Berühmte deutsche Vorkämpfer für Fortschritt, Freiheit und Friede in Nord-Amerika von 1626 bis 1888.

Autor: Ruetenik, Herman Julius Rev. Dr. (1826-1914), Erscheinungsjahr: 1891

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Auswanderung, Auswanderer, Deutsche, Amerika, Schicksale, Wohlstand, Freiheit, Amerikaner, Vereinigte Staaten, Demokratie, Kongress, Gesetzgebung, Pennsylvanien, Ohio, Indiana, Illinois, Wisconsin, Iowa, Spekulanten, Spekulation,
Einführung. Die Deutschen in Amerika.

Die Deutschen in Amerika werden von unwissenden Leuten oft als eine bloß arbeitende Klasse von Menschen angesehen, als hätten sie nur durch den Schweiß ihres Angesichts oder durch die Geschicklichkeit ihrer Hände den Amerikanern zu dienen, damit diese um so größeren Wohlstand erringen könnten. Freilich ist nicht die deutsche, sondern die englische Sprache die beherrschende, und bei weitem die Mehrzahl der Bürger der Vereinigten Staaten spricht nicht deutsch, sondern englisch. Auch ist Amerika nicht ursprünglich von Deutschen, sondern von Englischen besiedelt werden, und das Englische wird sicherlich allzeit die Sprache des Landes und der Gesetzgebung, der Gerichte und der Geschäfte sein. Aber wer die Geschichte unsrer Vereinigten Staaten genau kennt, weiß auch, dass die deutsche Bevölkerung einen nicht unbedeutenden Anteil an der Entwicklung des amerikanischen Geistes und an den Errungenschaften des amerikanischen Volkes hat. Große Gebiete des Landes sind so dicht mit deutschen Ansiedlern bevölkert worden, dass die deutsche Sprache sich dort auf lange Zeiten eingebürgert hat, und deutsche Sitten und Gesinnungen dort herrschend, dauernd herrschend geworden sind. Solches ist vornehmlich in Pennsylvanien, Ohio, Indiana, Illinois, Wisconsin und Iowa der Fall. Überdies sind in allen Großstädten die Deutschen so zahlreich vertreten, dass ihre Kirchen, Vereine, Schulen und Stadtviertel ein entschieden deutsches Gepräge tragen und mit Selbstbewusstsein auftreten. Deutsche Männer von hervorragendem Einfluss findet man nicht nur in den Gesetzgebungen der einzelnen Staaten, sondern auch im Bundes-Kongress und sogar im höchsten Rate des Volkes, unter den Staats-Sekretären des Präsidenten. Man findet sie als Kaufleute, als Millionäre, als Großfabrikanten; als Generäle, als Professoren in den Hochschulen, als Gründer und Leiter von Kirchengemeinschaften; als Schriftsteller ersten Ranges, wie als Pioniere der Ansiedlung in den dunkeln Urwäldern, wie in den endlosen Prärien.

Im Ganzen wohnen in den Vereinigten Staaten von zwei bis drei Millionen eingewanderte Deutsche, und fünf bis sechs Millionen deutschredende Personen. In der Stadt New York allein wohnen mehr Deutsche als in Hamburg. Etwa 1.200.000 Deutsche in den Vereinigten Staaten gehören zur römisch-katholischen Kirche und etwa 2,500,000 zu verschiedenen protestantischen. Die übrigen beteiligen sich an gemeinnützigen Vereinen, und nur sehr gering ist die Zahl derer, die nur für sich selbst, für ihren eignen Lebensunterhalt und den ihrer Familie arbeiten und sorgen, ohne im Verein mit andern an der Lösung der allgemeinen Aufgaben oder an der Hebung des Volkes zu arbeiten.

Da die Deutschen eine der herrschenden Nationen der Welt sind, ein Volk, welches im Mittelpunkt und Herzen Europas ein mächtiges Reich bildet, ein Volk, das nicht durch Mischung verschiedener Nationen zusammengesetzt ist, sondern ein Urvolk, das sich seit mehr als tausend Jahren aus sich selbst entwickelt hat, und das als Vormacht der germanischen Nationen den romanischen gegenüber eine klare, große Tendenz vertritt, welche es vornehmlich in der Zeit der Reformation siegreich und fruchtbar zum Besten der ganzen Menschheit in großartigster Weise geltend gemacht hat: so lässt sich von vorn herein annehmen, dass auch in Amerika die Deutschen die großen Erbgüter ihrer Nation vertreten und ihr Wesen selbständig zum Besten der amerikanischen Nation in deren Wesen eingraben, einpflanzen und einpfropfen werden. Amerika würde ein andres Land und das amerikanische Volk ein andres Volk sein, als es ist, wenn nicht Millionen von Deutschen als solche an der Gestaltung des Landes und an der Gesittung des Volkes mitgearbeitet hätten. Große Güter, nicht bloß leiblicher, sondern auch geistiger Art, verdankt Amerika dem deutschen Element.

Hauptsächlich zeichnet sich das Deutschtum in Amerika durch seinen Freiheitssinn aus. In der ältesten Geschichte des Staates New York schon finden wir die deutschen Gouverneure Minnewit und Leisler als Bannerträger der bürgerlichen Freiheit. Im Befreiungskriege hoben die Deutschen des Mohawktales im Staate New York einhellig die Fahne der Unabhängigkeit gegenüber der britischen Unterdrückung empor; unter den Deutschen in Pennsylvanien ward kaum ein Tory gefunden, in der dunkelsten Stunde jenes denkwürdigen Befreiungskrieges, in Valley Forge, fand Washington an den pennsylvanischen Regimentern die festeste Stütze, und die erste Unabhängigkeits-Erklärung ging von dem deutschen County Mecklenburg in den Carolinas aus. Der helle Ruf der Unabhängigkeit wurde in jenen Gebirgen zuerst von deutschen Männern erhoben und pflanzte sich mit wachsendem Schall und Donner fort von Berg zu Berg, von Tal zu Tal, bis er in der deutschesten der damaligen Städte - Philadelphia - in der ewig denkwürdigen Unabhängigkeits-Erklärung zum Glockengeläute eines freien Landes wurde.

Und wiederum, als das dunkle Ungetüm der Negersklaverei wie ein Polyp seine schleimigen Arme immer weiter und weiter im Lande ausstreckte, um in der Hand von politischen Ränkeschmieden die Freiheit unseres Volkes zu einem Spott und einem Beiwort zu machen, da waren wiederum die Deutschen die ersten, die sich mit den Gegnern der Sklaverei zum kühnen Rat und mit den Verteidigern der Union zur blutigen Tat verbanden, und auf hundert Schlachtfeldern floss deutsches Blut für Freiheit und Vaterland.

Und immer, wenn eine der herrschenden politischen Parteien die Parteigeißel allzu rücksichtslos schwingt und die Parteizügel allzu schroff anzieht, ihre Anhänger durch dick und dünn, durch Recht und Unrecht rücksichtslos mit sich fortzureißen, sind die Deutschen die ersten, welche das Recht des freien Urteils geltend machen, der Partei gegenüber ihre Unabhängigkeit am Stimmkasten wahren.

Zum andern zeichnet das Deutschtum in Amerika sich durch seine Nüchternheit aus. Oft gleicht der amerikanische Volksgeist einem hitzigen Ross, das im Eifer des Laufes sich durch keine Zügel mehr von Abgründen und Gefahren bewahren lässt, kein Maß und keine Schranken mehr kennt, sondern in sich überstürzendem Fortschritt allen Grund und Boden unter den Füßen verliert, sei es nun, dass es sich um Frauenrechte handle, oder um die Gefahren berauschender Getränke, oder um der andern Übel eines. Dann wird man den deutschen Bürger Amerikas immer da finden, wo es gilt, den Unbedacht zu mäßigen, den Eifer weislich zu hemmen und dafür zu sorgen, dass nicht der gute Gedanke des richtigen Fortschritts durch Übertreibung zu einem Zerrbild werde. Denn der Deutsche ist von Jugend auf gewöhnt, selbständig zu denken, und folgt selten gedankenlos dem Geschrei der Masse, oder dem Gaukelspiel des Demagogen.

Endlich ist der Deutsche ausdauernd, sparsam, mit geringem, aber sicherem Erwerb zufrieden, und bildet dadurch ein heilsames Gegengewicht gegen die dem amerikanischen Volke eignen periodischen Fieber der Spekulation, durch welche öfter der Wohlstand von Millionen Familien und der Erwerb von Jahrzehnten mit hitzigem Wagnis aufs Spiel gesetzt wird. In solchen Zeiten knöpft der Deutsche Rock und Tasche zu, lässt Spekulanten, Spekulanten sein, und geht geduldig hinter seinem Pfluge her, oder schafft still und stätig in seinem Geschäft. Ihn kümmert’s nicht, dass sein englischer Nachbar plötzlich reich geworden, in goldner Karosse an ihm vorübersaust, denn er weiß wohl, dass die Toten schnell reiten, und ihm ist wohlbekannt das alte Wort: Wie gewonnen, so zerronnen. Und wenn dann die Paläste der Emporkömmlinge am Wanken und die Banken am Brechen sind, schleppt er den vollen Geldsack gemächlich zur wohlbezahlten Hilfe in der Not herbei.

Dabei wird aber der rechte Deutsch-Amerikaner nie vergessen, daß er nicht in Deutschland, sondern in Amerika ist. Er liebt die amerikanische Republik noch mehr, als den deutschen Kaiser. Bismarck ist ihm ein glorreicher Fürst, aber er ist doch nur ein Fürst. Glorreicher als Bismarck ist ihm das sternbesäte Banner der Republik. Teuer ist ihm der Ort, wo seine Eltern begraben sind und wo seine Wiege stand. Oft gedenkt er der alten Heimat in stiller Sehnsucht, gern macht er auch mal, wenn er kann, die Reise übers Meer, aber nicht um dort zu bleiben. Er weint dort seine Tränen des Heimwehs, aber dann richtet sich der Blick wieder dem Lande der untergehenden Sonne zu, dem Lande, das ihm einst als Fremdling oder als Flüchtling Zuflucht und Herberge bot, dem Lande seiner Kinder. Darum will er nicht Deutscher nur sein, sondern Deutsch-Amerikaner. Gern lernt er vom Amerikaner die flinke Weise zu arbeiten, die findige Weise des Vorteils, die Geschicklichkeit der Benutzung aller Umstände. Gern lernt er vom amerikanischen Nachbar das menschliche Gebot der Duldsamkeit gegenüber andersdenkenden, die Gelassenheit im Ertragen von Unannehmlichkeit und Verdruss, das selbstbewusste sich selbst helfen in schwierigen und widrigen Verhältnissen. Als freier Bürger bewegt er sich unter gleichberechtigten Mitbürgern; die Hörner hat er in Deutschland gelassen, oder sie hier sich abgestoßen. Er verlangt nicht, sie wieder wachsen zu lassen.

Ein Neu-Deutschland oder ein Klein-Deutschland in Amerika aufzurichten, ist nicht sein Sinn. Die deutsche Sprache ist ihm ein hohes Gut, aber nicht das höchste, dem man alles opfern müsse. Die deutsche Sitte ist ihm ein teures Erbteil der Vorväter, aber Religion ist sie ihm nicht. Höher als die Form gilt ihm der Inhalt, höher als Sprache und Sitte der Geist und die Gesinnung. Diese sollen unverändert, kernhaft deutsch bleiben, neben jenen aber will er die Landessprache und die Landessitte gern sich aneignen. Und das ist wahrlich sein Schaden nicht.

Die geschichtliche Entwicklung des Deutschtums in Amerika zerfällt in fünf Zeitabschnitte. Im ersten Abschnitt bis gegen das Jahr 1700 treten die Deutschen in Amerika nur vereinzelt auf, doch spielen auch in diesem Zeitalter einige Deutsche hier schon hervorragende Rollen.

Im zweiten Abschnitt bis gegen das Jahr 1800 sammeln sich Deutsche massenhaft in Newyork, Pennsylvanien und den Carolinas, und viele von ihnen beteiligen sich mit Kraft und Ruhm am Befreiungskriege.

Im dritten Abschnitt bis gegen das Jahr 1830 ist wenig Einwanderung, nur ein einziger Deutscher von hervorragendem Charakter ist in diesem Zeitraum zu nennen.

Der vierte Abschnitt umfasst die Jahre 1833 bis 1848 reich an revolutionären Bewegungen in Deutschland. Über eine Million Deutscher sind von 1830 bis 1850 in Amerika eingewandert. Die amtliche Zahl ist 1,065,984. Sie wurden durch die Unruhe der Zeit und des Zeitgeistes aus ihren väterlichen Sitzen vertrieben, und mit ihnen kamen Hunderte von Revolutions-Führern. Ihre Ideale wurden in Deutschland zwar nicht ausgeführt, aber gute Gedanken waren darin, und diese sind in Amerika meist fruchtbare Keime geworden.

Der fünfte Abschnitt, von 1850 bis jetzt, umfasst die Zeit der Erhebung Deutschlands. Es sind die Jahre von Sadowa und Sedan. Sie bringen eine Einwanderung von 2,773,000 Seelen, unter denen viele hervorragende Männer, übers Meer. Der Deutschamerikaner lebt nun mehr in der Gegenwart, als in der Zukunft, und er kann es auch, denn der Deutsche ist nun hier angesehen und geachtet, und bereitwillig bewahrt man ihm deutsche Staatsschulen und deutsche Kandidaten auf dem Wahlzettel, denn der amerikanische Politiker muss jetzt mit dem deutschen Element rechnen, wenn er siegen will, und das will er.


Weiterführende Literatur zum Thema berühmte Persönlichkeiten, in diesem Falle Frauen von Gertrude Aretz, 1940.

New York - Coney Island

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New York - Hafen 1

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New York - Hafen

New York - Hafen

New York - Hafen-Kai

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New York - Umland, Bauern beim Pflügen

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New York - Umland, Farmhaus

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New York - Jamaica-Bay

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