Zwei Sturmflut-Sonette im Dezember 1872
Autor: Braun, Otto Dr. phil. h. c. (1824-1900) Journalist, Redakteur der Allgemeinen Zeitung in Augsburg, Herausgeber des Musen-Almanachs des Cotta-Verlags in Stuttgart, Erscheinungsjahr: 1872
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sturmflut, Ostsee, Naturkatastrophe, Überschwemmung, Küste, Strand
Hilferuf
Mir ist die Seele voll von grausen Bildern:
Ich sehe Städte die zerstört vom Feuer,
Und Schiffe seh’ ich ohne Mast und Steuer,
Und Schrecken die kein Mund vermag zu schildern.
Hört Ihr das Angstgeschrei? Mit immer wildern
Gewalten tobt der Sturmflut Ungeheuer;
Haus, Hof und Herd, was nur dem Menschen teuer,
Versinkt im Meer — o, helft den Jammer mildern!
Ja, zeigt ein Herz! Derweil in sicherm Porte
Ihr euch erfreuet reich beglückten Lebens,
Pocht bittre Not an unsrer Brüder Pforte.
Ein Jeder sei voll eifrigen Bestrebens,
Und setz’ in Taten um des Mitleids Worte —
Kein Schwerbedrängter hoff` auf' uns vergebens!
*****************
Prolog.
Wer ist den nicht des Unglückssohnes dauert!
Seht dort sein Haus auf fortgespültem Grunde,
Und hier sein Weib mit bleichem Fiebermunde,
Und dort sein Kind das nackt am Strande kauert!
Wer fühlte nicht sich ahnungsvoll durchschauert,
Wenn das Verhängnis waltet in der Runde!
Ach, keiner weiß ob nicht auch ihn zur Stunde
Des Schicksals dunkle Wetterwolk’ umlauert! —
Des Winters Leid scheucht nur der Liebe Sommer;
Drum sei die Brüder brüderlich zu laben
Uns höchster Wunsch — doch bleib’ er nicht ein frommer!
Nein, dankerfüllt für all’ die Liebesgaben,
Sag’ uns zum Ruhm der Holste wie der Pommer:
Der Hand zunächst schlug doch das Herz der Schwaben!
Mir ist die Seele voll von grausen Bildern:
Ich sehe Städte die zerstört vom Feuer,
Und Schiffe seh’ ich ohne Mast und Steuer,
Und Schrecken die kein Mund vermag zu schildern.
Hört Ihr das Angstgeschrei? Mit immer wildern
Gewalten tobt der Sturmflut Ungeheuer;
Haus, Hof und Herd, was nur dem Menschen teuer,
Versinkt im Meer — o, helft den Jammer mildern!
Ja, zeigt ein Herz! Derweil in sicherm Porte
Ihr euch erfreuet reich beglückten Lebens,
Pocht bittre Not an unsrer Brüder Pforte.
Ein Jeder sei voll eifrigen Bestrebens,
Und setz’ in Taten um des Mitleids Worte —
Kein Schwerbedrängter hoff` auf' uns vergebens!
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Prolog.
Wer ist den nicht des Unglückssohnes dauert!
Seht dort sein Haus auf fortgespültem Grunde,
Und hier sein Weib mit bleichem Fiebermunde,
Und dort sein Kind das nackt am Strande kauert!
Wer fühlte nicht sich ahnungsvoll durchschauert,
Wenn das Verhängnis waltet in der Runde!
Ach, keiner weiß ob nicht auch ihn zur Stunde
Des Schicksals dunkle Wetterwolk’ umlauert! —
Des Winters Leid scheucht nur der Liebe Sommer;
Drum sei die Brüder brüderlich zu laben
Uns höchster Wunsch — doch bleib’ er nicht ein frommer!
Nein, dankerfüllt für all’ die Liebesgaben,
Sag’ uns zum Ruhm der Holste wie der Pommer:
Der Hand zunächst schlug doch das Herz der Schwaben!