Wie erhalten wir unsere Gesundheit? - Die Plage der Krampfadern

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: Dr. Ferres., Erscheinungsjahr: 1929

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Krampfadern, Leiden, Schmerzen, Haut, Blutgefäße, Herz, Blutstrom, Gesundheit
Die Gefahren der Krampfadern liegen sowohl in den durch das Leiden verursachten Schmerzen als auch in der Möglichkeit einer allgemeinen Vergiftung, die von den offenen Stellen der wunden Haut oder den Blutgerinnseln in den geschädigten Gefäßen ausgehen kann. Ferner besteht die Möglichkeit einer unmittelbar das Leben bedrohenden Verstopfung wichtiger Adern im Herzen, der Lunge oder dem Gehirn dadurch, dass von einem Gerinnsel durch den Blutstrom ein Stück losgerissen und in solche Blutgefäße hineingeschwemmt wird, welche die Ernährung dieser lebenswichtigen Teile besorgen, und drittens besteht die Gefahr einer Verblutung durch Platzen einer Krampfader. Für gewöhnlich ist allerdings der Blutverlust dabei nicht so sehr groß; immerhin gab es aber Fälle, in denen eine Krampfaderblutung den Patienten in höchste Gefahr brachte.

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Bekanntlich bezeichnet man als Krampfadern solche Blutgefäße, die zu den Venen, das heißt also den das verbrauchte Blut dem Herzen wieder zuführend en Gefäßen, gehören und nun mehr oder weniger starke und zahlreiche Erweiterungen in ihrem Verlauf aufweisen. Sie kommen im Wesentlichen an den Füßen und Unterschenkeln vor. Das hat folgenden Grund: Auf den Wandungen der hier verlaufenden Blutgefäße lastet naturgemäß der größte Druck, da das Blut, der Schwere folgend, nach unten sinkt. Diese Last muss durch das Herz unter Zuhilfenahme des Muskelspieles überwunden werden; für gewöhnlich gelingt das ja auch, obgleich selbst in Fällen völliger Gesundheit der Blutstrom in den unteren Gliedmaßen an sich langsamer verläuft als im übrigen Körper. Häufig kommt es aber durch irgendwelche Ursache zu einer Schädigung der weniger widerstandsfähigen, nicht muskelreichen Venenwände, und nun entsteht an der geschädigten Stelle eine Dehnung, die ihrerseits wieder hierzu einer Stauung des Blutstromes führt. Die Stauung bedingt wieder das Entstehen von Gerinnseln und eine immer stärkere Aussackung sowie die Schädigung anderer Gefäßwand stellen und so weiter.

Vor allem sind Frauen von Krampfadern geplagt. Hier ist meist die Schwangerschaft mit ihrer Blutüberfüllung des Unterleibes und der durch die wachsende Gebärmutter häufig verschuldeten Abklemmung der Beinvenen die Ursache, hier ist auch die Bildung von Gerinnseln im Zusammenhänge mit der Entbindung häufig und deshalb ganz besonders gefährlich.

Nun einige Bemerkungen zur Behandlung von Krampfadern und offenen Beinen. Ich rate aus langer eigener Erfahrung dringend ab von dem Benutzen von Gummistrümpfen oder Gummibinden sowie vom Verwenden von solchen Binden, die aus Trikotgewebe mit Gummi oder Kautschuk bestehen. Es entstehen dadurch ganz abscheuliche Hautreizungen; durch den Gummi wird das Verdunsten des Schweißes verhindert, und es kommt unter diesen luftundurchlässigen Verbänden zu einem Auflockern der Haut und zu oft sehr Übeln geschwürigen Reizungen, die sich gerade bei Krampfadern meist sehr schwer beseitigen lassen. Brauchbar sind zum Wickeln Trikotschlauchbinden, besser noch Idealbinden, die man in allen Breiten erhält. Sehr zu empfehlen sind ferner festklebende Binden, wie etwa Varicosan- oder Klebrobinden; allerdings bleibt ihr Anlegen ebenso wie das Verwenden von Zinkleim besser der Hand des Arztes überlassen. Zum Anlegen eines gutsitzenden Wickelverbandes bedarf der Patient unbedingt einer Hilfe! Er muss nämlich zum Wickeln des Beines sich setzen oder legen und den Fuß des gestreckt zu haltenden Beines möglichst senkrecht einige Minuten in die Höhe halten; in dieser Lage, die ein Abströmen des Blutes nach dem Körper zu erleichtert, wird die Binde aufgewickelt, und zwar vom Mittelfuß aus bis mindestens handbreit über das Knie und, wenn die Krampfadern noch weiter herausreichen, dann noch weiter nach oben. Lässt der Kranke aber den Fuß sinken, was er tun muss, wenn er sich selbst verbinden will, so fällt natürlich das Blut in die kranken Blutgefäße zurück und bleibt trotz des Wickelns in ihnen stehen. Jedes Reiben und Massieren an Krampfaderbeinen ist strengstens verboten. Es kann ein Gerinnsel losreißen, das vielleicht, wie eingangs schon erwähnt, mit dem Blutstrom in ein lebenswichtiges Gefäß gerät; dieses verstopft dadurch mit einem Schlage die Ernährung des versorgten Organs und veranlasst so Schlaganfälle oder gar den Tod. Man kann allen Krampfaderleidenden — auch Männer werden ja gelegentlich geplagt, vor allem in solchen Berufen, die langes Stehen verlangen — nur dringend raten, wenn noch irgend möglich die Krampfadern durch das jetzt viel geübte Veröden durch Einspritzen gewisser Lösungen endgültig beseitigen zu lassen. Eine Gefahr ist nicht dabei. Ist erst einmal ein Geschwür entstanden, so muss man oft mit wochenlanger Behandlung rechnen. Bewährt haben sich auch vorsichtige Bestrahlungen mit Quecksilberdampflicht, zum Beispiel als künstliche Höhensonne. Bei Entzündungen ist unbedingte Bettruhe geboten; das Bein wird auf nicht zu weicher Unterlage hochgelegt, und man kann versuchen, durch feuchte, nicht nasse, Umschläge sowie durch Eisauflagen die Entzündung zurückzubringen. Unter Umständen muss, wenn sich Eiter bildet, operativ vorgegangen werden. Allen Krampfaderleidenden möchte ich anraten, ihr Herz untersuchen zu lassen und ebenso sämtliche Unterleibsorgane, auch muss unbedingt die Verdauung durch entsprechende Diät geregelt werden, Übergewicht ist zu bekämpfen. Überanstrengen der Beine ist Gift für die Krampfadern, zum Beispiel Maschinentreten oder Radfahren; gegen vorsichtiges Wandern ist nichts einzuwenden. Strumpfbänder, die das Bein umschließen, müssen durch seitlich angebrachte Strumpfhalter ersetzt werden!