Ein Pietist unter den Linden.

Nach einigen sehr staubigen, schwülen Tagen hatte es endlich geregnet. Der schönste Sonntagmorgen lockte unabsehbare Menschenscharen unter die Linden. Am Palais des verstorbenen Königs tritt mich ein Mann mit einem Orden im Knopfloche an: „Schönes Wetter.“ „Schönes Wetter.“ „Das macht Gott mit einem Wort. Unser Menschenwitz hätte das nicht machen können.“ „Schwerlich.“ „Und der Herr ist allerwegs mächtig und groß ist sein Name, ja groß in Ewigkeit.“ „Amen!“ Der Fremde begann hierauf mit kräftiger Stimme und vielem Redetalent eine Auseinandersetzung über die angeborne Sündhaftigkeit des Menschen. Da ich ruhig und fast teilnahmslos neben dem mir gänzlich unbekannten Manne herging, frug er mich mit fast zorniger Ungeduld: „Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen?“ „Vollkommen!“ „Halten Sie mich für einen Schwärmer?“ „Ich höre den Lärm, sehe aber kein Licht.“ Diese Antwort von dem schlichten Spaziergänger war dem Bekehrer unerwartet. Er sah mich groß an und ging. Zu Hause fand ich in der Rocktasche einen Bußtraktat. (Gedruckt bei Wohlgemuth.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin - Panorama einer Weltstadt