren faktisch von denen der neben ihnen lebenden freien Landleute der arbeitenden Klasse sehr wenig verschieden. 6)
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1. Die Neigung zum Genuss des Branntweins hat sich erst seit etwa hundert Jahren unter dem, Landvolk verbreitet und ist leider fortwährend im Zunehmen. In früherer Zeit wurde von den Bauern viel Bier konsumiert, welches sie aus den städtischen Brauereien bezogen. Jetzt trinken die geringen Landleute höchst selten anderes Bier, als den elenden selbst gebrauten Konvent, der im Sommer fast immer sogleich in die Essiggärung übergeht. — Dass dem übermäßigen Genuss des Branntweins staatswegen ernstlich entgegen gewirkt werde, ist gewiss sehr an der Zeit. Es wäre hierbei wohl am zweckmäßigsten die Mitwirkung der Geistlichen und Schullehrer in Anspruch zu nehmen, und besonders die Verabreichung des Branntweins an Kinder bei strenger Strafe zu verbieten. In größeren Dörfern dürfte die Bildung eines eigenen Ausschusses von verständigen Männern, welche sich verpflichteten, die Aufrechterhaltung des betreffenden Verbots zu bewachen, sehr angemessen sein. Vor allen Dingen scheint aber eine strenge polizeiliche Aufsicht auf die Kartoffel Branntweinbrennereien dringend notwendig. Denn wenn auch nach neueren Untersuchungen der Kartoffelbranntwein an sich nicht schädlich ist, so hat doch ohne allen Zweifel der schlecht bereitete Kartoffelbranntwein, so wie er häufig in den mecklenburgischen Landstädten, und hin und wieder auch wohl auf dem Lande, fabriziert wird, die nachteiligsten Folgen für die Gesundheit.
2. Der mecklenburgische Bauer gibt sehr wenig auf Reinlichkeit und Zierlichkeit des Äußeren seiner Wohnungen und Höfe. Im Innern der Häuser findet man nicht selten ziemlich viel Reinlichkeit und Ordnung. Der gemeine Mann hält auch einigermaßen auf die Reinlichkeit seiner Wäsche, und das bei dem geringen Landvolke in slawischen Ländern so gewöhnliche ekelhafte Ungeziefer verabscheuet der mecklenburgische Bauer in hohem Grade. Selbst Wanzen, die in den meisten benachbarten Ländern in den Wohnungen der geringen Volksklasse so sehr verbreitet sind, findet man fast nie in einer mecklenburgischen Bauernhütte.
3. Durch die frühe Verrichtung schwerer Arbeiten entstehen jedoch bei den Landleuten nicht selten mancherlei körperliche Gebrechen, und sind besonders die Bruchschäden sehr häufig.
4. Die beliebteste Kost des mecklenburgischen Landvolks sind die Kartoffeln. Nur aus dem Umstande, dass diese Frucht im Vergleich mit Zerealien wenig Nahrungsstoff enthält, wird es erklärlich, dass der mecklenburgische Bauer eine fast unglaubliche Quantität von diesem Nahrungsmittel konsumieren kann. Eine sehr treffende Schilderung der Esslust des mecklenburgischen Landvolks findet man in der wertvollen Schrift: „Beiträge zur Verwaltung der Landpolizei in den herzoglich Mecklenburgischen Landen, von v. Suckow“ (Rostock 1801). Es heißt dort pag. 277. „dass die geringere Menschenklasse auf dem platten Lande in Mecklenburg weit stärker arbeitet, als sie vielleicht in jedem andern Staate tut, ist unleugbar und mögte keinem Zweifel unterworfen werden können. Aber eben so gewiss ist es auch, dass der geborene Mecklenburger dieser Gattung beinahe noch einmal so viele Speisen zum Unterhalt braucht, als seine Mitbrüder in anderen Ländern. Ohne drei starke Mahlzeiten zu tun wird der erstere an keinem Tage im Jahre sich zufrieden gestellt finden, und in der Ernte muss er deren fünfe haben, wohin das sogenannte Hochimpt und das Vesperbrot gerechnet werden, die er in seiner Kiepe mit zu Felde nimmt. Man muss mit Aufmerksamkeit den inneren Gehalt der letzteren sehr oft betrachtet haben, wenn man überzeugt sein will, dass der Knecht eines Pächters oder Gehöftwirtes bloß in dem einem Vesperbrot mehr verzehrt, als der Schwabe, der Thüringer, der Obersachse usw. den ganzen Tag über genießen. Die vorgedachte Kiepe gleicht einem Magazin von Lebensmitteln, sie enthält, ohne das Brot zu rechnen, Speck, Fleisch, Wurst, Hering, gekochte Eier, Käse usw.“ Hierher gehört auch eine Andeutung in dem XVII. Jahrgange der neuen Annalen der Mecklenburgischen Landwirtschaftsgesellschaft in einer Abhandlung vom Freiherrn von Moeller-Lilienstern auf Rothspalk, betitelt: die Butter. — Die Butterbrote, dieser mächtige Hebel unserer Landwirtschaft, spielen im Norden eine große Rolle! Eine Normal-Szene (wenn der Ausdruck erlaubt ist) Ernte-Butterbrot, wovon ein Neapolitaner mehrere Tage leben könnte, und was unsere Knechte so nebenher zwischen den Mahlzeiten verzehren, hat an Brot, Butter und zähem Holländerkäse über 80 Kubikzoll.
5. Das weibliche Geschlecht wird von dem geringen Landmanne in Mecklenburg im Allgemeinen sehr gut behandelt; nur Trunkenbolde machen hierin gewöhnlich eine Ausnahme. Die Hausfrauen verrichten nur selten die schwereren häuslichen Arbeiten, und selbst die Tagelöhner besorgen dieselben für ihre Frauen gewöhnlich in den Feierstunden.
6. Über die Verhältnisse der mecklenburgischen sonstigen Leibeignen waren früher im Auslande gewöhnlich sehr unrichtige Ansichten verbreitet, und noch jetzt findet man nicht selten in neuen geographischen Schriften über die Verhältnisse des mecklenburgischen Landvolks die größten Unrichtigkeiten. Noch im Jahre 1817 lehrte ein Professor bei einem angesehenen thüringischen Gymnasium, dass der mecklenburgische Leibeigene das ganze Jahr für seinen Leibherrn Frondienste verrichten müsse, und dafür einige Scheffel Korn und Kartoffeln, etwas Leinwand und Wolle und ein Paar Holzschuhe (eine in Westfalen sehr beliebte, aber in Mecklenburg gänzlich unbekannte Fußbekleidung, welche man nicht mit den sogenannten hölzernen Pantoffeln verwechseln darf) erhalte. Der gelehrte Herr würde sich sehr verwundert haben, wenn ihm die in den schon angeführten „Beiträgen zur Verwaltung der Landpolizei von v. Suckow“ enthaltene Angabe, dass man im Anfange dieses Jahrhunderts das in den Kisten der mecklenburgischen leibeignen Domanial-Bauern befindliche bare Vermögen auf beinahe 1 1/2 Millionen Thaler berechnen könne, zu Gesicht gekommen wäre, oder wenn man ihn überzeugt hätte, dass ein mecklenburgischer Leibeigner eine sehr harte Strafe darin finden würde, wenn man ihn nur eine Woche auf die Diät des obersächsischen Bauern setzen wollte.