Was die Frau beim Einkauf wissen muss

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 23. 1927
Autor: Margarete Weinberg, Erscheinungsjahr: 1927

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Frauen, Hausfrau, Nahrungsmittel, Haushalt, Hausgeräte, Hausmittel, Einkauf, Händler, Handwerker, Warenkunde,
„Wer einkauft, hat hundert Augen nötig, wer verkauft, hat an einem genug,“ sagt ein deutsches Sprichwort. Wer ihm die Fassung gab, der mag wohl vorher seine betrüblichen Erfahrungen gemacht und ihnen gründlich nachgedacht haben. Vielleicht geschah's über einem schadhaften Kleiderstoff, dessen Widerstandsfähigkeit schon nach kurzem Tragen geschwunden war. Oder war es ein verdorbenes Nahrungsmittel, das ihm die Erkenntnis einbrachte? Aber nein, das hätte sich wohl rechtzeitig schon dem Geruchsinn angezeigt, wenn der Käufer es unterließ, beim Einkauf die Augen weit genug aufzumachen. Die Weisheit jenes Mahnwortes ist also immerhin nicht erschöpfend: nicht nur hundert Augen braucht die gewissenhafte Käuferin — Frauen sind es ja, die in durchaus überwiegendem Maße den Einkauf für die Bevölkerung zu besorgen haben —, sondern gleich alle fünf Sinne müssen gründlich aufmerken, sonst kommt die Reue zu spät. Durch Schaden klug zu werden, ist eine kostspielige Lehre.

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Sie den Frauen zu ersparen, haben schon früher verständige Leute versucht, zum Beispiel vor nunmehr zweihundert Jahren jener wackere Fürstlich Sächsische Gemeinschaftliche Rat Georg Paul Hönn, der zu Koburg ein richtiges „Betrugslexikon“ erscheinen ließ, um die Verbraucher, unter ihnen namentlich die Hausfrauen, vor den Kniffen und Schlichen der Händler und Handwerker zu warnen. Daraus ersieht man denn, dass damals die böswilligen Schlächter zuweilen Kuh- statt Ochsenfleisch verkauften, die Bäcker das Mehl verfälschten, auch dem Brot zu leichtes Gewicht gaben, dass die Weber die Leinwand zu schmal webten, um von dem ihnen anvertrauten Garn etwas zu erübrigen, ja dass die neu aufgekommene Wissenschaft der Chemie dazu missbraucht wurde, Tee, Kaffee, Schokolade, Gewürze, Bier und Wein arglistigerweise zu verfälschen.

Welch eine böse Zeit! Und dennoch war anscheinend der Eigennutz ihres Geschlechtes auch nicht viel größer als der einer noch weiter zurückliegenden Vergangenheit; das bezeugen die von berühmten mittelalterlichen Volks- und Sittenpredigern gehaltenen und der Nachwelt aufbewahrten Kanzelreden, aus denen sich jedermann alle Untugenden der damaligen Kirchgänger zusammenlesen mag. — Aber solche Erkenntnis ist kein Trost für den geplagten Zeitgenossen; und ebensowenig wird unsere durch unvorteilhafte Einkäufe enttäuschte Hausfrau des zwanzigsten Jahrhunderts die Nachricht beruhigen, dass sie damit nur das Schicksal ihrer Urmütter teilt. Diese waren nur deshalb etwas besser dran, weil zu ihrer Zeit der weitaus größte Teil des Familienbedarfs in der eigenen Wirtschaft erzeugt und verarbeitet wurde, der Einkauf also eine ganz geringe Rolle in ihrem Pflichtenkreise spielte, während er jetzt von allergrößtem hauswirtschaftlichem Belang ist.

Als berufsmäßige Käuferin sollte der Frau ausreichende Vorbildung auf dem Gebiete der Warenkunde vermittelt werden; doch ist nicht alles, was diese Wissenschaft lehrt, für sie von gleicher Wichtigkeit: Herkunft und Herstellung der einzelnen Gebrauchsgüter fallen beispielsweise weniger ins Gewicht als die Kennzeichen der Güte und Unverfälschtheit, die zweckmäßigen Verfahren zu ihrer Ausnutzung beim Verbrauch und die Vorschriften, die man zu beachten hat, um vorzeitiges Verderben der Waren zu verhindern oder wieder gutzumachen. Wichtig für den Einkauf können ferner wissenschaftliche Forschungsergebnisse werden, weil sie zuweilen die Notwendigkeit frei und öffentlich aufdecken, das, was dem Verbraucher zuträglich oder schädlich ist, einer gründlichen Nachprüfung zu unterziehen.

In diesem Sinne hat unter anderem das vermehrte Wissen um die eigentümliche Bedeutung der Vitamine für die menschliche Ernährung gewirkt und zur Berichtigung veralteter Lehren Anlass gegeben. Die verständige Hausfrau bevorzugt seitdem — um nur ein Beispiel anzuführen — mit
Rücksicht auf seinen größeren Gehalt an diesen wertvollen Nährstoffen unpolierten Vollreis vor der durch ihr blankes Aussehen verlockenderen abgeschliffenen Ware, der mit dem elfenbeinfarbenen Außenhäutchen auch die darin lagernden Vitamine fehlen. — Über den Nährwert der Lebensmittel müsste die Käuferin Bescheid wissen, wenigstens soweit, um beurteilen zu können, was ihr angeboten wird. Auskunft über die Ware geben ja nicht selten Aufdrucke und andere Hinweise im Laden, aber nur dem, der sie richtig zu lesen versteht. „Vollfetter Käse“ hat zum Beispiel mindestens vierzig Prozent Fettgehalt in der Trockenmasse; die Bezeichnung „Magerkäse“ verrät, dass dieser weniger als zehn Prozent davon aufweist; „halbfetter“ steht im Hinblick auf den Fettgehalt zwischen beiden. Für die Bewertung der in solchem Käse erhandelten Nährstoffe ist es jedoch von Wert zu wissen, dass die fettarmen Sorten, wie übrigens auch die „Magermilch“ selbst, aus der sie gewonnen werden, noch Eiweißstoffe, Milchzucker und mineralische Bestandteile enthalten, daher ein durchaus beachtenswertes Nahrungsmittel abgeben.

Die Fähigkeit, den Küchenzettel so zusammenzustellen, wie es im Hinblick auf den Nährstoffgehalt der einzelnen Gerichte sich empfiehlt, setzt besondere ernährungswissenschaftliche Kenntnisse voraus, die sich jede Hausfrau aneignen sollte. Für den Einkauf wird ihr aber mehr noch die Sorge am Herzen liegen, wie sie gesundheitsschädliche Ware unter allen Umständen zu erstehen vermeidet. Dass der Geruchsinn dabei gute Dienste leistet, wurde schon erwähnt; immer aber genügt er allein nicht, denn nicht nur verdorbene Ware hat man zu scheuen, sondern auch giftige, die sich manchmal nur bei scharfer Beachtung der charakteristischen Merkmale von der zuträglichen unterscheiden lässt. So hat zum Beispiel mancher Speisepilz einen giftigen Doppelgänger, mit dem er leicht zu verwechseln ist. Der Champignon verhält sich in dieser Hinsicht zum Knollenblätterpilz wie der Steinpilz zum Satanspilz, und die Käuferin muss, wenn sie ihre Angehörigen nicht durch Pilzgenuss in Lebensgefahr bringen will, darauf achten, dass in ersterem Falle der typische aromatische Duft als Kennzeichen der Güte vorhanden ist, beim Steinpilz aber nach dem Aufbrechen die weiße Farbe unverändert bleibt. Hingegen soll man sich nicht auf die dem Pilzgericht beigefügte Zwiebel oder auf den silbernen Löffel verlassen, der angeblich unter dem Einfluss von Giftstoffen sein Aussehen verändern würde. Nur gute botanische Kenntnisse schützen vor Missgriffen, im Übrigen aber gerade bei Pilzen sorgsamste Vermeidung minderwertiger, alter Ware. — Überhaupt soll man beim Einkauf von Gemüsen alles zurückweisen, was sich nicht durch besonders appetitliches frisches Aussehen empfiehlt. Als Regel gilt, dass mittelgroße Sorten den dicksten und größten an Geschmack überlegen sind, doch bilden in dieser Hinsicht Spargel und auch Schwarzwurzeln eine Ausnahme. Bei jenen ist noch zu beachten, dass die Stangen nicht zu lang geschnitten sind, da man die unteren holzigen Teile, die beim Einkauf nach Gewicht mitbezahlt werden müssen, doch nicht verwenden kann. — Überhaupt der Einkauf nach Gewicht! Anscheinend gibt er die beste Gewähr dafür, dass man vollwertig erhält, was man bezahlt hat, aber wie schwer wiegt zuweilen die Knochenbeilage, die der Fleischer für angemessen erachtet, wenn man sich nicht für unausgeschälte Ware entscheidet! Am sichersten ist es, das Fleisch von den Knochen befreien zu lassen und den Preis für die Fleischware mit demjenigen der unausgeschälten zu vergleichen, ehe man sich für diese oder jene entschließt. Unvorteilhaft sind in der Regel Keulen von geringem Gewicht; eine ganze Kalbskeule sollte man nicht leichter als vierzehn Pfund wählen, da sich sonst ein ungünstiges Verhältnis zwischen Fleisch und Knochen ergibt.

Nicht minder verantwortungsvoll als der Einkauf der Lebensmittel ist die Wahl des Hausrats, insbesondere der zum Kochen gebrauchten Geräte. Auch hier hat man im Laufe der letzten Jahrzehnte in vieler Hinsicht um- lernen müssen, da mit dem Wechsel der Heizquelle auch die Anforderungen an brauchbares Kochgeschirr sich änderten. Emailware, die als besonders praktisch und dankbar galt, solange überall die Kohle das Herdfeuer spendete, hat viel von ihrer Wertung eingebüßt, seitdem die teure Gasfeuerung in Aufnahme gekommen ist und die Nachfrage nach einem schneller erhitzbaren Stoff begünstigt. Als ideales Kochgeschirr gilt seitdem solches aus Aluminium, zumal das unverwüstliche Nickelgeschirr für die meisten Haushaltungen nicht mehr erschwinglich ist. Wichtig ist aber nicht nur der Herstellungsstoff, sondern auch die Form der Gefäße: für Gasfeuerung eignen sich solche mit breitem Boden, weil vermieden werden muss, dass die Flamme an den Rändern in die Höhe schlägt, und die übereinander aufstellbaren Kochtöpfe (Turmkocher), mittels deren man auf einer einzigen Flamme mehrere Gerichte fertigmachen und noch heißes Wasser obendrein bereiten kann.

Die wenigen angeführten Beispiele mögen genügen, um anzudeuten, welcher Art die zum Einkauf erforderliche Warenkenntnis sein muss. Wer in dieses Wissensgebiet einzudringen versucht, wird bald wahrnehmen, dass es ein ebenso weitverzweigtes wie vielseitiges, in steter Entwicklung begriffenes ist und dass man auch hier so leicht nicht auslernt, nicht auslernen darf, weil Stillstand Rückschritt bedeutet. — Aber schon das schrittweise Vorwärtsdringen macht sich bezahlt, einmal, wie jede Bereicherung des eigenen Wissens, um seiner selbst willen, alsdann aber auch, weil der praktische Nutzen unverkennbar ist — sowohl für die private wie für die Volkswirtschaft —, wenn beim Einkauf nicht Leichtfertigkeit und Gedankenlosigkeit, sondern gewissenhafte Überlegung und sachverständiges Urteil entscheidend mitwirken.

Fischauktion im Hafen von Treport_

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Promenaden-Kostüm in dunkel-braunem Tuch – Maison Block - Paris

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