Weiser, Johann Konrad (unbekannt -1746) Weiser, Konrad (1696-1760) Pioniere in New York und Pennsylvanien.

Johann Konrad Weiser und sein Sohn Konrad, letzterer geboren 1696 zu Astädt, Würtemberg, gehörten zu den Schwaben, welche sich im Jahre 1709 der Massen-Auswanderung der Pfälzer anschlossen und von Holland auf Kosten der britischen Regierung nach England gebracht, viele Monate hilflos ein großes Lager bei Greenwich bildeten. Zur selben Zeit hielten sich in London mehrere Häuptlinge der Mohawk Indianer als Gäste der Regierung auf. Man zeigte ihnen alle Londoner Sehenswürdigkeiten und führte Sie auch in das Lager der Deutschen. Es nahm die Mahawks wunder, weshalb diese Leute von Deutschland ausgewandert seien, und als ihnen gesagt wurde, daß sie daheim nicht Land genug hätten, lachten sie und sagten, sie, die Indianer, hätten Land genug daheim und wollten den Deutschen gern so viel schenken, als sie wünschten.

Die englische Regierung ging darauf nicht ein. Sie hatte mit den 10 - 13,000 Einwanderern aus Deutschland, die gleich Heuschrecken bei ihnen lagerten, grosse Unkosten gehabt. Es ist nachweislich, daß über 100,000 Pfund Sterling für ihre Verpflegung und ihren Transport verausgabt werden sind. Dafür verlangte sie Gegenleistungen von den Deutschen. Auch misstraute sie der Freundschaft zwischen den Deutschen und Indianern, welche ihnen hätte gefährlich werden können. Deshalb sandte sie die Deutschen nach New York mit der Anweisung, daß sie dort in Tannenwäldern Teer für Schiffszwecke machen und dabei unter Aufsicht der Regierung arbeiten sollten. Nicht allein aber war diese Arbeit den Deutschen ungewohnt, sondern sie wurden auch von den Aufsehern rauh behandelt und schlecht verpflegt, und man nahm ihnen sogar zum Teil ihre Kinder und übergab sie Fremden als Lehrlinge.


Dies widerfuhr auch dem J. K. Weiser. Er war aber ein Mann von ungewöhnlichen Geistesgaben und von außerordentlichem Freiheitssinn, und nicht der Mann, sich unterdrücken zu lassen. Er suchte und fand Verbindungen mit den Mohawk Indianern im westlichen Teil von New York und erhielt von ihnen die feierliche Erneuerung der Greenwicher Schenkung ihrer Ländereien an die Deutschen. Das Land lag am Shoharie, einem Nebenfluss des Mohawk, welcher wieder ein Nebenfluss des Hudson ist, und war vom fruchtbarsten in der Kolonie.

Im Winter 1713 führte Weiser die ersten fünfzig Familien durch den dichten Wald nach Shoharie. Hier angekommen fanden sie eine Botschaft des Gouverneurs vor, welche ihnen strenge verbot, sich dort niederzulassen, widrigenfalls sie als Rebellen behandelt werden würden. Aber Weiser ließ sich nicht irre machen. Die Indianer hatten ihm versprochen, ihn und die Seinigen nötigenfalls mit den Waffen im Besitz der Schenkung zu Schützen. Im März 1713 kam der Rest nach. Der Schnee lag drei Fuß tief. Die große Zahl der Ankömmlinge überstieg bei weitem die Mittel, welche die Indianer zu ihrer Verpflegung besaßen. Allein das Gefühl der Unabhängigkeit und die Freude über die Schönheit und Fruchtbarkeit des lieblichen, ihnen zu Teil gewordenen Tals half der Schaar über alle Schwierigkeiten hinweg.

Freilich war das Gebiet von andren Ansiedlungen weit entfernt, und man prophezeite den mit amerikanischen Zuständen und mit Urwalds - Umständen gänzlich unbekannten Deutschen einen schnellen Untergang unter den blutigen Mohawks, welche noch dazu von den Franzosen in Canada beständig aufgestachelt wurden. Allein unter Weisers Leitung ward die Freundschaft mit den Indianern gewahrt, und diese halfen den Pfälzern mit Lebensmitteln und allerlei nützlicher Anweisung in Urwalds-Notbehelf.

Die Ansiedlung gedieh. Im Jahre 1752 zählte man schon 104 Häuser mit 900 Bewohnern in Shoharie. Einen Pfarrer hatte man schon 1743 erlangt. Edenso gut blühte eine Zweigekolonie aus, welche Weiser schon im Jahre 1722 nach dem Mohawk entsendet hatte und bald ebenso zahlreich ward, als die erste. Trotz aller Strapazen und Krankheiten war Weisers Schaar, die ursprünglich aus 150 ihm zu den Mohawks folgenden Pfälzer- Familien bestanden hatte, in dreißig Jahren schon an Seelenzahl verdoppelt, was freilich nicht hätte geschehen können, wenn nicht von New York der manche Pfälzer-Familie, angezogen durch die günstigen Berichte, nachgezogen wäre; jedoch hatte man dafür auch wieder Kolonien nach Pennsylvanien entsendet, von welchen mehr später. Den allergrößten Anteil an solchem Aufblühen der Kolonie hatte das innige Freundschafts-Verhältniß der Deutschen mit den Indianern.

Aber mit den eigentlichen englischen Amerikanern blieben die Mohawks in unversöhnlichem Hass. Im Unabhängigkeitskriege fochten sie mit den Canadiern gegen die Amerikaner, mussten deshalb auch nach Friedensschluss das Gebjet von New York räumen und nach Kanada auswandern.

Es erhob sich aber für die Kolonie eine andre Schwierigkeit. In New York hielt es die Kolonial-Regierung mit den großen Grundbesitzern, welche nach Art europäischer Edelleute große Landgüter mit adligen Vorrechten besitzen und von der Arbeit der Kolonisten bequem leben wollten, ähnlich wie es im Süden die Sklavenbarone fertig gebracht haben. Diese wollten keine freien Bauern auf eignem Boden, sondern nur abhängige Rentsleute haben. Ihnen war das Aufblühen deutscher Niederlassungen zuwider. Der damalige Gouverneur Hunter fand manchen guten Vorwand, Weisers Leuten ihren Besitztitel streitig zu machen, da sie das Land von den Indianern erhalten hatten, denen man keine bürgerlichen Rechte einräumte. Um den beständigen Drohungen der New Yorker Regierung zu entgehen, beschlossen im Jahre 1718 die Bewohner der Kolonie, den älteren Weiser nebst zwei andren Vertrauensmännern nach London an die britische Regierung zu entsenden, um von ihr die Bestätigung der Eigentumsrechte zu erlangen. Das war ein großes Unternehmen.

Sie schifften sich heimlich ein, fielen aber auf der Seereise in die Hände von Piraten und wurden von diesen ihrer letzten Habseligkeiten beraubt. Weiser ward sogar dreimal an den Mastbaum gebunden und jämmerlich geschlagen, um mehr Geld von ihm zu erpressen. Das geplünderte Schiff legte dann in Boston an, um sich mit dem Notwendigsten zu Versehen. Freundlos und unbekannt in der fremden Stadt, mußte Weiser hier Schulden machen und dafür in den Schuldthurm wandern, wo er mit den beiden andern Abgeordneten fast ein Jahr saß, bis von Shoharie ihnen das zur Fortsetzung der Reise nötige Geld nachgesandt wurde. So kamen sie nach London, vermochten aber nichts auszurichten. Nachdem sie vom Hofe lange mit leeren Versprechungen hingehalten waren, kehrte Weiser 1722 nach Amerika zurück.

Die meisten Ansiedler am Shoharie und Mohawk fügten sich nun in ihre Lage; auch waren ihre Bedränger mürbe geworden, und es kam zu leidlichen Vergleichen. Weiser aber hatte zuviel Unabhängigkeitssinn, sich seiner Rechte in dieser Weise zu begeben.

Da wurde es ihm und den Seinigen klar, daß, um in Ruhe uud Frieden zu leben, es am besten sein würde, nach der ihnen schon vielfach angerühmten Provinz Pennsylvanien zu ziehen, wo unter Penns weiser Verwaltung bürgerliche und kirchliche Freiheit im ausgedehntesten Maße blühten.

Zum Glück öffnete sich ihnen dazu ein Weg durch die Freundschaft der Mohawks. Schon im ersten Jahre seiner Niederlassung in Shoharie hatte Weiser seinen Konrad einem der Mohawk-Häuptlinge zur Erziehung übergeben. Hier hatte Konrad alle Abhärtungen indianischer Lebensweise mitgemacht, aber auch ihre Gefühls- und Denkweise, sowie ihre Sprache so völlig kennen gelernt, daß er vollkommen mit ihnen fertig werden konnte.

Bald nach seiner Rückkehr in die väterliche Niederlassung wurde ein Wettrennen zwischen ihm und dem flinksten jungen Indianer veranstaltet. Die zu durchlaufende Strecke war eine Meile. Der Siegespreis bestand in einigen Hirschfellen. Deutsche uud Indianer betrachteten das Rennen mit dem Ernst einer nationalen Angelegenheit und folgten ihren beiderseitigen Angehörigen, als sie auf ein gegebenes Zeichen ihren Lauf antraten, mit der äußersten Spannung. Die beiden Renner konnten einander kaum einen Vorsprung abgewinnen, höchstens, dass einmal der eine oder der andere um eine Kopfeslänge voraus war; kurz, der Sieg war bis zum letzten Augenblick ungewiss. Jetzt näherten sie sich dem Ziele. Noch einige Sätze, und das Ziel war erreicht. Da sprang der junge Weiser gegen den Indianer, daß dieser hinfiel, und im Nu war der Deutsche am Ziele, ehe nur der andere sich aufgerafft hatte. Allgemeiner Jubel herrschte unter den Deutschen; ebenso allgemeine Erbitterung unter den Indianern, die sogar in Drohungen überging. Es sei nicht ehrlich zugegangen, der ausgesetzte Preis könne nicht verabfolgt werden. Jeden Augenblick konnte es zu Tätlichkeiten kommen. Der junge Weiser aber war klüger als seine Landsleute; besser als sie kannte er den Charakter seiner roten Freunde und wusste, daß der an sich so geringfügige Zank leicht in Mord und Todtschlag übergehen könne. So ging er denn kläglich von einem Indianer zum andern, bedauerte aufs tiefste das ihm widerfahrene Unglück, erklärte es für einen reinen Zufall und verzichtete unter Betheuerung seiner Ehrlichkeit auf den Preis. Jetzt wollten die Indianer dem Deutschen an Edelmuth nicht nachstehen und nötigten ihm die Hirschfelle auf. So endete alles in Frieden.

Durch Vermittlung dieser Indianerfreundschaft ward es nun möglich, ungehindert von der Regierung in New York, nach Pennsylvanien zu gelangen.

Im Jahre 1723 machten sich 33 Familien mit Weib und Kind, geführt von einem Indianer, auf den Weg, dem Shoharie folgend, immer tiefer und tiefer in das Gebirge, durch Fels und Schlucht, über Sumpf und Strom höher und höher hinauf, bis sie des Gebirges stürmisch-kalte Gipfel erreicht hatten und südwärts schauend zwischen den dunklen Wäldern den Susquehanna gleich einem Silberband sich winden sahen. Wären sie nicht Deutsche gewesen, so hätten schwerlich die Indianer sie lebendig durch diese, noch nicht von Blaßgesichtern betretenen Wildnisse hindurchgelassen. Wären sie nicht an die Entbehrungen und die Hilfsmittel des Urwaldlebens gewöhnt und dadurch abgehärtet gewesen, wie hätten sie eine solche Reise wagen und ertragen können. So aber gelang sie glücklich. Den Susquehanna verfolgend, fanden sie die Mündung der Swatara, und diese aufwärts ziehend, kamen sie im jetzigen Berks County an und konnten in der Nähe lieber Landsleute und Glaubensgenossen ihre Zelte und Hütten aufschlagen. Da dies Gebiet noch unbesetzt war, erhielten sie leicht Besitztitel von dem damaligen Gouverneur Keith.

Im Sommer desselben Jahres folgte ein zweiter Nachschub von 50 Familien. Im Jahre 1729 kam der jüngere Weiser mit einer noch größeren Zahl von Familien nach, um dauernd zu bleiben. Im selben Jahre kam Chr. Burst mit 70 Pfälzer-Familien übers Meer nach Philadelphia und siedelte sich in Lebanon County an. Ihnen folgten bald ähnliche Schaaren aus der Pfalz, Nöcker und Spieker; der ebenso geschäftskundige wie verschwenderische Baron Stiegel gründete die Stadt Mannheim, Steige gründete die jetzige Stadt Lebanon, Schaar auf Schaar folgte, und es entstanden blühende deutsche Gemeinwesen.

Konrad Weiser wurde hier ein sehr angesehener Mann. Er ward Friedensrichter, Oberstlieutenant der Miliz und amtlicher Dolmetscher der Provinz. Der Regierung leistete er bei ihren Unterhandlungen in New York, Pennsylvanien und Ohio mit den Indianern werthvolle Dienste.

Im Jahre 1746 starb in seinem Hause sein oben erwähnter Vater Johann Konrad, er selbst hat bis 1760 gelebt. Die Nachkommen des gleichen Namens leben noch heute in der gleichen Gegend und reden noch die Sprache ihrer Väter.

Weiser war ein eifriger Lutheraner. Als iunger Mann reiste er fast 200 Meilen von Shoharie nach New York, um sich ein Exemplar von „Arndts wahres Christenthum“ zu verschaffen. Auch hat er selbst einige Kirchenlieder gedichtet, die sich freilich mehr durch Rechtgläubigkeit, als durch poetischen Gehalt auszeichnen. Seine älteste Tochter heirathete den berühmten lutherischen Prediger Heinrich Melchior Mühlenberg, der 1742 nach Amerika gekommen war. Zwei Söhne dieser Ehe waren der spätere Revolutions General Peter Mühlenberg, und der erste Congres- Präsident, Friedrich August Mühlenberg.

Ungefähr eine Meile unterhalb Reading, auf einem kleinen Hügel, ist Weiser begraben. Unter Gestrüpp und hohem Gras liegt der Leichenstein von rotem Sandstein. Die Inschrift lautet:

„Dies ist die Ruhestätte des weiland ehrsamgeachteten M. Conrad Weiser. Derselbige ist geboren 1696, den 2. November, in Astädt im Amt Herrenberg im Würtemberger Lande, und gestorben 1760, den 17 Julius, ist alt geworden 63 Jahre, 8 Monate, 13 Tage.




Weiser, Johann Conrad, Pietist, Indianerfreund und Dolmetscher; * 2.11. 1696 in Herrenberg bei Böblingen/Württemberg, + 13.7. 1760 bei Womelsdorf/Pennsylvanien.- Weiser wanderte 1710 nach Nordamerika aus und fand schließlich im multireligiösen und toleranten Pennsylvanien (Tulpehocken) eine neue Heimat. Durch intensive Kontakte mit den Indianern (Mohawk, Irokesen) eignete er sich umfangreiche Kenntnisse über ihre Sprache und Kultur an und avancierte zum bedeutendsten Unterhändler und Bevollmächtigten in Fragen der Indianerpolitik für die Kolonialregierungen von Pennsylvanien und Virginia. Durch den Einfluß Weiser’s gelang es, den irokesischen Indianerbund der „Sechs Nationen“ für die Interessen der Siedler zu gewinnen. Als sprachbegabter Diplomat verhandelte er geschickt zwischen den verschiedenen Indianerstämmen und den Siedlern und konnte so drohende Konflikte - beispielsweise 1743, als beinahe ein Krieg zwischen den Irokesen und den Bewohnern von Virginia ausbrach - entschärfen.- Von Geburt Lutheraner, schloß sich Weiser in Tulpehocken zunächst der Deutsch-Reformierten Kirche an und geriet im Zuge einer rel. Erweckung zeitweilig auch unter den Einfluß der sabbathaltenden und klosterähnlichen Täufergemeinschaft um Johann Conrad Beissel in Ephrata, der 1735 die Erwachsenen- bzw. Glaubenstaufe an ihm vollzog.- 1745 heiratete die älteste Tochter Weiser’s Heinrich Melchior Mühlenberg, den bedeutenden Führer des frühen Luthertums in Nordamerika. Weiser pflegte außerdem freundschaftlichen Umgang mit Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf - er rettete ihm 1742 auf einer Missionsreise sogar das Leben - und den mährischen Brüdern. Ab 1752 agierte Weiser als „Friedensrichter“ in Berks County und widmete sich zunehmend lokalpolitischen Aufgaben.