Abergläubische Meinungen und Gebräuche in Pommern und Rügen - Diebessegen

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Gesammelt von Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1840

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Sitten und Gebräuche,
In Pommern gibt es viele Menschen, welche den Dieb besprechen können, dass er mit den gestohlenen Sachen nicht fort kann. Das nennt man den Diebessegen. In Stettin lebte vor noch wenigen Jahren ein Schiffszimmermann, Namens Frank, der verstand den Diebessegen, und sprach ihn in folgender Weise: Er ging um den Platz, auf welchem der Diebstahl befürchtet wurde, herum, von Osten nach Norden, bis er wieder zu der Stelle kam, von der er ausgegangen war. Dabei sprach er folgende Worte:

      Da kommen drei Diebe gegangen.
      Maria sprach: Peterus, Peterus, Peterus!
      Binde, binde, binde! —
      Ich habe gebunden mit eisernen Ketten,
      Kein Mensch, als nur Einer, kann ihn davon retten!
      Er soll sehen und hören die ganze Nacht,
      Die Sterne am Himmel, den Glockenschlag,
      Unempfindlich wie ein Block,
      Steif wie ein Stock!
      Die Lösung überlasse ich dir,
      Den Schlüssel nehme ich zu mir!
      Wird er schwarz, bleibt er weiß,
      Es macht mir nicht im Geringsten heiß!
      Nur keinen Vorwurf,
      Gib mir den Schuft!

Wenn nun nach solchem Bannspruch der Dieb kommt und stiehlt, so kann er mit dem Gestohlenen, sobald er es aufgeladen hat, nicht von der Stelle; er muss damit vielmehr die ganze Nacht stehen, bis zu Sonnenaufgang. Wenn die Sonne aufgeht, ist der Bann zwar gelöst, aber nun wird der Dieb in einen schwarzen Neger verwandelt, und der Banner kann niemals wieder einen Diebessegen sprechen. Darum muss der Banner auch vor Sonnenaufgang zu der Stelle zurückkehren, und den Dieb lossprechen. Dies tat der alte Frank mit folgenden Worten:

      Der Schlüssel, den ich habe,
      Und immer bei mir trage,
      Schloss auf das Grab des Herrn,
      Ich leih' ihn dir sehr gern;
      Der Schlüssel ist sehr groß;
      Womit ich dich jetzt löse los!

Nach solchen Worten lässt der Dieb seine Bürde fallen, und läuft eilig davon. Festhalten darf man ihn nicht; man darf ihm nicht einmal Vorwürfe machen, denn sonst kann der Banner ebenfalls nie wieder den Diebessegen sprechen. Man muss vielmehr zu dem weglaufenden Diebe sagen: Gehe in Gottes Namen! — Dann wird er niemals wieder stehlen.

Dem alten Frank wäre es mit dem Diebessegen einmal beinahe schlecht ergangen. Er hatte eines Abends eine Baustelle besprochen, auf welcher er viele Späne liegen hatte. In der Nacht verschlief er sich, und es war ganz nahe vor Sonnenaufgang, als er erst zu der Baustelle kam. Hier sah er seinen besten Freund stehen, der ihm hatte Späne stehlen wollen, und der mit einer großen Last auf dem Kopfe, über und über voll Schweiß, da stand und nicht von der Stelle konnte. In der Eile und Angst hatte der alte Frank auf einmal den Lösungsspruch vergessen, der ihm gar nicht beifallen wollte. Es waren nur noch drei Minuten vor Sonnenaufgang. Da kam er zuletzt zu einem raschen Entschluss. Er nahm sein Messer, und schnitt die Erde unter den Füßen des Diebes ganz durch. Darauf gab er diesem einen Stoß, dass er mit seiner Last umfiel. Auf diese Weise wurde der Dieb befreit; eine Minute später wäre er ein Neger geworden.

Daselbst.

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller

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Kriegsmann mit Beute beladen

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