Die Kirche und das Gymnasium zum grauen Kloster

Schon um das Jahr 1271 hatten die Markgrafen Otto der Lange und Albrecht (Söhne Ottos III) den Mönchen des heiligen Franziscus den Platz, wo Ihr heute die Klosterkirche und die Gebäude des grauen Klosters findet, zur Gründung eines Gotteshauses geschenkt. Doch wissen wir, dass der Bau desselben erst um 1392 begonnen worden ist. Der Orden der Franziskaner ist im Jahre 1210 gestiftet, nachdem Franz von Assisi, jener für den Glauben an Christum so begeisterte Mann, die Regel, welche er Allen, die ihm nachfolgen wollten, vorschrieb, vom Papste hatte bestätigen lassen. Franz, der Sohn eines Kaufmanns, wurde in der italienischen Stadt Assisi 1182 geboren. Er verließ sein Vaterhaus, um in den Bergen des Apennin ganz frommen Betrachtungen zu leben. Dort hat er in glühender Liebe zu seinem Erlöser, in heiliger Sehnsucht, der Nachfolge Christi gewürdigt zu werden, so brünstig der Welt und seine eignen Sünden beweint, dass er fast erblindete. Sein Vater, erzählt die Legende, hat ihn später in einen Keller eingesperrt, weil er all sein Gut den Armen verteilte. Doch floh er aus dem Kerker, nachdem ihm im Traume Waffen mit einem Kreuz bezeichnet erschienen, und er auf die Frage: für wen die Waffen? die Antwort erhalten zu haben meinte: für dich und deine Streiter. Nun zog er betend und bekehrend durch die Lande, und als er sich im Jahre 1224 auf einer der Apenninen-Kuppen aufhielt, soll ihm dort ein Seraph erschienen sein, der ihm auf sein Gebet, die Wundenmale unseres Heilandes zu empfangen, die Hände, Füße und rechte Seite durchbohrte. Zwei Jahre lang hat er aus diesen Wunden geblutet und ist dann am 4. Oktober 1226 gestorben. Um dieses Wunders wegen ist Franz von Assisi heiliggesprochen worden, seine Nachfolger aber, die Franziskanermönche, haben die Rechte erhalten, von Jedem Almosen zu fordern, Messe zu lesen, Beichte zu hören, zu predigen und päpstlichen Ablass zu verkaufen, und dafür die Verpflichtung, kein anderes Eigentum als ihr Haus zu besitzen. Gewis recht nützlich sind zur Zeit, wo dieses Kloster gegründet wurde, kurz nach Einführung des Christentums in den Marken die guten Mönche gewesen, die so fromm, so gläubig, so beredt durch Tat und Wort den Herrn verkündeten. In einer Urkunde werden Otto, Albrecht und ein Ritter Jakob von Nebede, der dem Kloster seine Ziegelscheune gab, Gründer des Klosters, fundatores hujus monasterii, genannt. Um das Jahr 1574, als die Mönche nach der Reformation ausgestorben waren, hat man hier eine allgemeine Landesschule gegründet, die später, im Jahre 1767, Gymnasium wurde. Die Gebäude stehen noch fast wie sie vor Alters waren, die Kirche aber hat unser jetziger König, nachdem sie dem Einsturz nahe gewesen, so herrlich, mit Bewahrung ihres altertümlichen Charakters, wieder ausbauen lassen, wie Ihr sie heute schauen könnt, meine Lieben. In der Kirche befindet sich das Grabmal des Markgrafen Ludwigs des Römers (der von 1351 — 1365 regierte), und viele alte Bilder werden Euch, wenn Ihr sie betrachtet, in die Zeit versetzen, wo hier die grauen Mönche beteten.

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Vielleicht, wenn Ihr aus der Kirche tretet, dringen aus der Ferne Glockentöne an Euer Ohr, die feierliche Weise eines Chorals vernehmen lassend. Sie kommen von dem Turme der unweit der Klosterkirche, in derselben Straße, stehenden Parochialkirche. Diese, durch ihre schwarzgraue Farbe von düsterem Ansehen, wurde von 1693 — 1703 erbaut, ihr Turm zehn Jahre später. Das schöne Glockenspiel hat 57 Glocken, das alle Viertelstunden die Weise eines geistlichen Liedes spielt vermittelst einer messingenen Walze, die Friedrich I für 12.000 Gulden gekauft hat. Die Kirche hat gut angelegte Grabgewölbe, worin die Körper der dort Beigesetzten nicht verwesen, sondern nur vertrocknen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin