Minnewit, Peter (1590 - 1647) Gouverneur von Neu Niederland.

Peter Minnewits Name wird verschieden geschrieben. Er selbst schreibt ihn zuweilen Minuit, nach französischer Weise. Andre machten Menewe daraus, oder Meneve, oder Menuet. Er wurde ums Jahr 1590 in Wesel am Nieder-Rhein geboren, der Sohn wohlhabender, angesehener Eltern, welche ihn Theologie studieren ließen. Nach beendigten Studien erwählte ihn die dortige reformierte Gemeinde zum Diakon. Es waren aber damals unruhige Zeiten. Der Herzog von Cleve starb 1609 kinderlos, und nun stritt der protestantische Kurfürst von Brandenburg mit dem katholischen Pfalzgrafen von Neuburg um das Erbe. Letzterem standen die Spanier, welche damals Belgien in Besitz hatten, bei, und der spanische General Spinola eroberte Wesel im Jahre 1609. Da war denn Minnewits Bleiben nicht in seiner Vaterstadt, und er flüchtete nach den Niederlanden, wo seine Glaubensgenossen sich vom spanischen Joch frei gemacht und eine mächtige, blühende Republik begründet hatten, deren Schiffe alle Meere befuhren. In deren Auftrag hatte Hudson im selben Jahre, als die Spanier Wesel eroberten, den nach ihm benannten Hudson in Amerika entdeckt und als Entdecker die angrenzenden Landstriche für die Niederlande in Besitz genommen. In Folge davon hatten holländische Kaufleute Handelsstationen am Hudson gegründet, welche um so leichter gediehen, als die am Hudson wohnenden Indianer ungewöhnlich furchtsamer und freundlicher Art waren. Im Jahre 1621 bildete sich in Holland eine große Gesellschaft reicher Kaufleute unter dem Namen der Holländisch-Westindischen Compagnie, welche auf 24 Jahre volle Gewalt über alles holländische Gebiet auf dem amerikanischen Festland erhielt. Diese Gesellschaft erkannte in Peter Minnewit einen mit sehr guten Schulkenntnissen ausgerüsteten, ernsten, scharfblickenden und äußerst tätigen Mann, dem man wohl die Leitung schwerer Unternehmungen anvertrauen durfte. Sie bedurfte eines solchen für ihre Niederlassungen am Hudson. Bereits zwei Gouverneure oder General-Direktoren hatte sie nach dem Hudson gesendet, May und Verhulft, den ersten mit 30 Kolonisten-Familien, den zweiten mit 200 Kolonisten. Sie hatten die Forts Uranien, am oberen Hudson, jetzt Albany, und Neu-Amsterdam, jetzt New York, an der Mündung des Hudson, erbaut. Sie hatten ganze Herden von Rindvieh, Schafen und Schweinen hinübergesendet und unter die Kolonisten verteilen lassen, aber kaum hatten die ,,General-Direktoren“ die Ufer Amerikas betreten, so hatten sie sich schon wieder beeilt, mit nächstem rückkehrenden Schiffe das raue Land zu verlassen und die traute Heimat wieder aufzusuchen. So waren die Kolonien sich selbst überlassen geblieben und hatten nur geringe Fortschritte machen können. Von Peter Minnewit hofften sie besseres.

Am 4. Mai 1626 landete er mit reichlichen Vorräten und ausgedehnten Vollmachten versehen in der Mündung des Hudsonflusses. Er fand eine Stadt von dreißig Häusern vor, von Blöcken erbaut, mit Strohdächern gedeckt, hölzernen Schornsteinen an den Wänden, in einer unregelmäßigen Reihe das Ufer besäumend. Das war das damalige New York.


Peter Minnewit erkannte als seine erste Pflicht den Schutz der Kolonisten vor Indianern und Seeräubern. Das Land gehörte den Indianern; zu jeder Zeit konnten sie es als ihr Eigenthum beanspruchen, und wenn das auch von ihrem furchtsamen Charakter wenig zu erwarten war, So widerstrebte es doch Minnewit’s Rechtssinn, ihre Schwäche oder Unkenntnis auszubeuten. Er rief sie zu einer freundlichen Besprechung zusammen und kaufte ihnen um 60 holländische Gulden, etwa 24 Dollars nach heutigem Wert, die Manhattan - Insel ab. Das Gebiet lag zwischen dem Hudson, dem East-River und dem Haarlem, umfasste 20,000 Acker und bildet jetzt den ältesten Teil der Stadt New York. Nachdem er das moralische Recht an das Land erworben, war seine nächste Sorge, dies gute Recht durch gute Wehr zu schüren. Ein steinernes Fort ward an der Südspitze erbaut und das Stadtgebiet mit Palisaden umgeben - eine für die damaligen Kräfte der Kolonie nicht unerhebliche Arbeit.

Das nächste Ziel war die Heranziehung von mehr Kolonisten und die Anlegung neuer Ansiedlungen. Die Wallonen in dem unter spanischer Herrschaft verbliebenen südlichen Teil der Niederlande wurden ihres reformierten Glaubens wegen gezwungen, ihre Heimat zu fliehen. Aus gleicher Bedrängnis wie Minnewit kommend, folgten sie gern seiner Einladung nach Amerika, damals dem Zufluchtsort der um ihres Glaubens willen Verfolgten aller Länder, der Puritaner aus England, der Hugenotten aus Frankreich, der Protestanten aus Deutschland. Mit größtem Organisations-Talent ausgestattet, wie Minnewit es war, verstand er es, den neuen Ankömmlingen beim Betreten des Landes vorher zu rüsten, was sie an Bequemlichkeiten gebrauchten, passende Anführer aus ihrer Mitte zu ernennen, ihnen geeignete Plätze zur Niederlassung anzuweisen, und ihnen in Widerwärtigkeiten Aufmunterung durch Wort und Tat zu gewähren. Die Ufer des Long Island Sundes begannen sich zu bevölkern. Brooklyn ward gegründet.

Erster Erwerbszweig der Kolonisten war der Pelzhandel. Bären, Hirsche, Büffel und anderes Wild bevölkerte reichlich die Wälder. An den Flüssen hausten zahlreiche Kolonien von Bibern mit dem kostbarsten Fell, das in Europa höher als alle andre geschätzt ward. Minnewit erkannte mit richtigem Scharfblick, daß der Handel mit Pelzen auf Jahre noch der wichtigste Erwerbszweig der Kolonie bleiben musste. Er sandte Expeditionen zu Wasser und Land nach allen Richtungen aus, um die ergiebigsten Jagdgründe an den Wassern und in den Wäldern zu erspähen, und dirigierte dann die Ansiedler dorthin. Er sorgte dafür, daß die Indianer durch gerechte und rücksichtsvolle Behandlung in jeder Weise ermuntert wurden, ihre Jagdbeute nach Neu Amsterdam zu Markte zu bringen. Er ließ selbst Schiffe im Hafen bauen, denn obwohl mancherlei dazu fehlte, fand sich das herrlichste Bauholz im Überfluss vor. Das erste der durch ihn erbauten Schiffe hielt 600 bis 800 Tonnen und war das größte der damals in der ganzen Welt vorhandenen Ozean-Schiffe. Bald konnte die Kolonie auf ihren eignen Schiffen ihre Erzeugnisse nach Holland aufs vorteilhafteste zu Markte bringen.

Aber noch war das, was die Kolonisten aus Holland an Lebensbedürfnissen beziehen mußten, viel mehr und kostete viel mehr Geld, als was sie dorthin verkaufen konnten. Das konnte so nicht fortgehen. Deshalb begünstigte Minnewit die Bebauung des Landes, und um das selbst-gezogene, auf dem jungfräulichen Erdreich in überraschender Fülle wachsende Getreide vorteilhaft verwerten zu können, ließ er Mühlen bauen. Bald grüßten die auf hohem Unterbau leicht drehbaren, mit ungeheuren Flügeln versehenen holländischen Windmühlen die neu ankommenden Kolonisten an allen Ufern, von allen Höhen, und statt Mehl von Holland teuer beziehen zu müssen, konnte man es nun dorthin senden.

Im Jahre 1628 führte die Kolonie bereits Pelzwerk für 28,000 Gulden aus, und im Jahr 1631 betrug die Ausfuhr an allerlei Gütern schon 130,000 Gulden, ebenso viel wie der Geldwert der Einfuhr.

Mit den Pilger-Puritanern in New Plymouth, mit welchen unter den folgenden Gouverneuren die Neu-Niederländer so manchen blutigen Strauß fochten, da zwischen ihnen das Gebiet des Connecticut Flusses von beiden beansprucht ward, hielt Minnewit Freundschaft und Friede. Sie waren gleich ihm und den Seinen Flüchtlinge um des Glaubens willen, von gleichen Grundsätzen des sittlichen Ernstes, der Freiheitsliebe, des Unabhängigkeits-Sinnes. Warum sollten sie streiten? Das Land war groß genug für beide. Zweimal im Jahre 1627 sandte Minnewit Gesandtschaften nach Plymouth mit freundlichen Grüßen und Einladungen. Und in ebenso herzlicher Weise sandte der dortige Gouverneur Bradford Grüße zurück. Er ließ sogar dem Minnewit sagen, daß die englische Regierung das Gebiet am Hudson als ihr Eigentum beanspruche, daß aber die Kolonisten in Plymouth bereit wären, ihnen gesetzliche Besitztitel über alles Land zu geben, wenn sie darum nachsuchten.

Leider sollte dieser schöne Zustand nicht lange dauern. Die Westindische Campagnie ließ sich durch ihren Wunsch schnellerer Besiedlung des Landes und durch ihre europäischen Vorurteile zu einen Schritt hinreißen, der sich mit Peter Minnewit’s Grundstufen der Menschlichkeit und Unabhängigkeit schlecht vertrug. Im Jahre 1629 erließ sie einen Freibrief von Privilegien, durch welchen eine Art von adligen Großgrundbesitzern geschaffen wurde. Man legte ihnen den Titel von Patronen, patrons, bei. Ein solcher Patron durfte sich einen Landstrich von 8 Meilen Länge am Ufer eines schiffbaren Stromes, oder 16 Meilen Länge im Inneren aussuchen und als Eigentum unter holländischer Oberhoheit behalten unter der Bedingung, daß er das Land den Indianern abkaufte, und daß er binnen fünf Jahren wenigstens fünfzig Personen auf dem Gut ansässig machte. Ein solches Gut hieß ein Manor. Der Patron übte auf demselben dieselbe Gerichtsbarkeit über alle Kolonisten aus, wie ein europäischer Edelmann. Unter diesem Charter wurden zunächst fünf große Edelste belegt, und es wurde eine Anzahl aristokratischer, mächtiger Familien geschaffen, welche die Armen bedrückten und jedem wohlwollenden Regiment, wie es Minnewits war, unübersteigliche Hindernisse in den Weg legten. Bis auf unsre Tage noch erstrecken sich in den anti-rent troubles die Nachwehen jenes unglücklichen Missgriffes. Den Ränken dieser Großen erlag Minnewit. Im Jahre 1631 kam seine Abberufung, und im Jahre 1632 reiste er von New Amsterdam ab.

Wie wohltätig sein Regiment gewesen war, erwies sich bald. Die Indianer wurden misshandelt und erhoben sich. Ein blutiger Krieg entspann sich. Einmal überfielen die Holländer ihrer hundert wehrloser Indianer im Versteck und ermordeten jede Seele. Wiederum überfielen die Indianer die Niederlassungen. Zuweilen schien es, als müsse die Kolonie aufgegeben werden. Auch mit den Puritanern in Plymouth gab es Streit, und die Holländer wurden genötigt, das Stromgebiet des Connecticut aufzugeben.

Peter Minnewit suchte in Holland die Spitzen der West-indischen Gesellschaft vom wahren Stand der Dinge zu überzeugen, aber es gelang ihm nicht. Nun wendete er sich nach Schweden. Dies war damals eine sehr ansehnliche Macht. Der große Gustav Adolph hatte, ehe er den Protestanten in Deutschland zu Hülfe zog, weitgehende Pläne zur Gründung von Kolonien in Amerika gemacht, aber der Krieg in Deutschland hatte seine Geldmittel und seine Gedanken wieder ganz davon abgezogen. Im Jahre 1632 war er bei Lützen gefallen. Sein großer Kanzler Oxenstiern nahm die fallengelassenen Kolonisationspläne wieder auf, erneuerte den Freibrief der früheren Gesellschaft, und diese ward durch Wilhelm Usselinx, der früher mit der holländisch-westindischen Compagnie verbunden gewesen war, auf Minnewit als den passendsten Leiter des neuen Unternehmens aufmerksam gemacht, sowohl seiner Erfahrungen als auch seiner Erfolge wegen.

Spät im Jahre 1637 verließen zwei Schiffe mit fünfzig schwedischen und finnischen Ansiedlern unter Minnewits Leitung den Hafen von Gothenburg. Sie hießen der ,,Greif“ und ,,Schlüssel von Colmar“, und im folgenden Februar landeten sie am Delaware Strom. Den aus rauem Norden kommenden, durch eine winterliche, lange Seefahrt erschöpften Schweden erschienen die grünen, sonnebeschienenen und laubbewaldeten Ufer des Delaware als ein wahres Paradies. Nie zuvor hatten sie ein Land von solcher Schönheit gesehen, eine so milde Luft geatmet. An einer Uferbucht im nördlichen Teil des jetzigen Staates Delaware landeten sie, und unter Minnewits umsichtiger, tatkräftiger Leitung erbauten sie ein Fort, das sie nach der jungfräulichen Königin von Schweden Christiana nannten, und welches bald von den Blockhütten der rüstigen Ansiedler umgeben war. Lustig ließen starke Männer im Walde die Axt erklingen, traulich entsendeten emsige Weiber den blauen Rauch von den Herden der neuen Heimat. Vorher aber hatte der redliche Minnewit nicht verfehlt, den Indianern ihr Eigenthum abzukaufen. Ein paar Kessel war alles, was sie verlangten.

Als ersten Erwerbszweig begründete er wieder, wie in New-Amsterdam, den ergiebigen Handel mit Pelzen. Er wusste die Indianer so gerecht zu behandeln und auch seine Leute zu solchem Verfahren mit ihnen zu bewegen, daß aus weitem Umkreis sie lieber nach Neu-Schweden, so nannte er seine Niederlassung, kamen, als nach dem schon 20 Jahre früher in Virginien gegründeten Jamestown, das nicht sehr weit davon ab lag. Schon im selben Jahre, 1638, konnte er eine reiche Ladung Pelze nach Schweden schicken. Und so günstig, ja begeistert lauteten die Briefe, welche die Kolonisten heim sandten, daß eine fast massenhafte Einwanderung aus Schweden in Fluss kam. Im Jahre 1640 mußten einmal, als die Schiffe mit Kolonisten von Schweden absegelten, nicht weniger als hundert Familien aus Mangel an Raum zurückbleiben. Selbst ans Holland kamen Kolonisten. Schnell bedeckten die Ufer des schönen Delaware Stromes sich mit Dörfern und Geschäften Fruchtfeldern und Gärten. Von allen Geschichtsschreibern wird anerkannt, daß diese Schweden von allen Ansiedlern Amerikas die tugendhaftesten und fleißigsten, und das Aufblühen der von Minnewit geleiteten Kolonie beispiellos war.

Aber lange sollte die Herrlichkeit nicht dauern. Bereits im Jahre 1647 erlag Minnewits, durch mancherlei schwere Schicksalswechsel geschwächter Körper den herannahenden Schwächen des Alters. Nahe beim Fort Christiana haben liebende Hände ihn ehrenvoll begraben, und dort ruhen noch seine Gebeine.

Dann kamen Stürme. Das Mutterland hatte keinen zweiten Minnewit zu entsenden. Der furchtbare dreißig-jährige Krieg nahm alles in Anspruch. Im Jahre 1655 nahmen die Holländer von New-Amsterdam aus Neu-Schweden in Besitz, und von ihnen ging es in Besitz der Engländer über.