Das Lagerhaus in der Klosterstraße

Habt Ihr, indem Ihr vielleicht über die Höfe des sogenannten Lagerhauses von der Klosterstraße in die neue Friedrichsstraße ginget, die Baulichkeit angesehen? Wohl nicht mit dem Bedacht, mit dem Ihr es sicher tun werdet, wenn ich Euch erzählen werde, dass sie zu den ältesten bedeutenden Gebäuden unserer Stadt gehören, die noch ihre bewohnbaren Räume enthalten. Die askanischen, baierschen und luxemburgischen Markgrafen, wenn sie in die Mark kamen, haben ihr Hoflager zu Salzwedel, Stendal oder Tangermünde gehalten. Doch begaben sie sich öfter in die Städte an der Spree. Im Jahre 1280 ist der erste Landtag hier gehalten worden. Wir nehmen an, dass zu dieser Zeit noch kein markgräfliches Haus erbaut war, denn als Karl IV 1375 in die Mark kam, fasste er den Entschluss, zu Tangermünde ein Schloss zu bauen. Doch wurde dieser nicht ausgeführt, und wenige Jahre später der Grundstein zu diesen Gebäuden gelegt. Als Friedrich I von Hohenzollern in die Mark kam, wird dieser Baulichkeit unter dem Namen des hohen Hauses zuerst gedacht. Um Weihnachten 1415 haben unsere Vorfahren dem Vorfahren unseres Königs in einem Saale des hohen Hauses gehuldigt; hier also ist für alle Zeiten das Schicksal der Marken an das Schicksal unseres Fürstengeschlechtes gebunden worden. Die Stände der Marken und die Bürger der Städte haben hier ein feierliches Gelöbnis getan, das für alle Zeiten gelten soll. Nach der Huldigung hat Friedrich oft hier im hohen Hause Hof gehalten mit seiner wunderlieben Gemahlin, welche die Märker die „schöne Else“ nannten, aus baltischem Geschlecht, wie unsere jetzige Königin, die wir die „liebe Elise“ nennen dürfen, weil sie allen Menschen, besonders den armen Kindern so gnädig und hold ist. Im Jahre 1420 ist dem ersten Hohenzoller hier eine Tochter geboren worden, Dorothea, nachherige Herzogin von Mecklenburg. Das hohe Haus, von einem Garten umgeben, soll zu seiner Zeit gar stattlich dagestanden, dem Kurfürsten Raum für seine Hofhaltung geboten haben. Als aber die neue Burg zu Cöln von Friedrich II gebaut war, hat dieser Fürst dem Ritter Georg von Waldenfels 1451 „unsern alten Hoff und hohe Haus zum Berlin, da wir selbst ingewohnt haben“ als rechtes Burglehen übergeben. Wir wissen, dass gegen 1550 Henning Ryke oder Reiche, aus einem alten bekannten Berliner Geschlecht das hohe Haus zu Lehen trug. Dann ist es dem Kurfürsten heimgefallen, und zur Zeit Friedrich Wilhelms als Wohnung des Gouverneurs der Stadt benutzt worden. Von 1705 — 1712 ist eine Ritterakademie, die Friedrich I gründete, hier gewesen. 1713 hat der Minister von Kraut, in dessen Besitz das hohe Haus durch Königliche Gnade kam, hier ein Lager von Wolle errichtet, die er auf eigne Kosten ankaufte und den Tuch- und Zeugwebern die Wolle zu ihren Arbeiten lieferte, und dann ihnen die Zeuge zu bestimmten Preisen abnahm, die er hier in diesen Räumen lagerte, wodurch das hohe Haus den Namen Lagerhaus bekam. Diese überaus wohltätige Einrichtung hat den Grund zu den nachher so bedeutenden Wollmanufakturen in Berlin und in der Mark gelegt. Der brave Mann, der sein Geld auf diese Weise so nützlich anlegte, indem er die Wolle kaufte und zu guten Bedingungen den Webern überließ, hat zu seiner Zeit schon das schöne Wort erfüllt, was jüngst ein edler Mann gesprochen: „Nicht auf einem Geldsack, sondern auf einem Wollsack sitzt der Präsident im englischen Parlament,“ womit er andeuten wollte, dass nicht das Geld, sondern des Geldes Wert, auf Grund und Boden, Verkehr und Abhilfe der Bedürfnisse verwendet, Bedeutung hat. Die Erben des edeln Kraut haben brav wie ihr Vater gehandelt, denn sie haben ihr bedeutendes Kapital, was sie im Lagerhause stehen hatten, 1723, als sie mit diesem Wollgeschäft nichts mehr zu tun haben wollten, dem großen Waisenhause in Potsdam überlassen. In diesen Räumen hat man dann eine Wollfabrik für Montirungstücher nebst dazu gehöriger Färberei errichtet. Später hat man die schönen, hellen Gemächer den Künstlern zu ihren Werkstätten überlassen. Hier hat unser größter Bildhauer, Rauch, sein Atelier, hier hat er seine herrlichsten Werke, die Statue der Königin Louise, das Reiterstandbild des großen Friedrich, geschaffen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin