XXXVI. - Die californischen Rancheros. – Gewandtheit der californischen Reiter. – Lager am San Gabriel Creek. – Die Mission San Gabriel. – Ueber das Missionswesen in Californien. – Ankunft der Expedition in Pueblo de los Angeles. – Verkauf der Maulthiere und der Reiseutensilien. – Abenteuerliche Fahrt nach dem Hafen von San Pedro. – Ankunft an der Südsee.

Weit vor uns konnten wir auf einer Anschwellung der Ebene ein weiß schimmerndes Gebäude durch den fallenden Regen hindurch erkennen, in dessen Nähe wir die Nacht zuzubringen beschlossen. Oftmals wurden wir auf unserem Wege von Bächen aufgehalten, die, aus dem Gebirge kommend, wild schäumend dem Ocean zueilten, und zwar mit einer solchen Gewalt, daß unsere Thiere beim Durchwaten kaum derselben zu widerstehen vermochten und nur mit Mühe sich am jenseitigen Ufer hinaufarbeiteten. Meile auf Meile legten wir zurück; manche prächtige Viehheerde lagerte zu beiden Seiten unseres Weges, von der Wohlhabenheit der dortigen Grundbesitzer zeugend und die grüne Landschaft freundlich belebend. Ehe wir noch das auf dem Hügel liegende weiße Gebäude erreichten, kamen wir an einem Weinberge und bald darauf an niedrigen Hütten vorbei. Ein stark angeschwollener Gießbach trennte uns von dem Hügel und so beschlossen wir, da der Abend sich schon einstellte, in der Nähe des ersten Gebäudes zu übernachten. In der Hoffnung, unter einem gastlichen Dache Schutz gegen das Wetter zu finden, hatten wir uns getäuscht; denn einestheils widerte uns das unsaubere Innere des Hauses an, dann aber auch schienen die ebenso unsauberen Bewohner desselben gar nicht geneigt uns aufzunehmen. In diesem schönen Lande, wo wir nur auf den üppigsten Wohlstand zu stoßen glaubten, war uns eine solche Erscheinung unerwartet genug, doch als wir später die näheren Verhältnisse kennen lernten, wunderten wir uns nicht weiter über diesen Mangel an Gastfreundschaft. Der Weinberg gehörte nämlich einem entfernt lebenden Californier, der, um denselben nicht ohne Aufsicht zu lassen, die jetzigen Bewohner, die in bitterer Armuth lebten, in die roh gezimmerte Hütte gelegt hatte. Außerdem befanden sich noch drei oder vier indianische Hütten in der Nähe, die sich wie ebenso viele kleine Heuschober ausnahmen. Die in demselben lebenden Indianer nannten sich Kawias und waren eine kleine unansehnliche Raçe von Menschen, die in den wenigen zerrissenen Kleidungsstücken ein wahres Bild des Elendes zeigten. Diese Indianer schienen eine Art von Leibeigenen zu sein, die für wenige und sehr schlechte Lebensmittel verpflichtet waren, den nahen Weinberg zu bestellen und sonstige Arbeiten für seinen Besitzer auszuführen. Unsere wirklich kümmerlichen Lager breiteten wir also auf dem vom Regen aufgeweichten Boden aus, selbst eines guten Feuers konnten wir uns nicht erfreuen, indem die Indianer kein Stückchen trockenen Holzes in der Nähe hatten liegen lassen, und wenn uns nicht der Gießbach einige dürre Bäume und Zweige aus dem Gebirge zugeführt hätte, so würden wir Schwierigkeiten gefunden haben, uns ein einfaches Abendbrod zu verschaffen. Es hatte unterdessen zu regnen aufgehört und wenn uns auch am folgenden Morgen nicht klares Wetter begünstigte, so war die Luft doch trocken, so daß wir unsere nassen Decken und übrigen Sachen zum Trocknen ausbreiten konnten. Den ganzen Tag verwendeten wir hierzu und erfreuten uns am Abend wieder eines vollkommen trockenen, bequemen Lagers. – Mr. Leroux, der vor Jahren diese Gegend besuchte, hatte uns am vorhergehenden Tage schon mitgetheilt, daß nicht weit von unserer Straße eine Señorita wohne, die lange ein Gegenstand seiner besonderen Verehrung gewesen sei, und daß er beabsichtige, ihr einen Besuch abzustatten, um sich zu überzeugen, ob sie schon sehr gealtert habe. Seinen Vorsatz führte er aus und ritt am 18. März in aller Frühe von uns, mit dem Versprechen, am folgenden Tage wieder zu uns zu stoßen. Er hielt Wort; denn wenige Meilen waren wir erst am nächsten Morgen von unserer Lagerstelle entfernt, als Leroux quer über die Wiesen kommend, sich wieder zu uns gesellte und uns mit fröhlichem Gesichte zurief: »Ich muß mich doch nicht sehr verändert haben, denn sie erkannte mich auf den ersten Blick wieder. So ist es aber mit diesen alten Jägern und Trappern des Westens: sie legen Tausende von Meilen durch die öden Wüsten zurück, und erreichen sie dann nach mühevoller Reise die Ansiedelungen, gleichviel unter welchem Breiten- und Längengrade, so sind sie fast immer in früherer Zeit schon dort gewesen, und eilen dann hierhin und dorthin, um alte Bekannte aufzusuchen, ein Stündchen mit ihnen zu verplaudern und vielleicht auf ewig wieder von ihnen Abschied zu nehmen.« Heller klarer Sonnenschein ruhte an diesem Tage auf der grasigen Ebene und Nebelwolken verhüllten halb die weißen Kuppen der nahen Gebirge. Immer zahlreicher wurden die Heerden, welche die sammetweiche Fläche belebten und sich gemächlich auf dem Rasen dehnten oder in dichten Massen einherschritten. In der Ferne erblickten wir von Bäumen umgeben die Gehöfte, auf welchen die freien californischen Ansiedler residiren. Menschen sahen wir nur wenige; einzelne Reiter, die unseren Zug von Ferne wahrgenommen hatten, kamen mitunter auf ihren muthigen Rossen herangesprengt, um ihre Neugierde zu befriedigen, und wir wußten dann nicht, ob wir uns mehr über die prachtvollen starken Pferde oder über die anmuthig im schweren aber bequemen spanischen Sattel sitzenden bärtigen Californier freuen sollten, in deren Zügen der andalusische Typus nicht zu verkennen war. Anzug und Zaumzeug verriethen bei den meisten mehr als bloße Wohlhabenheit, und, sich ihrer Unabhängigkeit sichtlich bewußt, sprengten sie auf ihren stolzen Rennern dahin. Seit der Zeit, daß Californien wirklich zum Goldlande geworden, hat sich auch der Vermögenszustand der dortigen Rancheros (Ackerbau und Viehzucht treibender Landbewohner), die oft einen Flächenraum von vielen Quadratmeilen ihr Eigenthum nennen, bedeutend gehoben und ist bei vielen zum unermeßlichen Reichthum herangewachsen. Sie fanden nämlich in dem Markte von San Francisco die Stelle, wo sie ihre zahllosen Heerden verwerthen und in Gold umsetzen konnten, während in früheren Jahren die Häute des Rindviehes der einzige Artikel war, der ihnen Vortheil brachte. Es landeten auch zu damaliger Zeit in den benachbarten Häfen nur Schiffe, die für die mitgebrachten Waaren Ladungen von Häuten mit zurücknahmen. Leroux erzählte uns, daß, als er früher dort reiste, es Jedem erlaubt war, so viele Ochsen zu tödten, wie er Lust hatte, um sich mit Fleischproviant zu versehen, doch verstand es sich dabei von selbst, daß jedesmal die Haut des geschlachteten Thieres dem Eigenthümer hingebracht werden mußte. Jetzt ist es freilich anders; wollte sich Jemand herausnehmen einen Stier zu tödten, so würde er bald die Mündung einer Pistole oder die blanke Klinge eines Bowiemessers nebst einer freundschaftlichen Aufforderung, das getödtete Stück Vieh mit einem sehr guten Preise zu bezahlen, zu sehen bekommen. Da kein Zaun, keine Einfriedigung die verschiedenen Besitzungen von einander scheidet und das Vieh wild unter einander läuft, so sollte man denken, daß das Sondern der Heerden verschiedener Herren zu manchem Streit Veranlassung geben müßte; doch ist dieses nicht der Fall, denn es wird wohlweislich dafür gesorgt, daß Jedes Thier, Pferd, Maulesel oder Rind das Brandzeichen seines Herren trägt. Mehrere Male im Jahre schickt der Ranchero seine Arrieros (mit Lassos versehene Reiter) aus, um seine Heerden revidiren und die neu hinzugekommenen Stücke brennen oder zeichnen zu lassen. Von diesen Leuten, deren Gewandtheit im Reiten so wie im Werfen des Lassos an's Unglaubliche grenzt, genügen zwei, um den wildesten Stier oder das unbändigste Pferd zu Boden zu werfen und zu fesseln. Es versteht sich von selbst, daß die Arrieros die besten Pferde erhalten, welche noch ganz besonders zu ihrem Dienste abgerichtet sind. Auf diesen nun reiten sie dem einzufangenden Thiere nach; der Eine sucht auf die rechte Seite desselben zu gelangen, während der Andere etwas weiter zurück auf der linken Seite folgt. Beide bleiben ungefähr 25 bis 30 Fuß von dem Thiere entfernt, behalten einander fortwährend im Auge und lassen mit der rechten Hand die lange Leine, an deren Ende sich eine Schlinge befindet, über dem Kopfe kreisen. In dem Augenblicke, in welchem der Reiter zur Rechten dem fliehenden Pferde oder Rinde die Schlinge um den Kopf wirft, legt sich die Schleife des Anderen um den linken Hinterfuß des Flüchtlings, worauf Beide nach entgegengesetzten Richtungen treiben und ihr Opfer augenblicklich zum Stehen bringen oder zu Boden werfen. Die Leinen sind am Sattelknopf befestigt und da die Sättel so construirt sind, daß sie nicht auf die Seite gerissen werden können, die wohl dressirten Pferde aber mauerfest stehen und sich mit ihrer ganzen Schwere auf die Seite lehnen, so daß die Leine immer straff gespannt bleibt, so können die Reiter ruhig absteigen, zu dem gefesselten Thiere hingehen und mit ihm beginnen, was ihnen beliebt. Oftmals sah ich mit Bewunderung auf diese Leute und glaubte meinen Augen nicht trauen zu dürfen, wenn ich sie mit erstaunlicher Sicherheit im vollen Laufe den Lasso um den Fuß eines Pferdes werfen sah. Man kann sich indessen erklären, auf welche Weise die Californier eine solche Gewandtheit erlangen, wenn man auf den Höfen die kleinen Knaben beobachtet, wie sie mit Leinen, die ihren Kräften angemessen sind, sich im Hühnerfangen üben. Die Sicherheit jener Leute ist so groß, daß sie sich sogar nicht scheuen, wenn ihrer Mehrere beisammen sind, den riesenhaften californischen wilden Gebirgsbären anzugreifen. Schlinge auf Schlinge schleudern sie dann auf den grimmigen Feind ein; so wie er nur seine unförmliche Tatze vom Boden hebt, sitzt dieselbe auch schon in einer Schleife, die sich unzerreißbar fest zusammenschnürt, und ehe der Bär zur Besinnung gekommen, befindet er sich fest in einen Knäuel zusammengeballt auf einem Wagen, um entweder an Liebhaber verkauft oder zum Kampfe mit einem wilden Stier mit zugespitzten Hörnern verwendet zu werden. Letzteres ist ein Schauspiel, welches in Californien an der Tagesordnung ist, und den Unternehmern desselben gewöhnlich viel Geld einbringt; denn die Californier sind einestheils besondere Liebhaber von dergleichen grausamen Spielen, dann aber auch von dem saftigen Bärenfleisch selbst, welches, wenn der Bär unterliegt, dadurch nicht im Geringsten an Werth verliert.

Wir rasteten um Mittag einige Stunden, ließen uns unser einfaches Mahl am sonnigen Abhange eines grünen Hügels vortrefflich schmecken und setzten dann unsere Reise wieder fort. Immer häufiger wurden abgesonderte Ansiedelungen und zusammenhängende Dörfer in der Ferne sichtbar, und zahlreicher die prachtvollen Heerden, welche die blumigen Wiesen belebten. Nur selten wurde die grasige Ebene von Cactusfeldern unterbrochen, wo dann die dicht zusammengedrängt wuchernden Pflanzen weite Flächen bedeckten, in welchen Wölfe und Luchse verstohlen in ihren Pfaden schlichen, denen kein Mensch zu folgen vermochte. Bis lange nach Sonnenuntergang reisten wir an diesem Tage und hielten dann an einem kleinen Flusse, dem San Gabriel Creek an, den wir zu überschreiten hatten. Einige Gebäude lagen dicht an der Straße, doch waren die Bewohner derselben schon zur Ruhe gegangen oder schienen sich vielmehr um unsere Gegenwart nicht zu kümmern. Durch einzelne Vorbeireisende hatten wir erfahren, daß wir am folgenden Tage das Ziel unserer Reise erreichen würden; es ist daher leicht erklärlich, daß eine fröhliche Unruhe sich unser Aller bemächtigte und wir kaum den Anbruch des Tages erwarten konnten.


Das schönste Frühlingswetter begünstigte uns an diesem letzten Tage unserer Reise. Wir zogen schon in aller Frühe durch den Fluß und befanden uns dann auf der Strecke von einigen Meilen fortwährend zwischen Ansiedelungen, Gärten und bebauten Feldern. Am Ende der Dorfschaft lag wieder die schöne grüne Fläche vor uns, die im Westen in der Entfernung von 4 Meilen von einer langen Hügelreihe begrenzt wurde. Wir ritten in gerader Richtung über die Ebene und ließen die Mission San Gabriel zu unserer Rechten liegen.

Diese ist ein sehr umfangreiches Gebäude, welches durch die vielen Fenster, den weißen Anstrich und die um dasselbe angelegten Gärten, durch Mauern und kleinere Baulichkeiten von dem früheren außerordentlichen Wohlstande der Missionaire zeugt. Sie hat eine schöne, zugleich aber auch vortheilhafte Lage in dem fruchtbaren Thale, durch welches zahlreiche Quellen rieseln, und wo die Abhänge des benachbarten Gebirges ihr einen unerschöpflichen Reichthum an Holz bieten. Unter solchen Umständen ist es leicht erklärlich, daß die Mission San Gabriel so aufblühte und unglaubliche Schätze anhäufte. Authentischen Nachrichten zufolge sollen in einem Jahre von der Mission 50,000 Rinder mit ihrem Brandzeichen versehen, 3000 Fässer Wein und über 250,000 Scheffel Korn gewonnen worden sein. Sie ließ ferner im nahen Walde eine Brigantine bauen, stückweise nach dem Hafen von San Pedro bringen und dort von Stapel laufen. 5000 Indianer gehörten damals zur Mission und waren beständig um dieselbe versammelt. Dieselben sollen mäßige nüchterne Menschen gewesen sein, die für ihre Dienstleistungen von den frommen Vätern erhalten und gekleidet wurden und sich überhaupt in einem Zustand des Glückes befanden, wie es nach den Begriffen eines Indianers nur immer möglich ist. Sie bildeten gewissermaßen eine große Familie, deren gesellschaftliche, religiöse und politische Häupter die Missionaire waren. Hierdurch begann die so niedrige stehende Raçe der californischen Eingebornen die ersten Grundsätze eines civilisirten Lebens kennen und schätzen zu lernen; sie gewöhnten sich an die Gebräuche der Weißen, sie schlossen Ehen, die in der Kirche eingesegnet wurden; die jungen Mädchen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hatten, wurden von der übrigen Bevölkerung getrennt, in weiblichen Handarbeiten unterrichtet, und erst als verheirathete Frauen durften sie sich wieder unter die übrige Bevölkerung mischen. Wenn man gegenwärtig die dortigen Indianer in ihrem gesunkenen Zustande beobachtet, wie die branntweingierigen Männer durch Dieberei ihr Leben zu fristen suchen und die Weiber wieder zu Sklavinnen der Männer herabgewürdigt worden sind, so kann man nicht umhin zu wünschen, daß die Mission sich noch in dem alten blühenden Zustande befinden möchte, anstatt daß jetzt ihre Mauern und Dächer allmälig in Trümmer zerfallen, und nur ein Theil derselben zum Aufenthalt einiger dort wohnender katholischer Geistlicher dient.

Die Missionen Californiens, deren erste um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegründet wurde und deren Zahl bis zum Jahre 1800 bis auf sechszehn angewachsen war, befanden sich in der vollsten Blüthe nur während eines kurzen Zeitraums von ungefähr 30 Jahren. Alle früheren Jahre waren für die Gründer derselben sowohl als für deren Arbeiten eine Zeit fortwährenden Kampfes mit den Verhältnissen des Landes und dem geringen Kulturzustande der Eingebornen, wenn auch hin und wieder die älteren Missionen an Ausdehnung gewannen, und Ueberfluß und Behaglichkeit in ihren Mauern einzog, deren Segen die ganze Umgebung wohlthätig empfand. Im vollen Genuß der Früchte, zu welchen die energischen Missionaire Padre Kino, Salvatierra und Ugarte mit heldenmüthiger Aufopferung den Saamen streuten, blieben die californischen Missionen vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zum Jahre 1833, während welcher Zeit noch drei neue gegründet wurden. Jede Mission bildete damals gewissermaßen ein kleines Reich, in welchem die frommen Väter streng, aber friedlich regierten, die wilden Eingeborenen des Landes allmälig zu ihren Unterthanen machten, und dadurch immer fester an sich ketteten, daß sie dieselben gewöhnten, sich leiten zu lassen, ihnen aber zugleich die Schätze zu Gute kommen ließen, welche sie selbst durch gute Haushaltung, besonders aber durch kluge Verwendung und Eintheilung der ihnen zu Gebote stehenden und immer noch wachsenden Kräfte nothwendiger Weise anhäufen mußten. Daß üppiges Wohlleben bei den frommen Vätern einzog, war eine natürliche Folge ihrer glücklichen Stellung, doch betrat nie ein Wanderer ihre Schwelle, der nicht mit der größten Gastfreundschaft aufgenommen und bewirthet worden wäre, und dem es beim Abschiede nicht frei gestanden hätte, für sein ermüdetes Reitpferd ein anderes aus den in den Ebenen grasenden Heerden auszusuchen. Der Einfluß der Missionaire mußte durch solches Verfahren natürlich zunehmen, so daß zuletzt der Handel des ganzen Landes mit anderen Nationen in ihre Hände überging und ihnen dadurch immer mehr Mittel erwuchsen, ihren Reichthum und ihr Ansehen zu vergrößern.

Im Jahre 1833 erhielt das Missionswesen Californiens den ersten Stoß, als das Gouvernement von Mexiko, eifersüchtig auf den großen Einfluß der Geistlichen, die Missionen secularisiren und zu Staatseigentum erklären ließ. Durch ein Gesetz verloren alsdann die frommen Väter ihre weltliche Macht und das Verwaltungsrecht der umfangreichen Besitzthümer und behielten nur die Erlaubniß, als einfache Geistliche für das Seelenheil ihrer früheren Unterthanen zu sorgen, für welche Mühe sie von der Regierung besoldet wurden. Durch dieses Verfahren hatte das blühende Missionswesen Californiens plötzlich sein Ende erreicht; die Missionaire, nicht mehr Herren der von ihnen selbst getroffenen Einrichtungen, kümmerten sich von da ab nicht mehr um die Verwaltung derselben, und die Indianer, die dadurch ihre geduldigen Lehrer und deren, je nach Ermessen, strenge oder freundliche Aufmunterung verloren, verfielen bald wieder in ihre alten, aus dem Müßiggange entspringenden Fehler. Diese bilden jetzt den gesunkensten Theil der Bewohner Californiens und führen als solche ein elendes Dasein, theils als Räuber im Gebirge, theils als freiwillige träge Leibeigene der Rancheros. Als Californien den Vereinigten Staaten beitrat, ging das frühere Eigenthum der Missionen natürlich als Staatseigenthum in die Hände des amerikanischen Gouvernements über.

Einen traurigen Anblick gewähren die meisten einst so stolzen californischen Missionen, die jetzt vereinsamt und verödet dastehen. Ihre Mauern zerfallen in Trümmer, ihre Dächer stürzen ein, ihre Ställe sind leer, Unkraut wuchert wild verworren zwischen den Obstbäumen der einstmals wohlgepflegten Gärten, und lange wird es nicht mehr dauern, bis die Wogen des unaufhaltsam um sich greifenden Geschäftslebens in Californien über den Ruinen der alten Missionen zusammenschlagen und deren letzte Spuren verwischen werden.

Ehe wir die Hügelkette erreichten, zwischen welcher hindurch unser Weg führte, gelangten wir an einen umfangreichen See, an dessen Ufer sich eben einige neue Einwanderer niedergelassen hatten; es erhoben sich nämlich daselbst statt der Blockhäuser in holzreichen Gegenden weiße Zelte, so wie kleine Gärten, die mittels langer Streifen von Segelleinwand eingefriedigt waren, um die eben bestellten Anpflanzungen gegen den Andrang des in der Nähe weidenden Viehes zu schützen. Auf der Westseite der Hügel dehnte sich wieder die weite grüne Ebene vor uns aus, ohne indessen wie auf der Ostseite durch Hügel und Berge begrenzt zu werden. Der Weg war fest und gut, und die immer wachsende Anzahl der uns Begegnenden ließ uns über die Nähe der Stadt keinen Zweifel mehr, obgleich wir nach keiner Richtung hin ein Anzeichen derselben gewahrten. Es war gegen Mittag, als der Weg und die Ebene sich plötzlich steil vor uns senkten und die reizend gelegene Stadt Pueblo de los Angeles vor uns lag. Mit einem lauten Hurrah wurde vom ganzen Personal das Ziel unserer Reise begrüßt und oben auf der Höhe, wo das Land wie ein schönes Bild ausgebreitet vor uns lag, schlugen wir zum letzten Male auf dieser Reise unser Lager auf. Wohl Mancher von unserer Gesellschaft, der in die belebten Straßen hinabblickte und überall die Zeichen einer vorgeschrittenen Civilisation bemerkte, mochte sein Aeußeres prüfen und beinahe etwas beschämt darüber sein, sich in einem solchen Aufzuge in das Leben und Treiben einer Stadt mischen zu müssen; doch war uns auch wieder ein Gefühl des Stolzes nicht fern, wenn wir unsere ganze Expedition betrachteten, wie die langbärtigen gebräunten Leute und die hagern, dahinschleichenden Thiere die Merkmale einer langen äußerst beschwerlichen Reise an sich trugen.

Elf Monate hatten wir ununterbrochen auf der Reise durch die Wildnisse zugebracht. Die dem civilisirten Leben eigenthümlichen Kleidungsstücke waren zu lauter Fetzen gerissen oder durch lederne Anzüge ersetzt worden, die freilich nicht so zerlöchert, aber doch vom Rauche der Lagerfeuer ganz geschwärzt waren. Die Füße hatten die Meisten mit Lederstücken oder Mokkasins bedeckt, und nur selten war ein bis aufs Aeußerste abgetragener Stiefel zu erblicken; die runden Filzhüte hatten alle möglichen phantastischen Formen angenommen und klebten förmlich auf den wirren Haaren, die bei Vielen lang auf die Schultern herab gewachsen waren. Doch so wild und abschreckend unsere ganze Gesellschaft sich auch ausnehmen möchte, so glänzten doch die breiten Messer, die langen Büchsen und schweren Revolver, als wenn sie eben erst aus dem Zeughause gekommen wären und bewiesen dadurch deutlich, welchen Werth Jeder während der Reise auf seine Waffen gelegt hatte.

Am 20. März, also gleich nach unserer Ankunft, ging Lieutenant Whipple in die Stadt hinab, um sich mit den Ortsbehörden in Verbindung zu setzen, Erkundigungen einzuziehen und zu unserer Weiterreise von Pueblo de los Angeles die nöthigen Vorkehrungen zu treffen. Allwöchentlich landete in dem noch 25 Meilen entfernten Hafen von San Pedro ein Dampfboot, welches zwischen San Diego und San Francisco eine regelmäßige Verbindung herstellte und auf seiner Fahrt die bedeutendsten Punkte an der Küste berührte. Am 24. März wurde ein von San Diego heraufkommendes Dampfboot in San Pedro erwartet; da sich dasselbe dort nur wenige Stunden aufhielt, so mußten wir uns mit dem Verkauf unserer Thiere beeilen, wenn wir überhaupt mit dieser Gelegenheit nach San Francisco kommen wollten. Es wurde deshalb in der Stadt selbst so wie in deren Umgegend schleunigst bekannt gemacht, daß am 23. März Auction über unsere sämmtlichen Maulthiere, deren Sättel und Saumzeug, kurz über alle Sachen, die wir nicht mit uns führen konnten, abgehalten werden sollte. Die Zeit, die uns bis dahin blieb, benutzten wir, um unsere Sammlungen und Arbeiten zu ordnen und zu verpacken, doch wendeten wir auch Geld und Zeit darauf, unser Aeußeres wieder so herzustellen, daß wir uns unter civilisirten Menschen sehen lassen konnten und verbrachten zugleich manche Stunde in den Gasthöfen, wo wir unseren Körper nach den vielen Entbehrungen der Reise nach Herzenslust pflegten.

Die Stadt Los Angeles ist von Ländereien umgeben, die an Fruchtbarkeit nicht leicht übertreffen werden können. Die Zahl der Einwohner wechselt zwischen 2000 und 3000, je nachdem die zu ungünstigen Jahreszeiten von Francisco fortziehenden Menschen daselbst landen, oder nach dem Districte der Goldminen zurückkehren. In dem weiten wohlkultivirten Thale des kleinen Flüßchens Rio de los Angeles, an welchem die Stadt liegt, befinden sich zahlreiche Haciendas und Ranchos, die, von Frucht-, Obst- und Weingärten umgeben, dem Lande einen lieblichen Charakter verleihen. Der Wein wird dort auf die einfachste Art gekeltert, doch, nach dem Geschmack zu urtheilen, den er trotz der rohen Behandlung hat, muß ein ausgezeichneter Wein gewonnen werden können. Obschon Los Angeles seit der Entdeckung der Goldlager in Californien viel von seiner Bedeutung verloren hat, so war doch diese Stadt, die jetzt mehr den amerikanischen als den mexikanischen Charakter trägt, für uns, die wir eben die Wildniß verlassen hatten, ein wahres Eldorado, und dennoch fanden wir daselbst nur schmutzige Straßen und Häuser, denen es anzusehen war, daß ihre Besitzer nur wenig oder gar nichts auf das Aeußere derselben gaben.

Die Ankunft unserer Expedition, so wie das Project, eine Eisenbahn in Los Angeles münden zu lassen, schien das besondere Wohlgefallen der dortigen Besitzer zu erregen; mehr aber noch der Umstand, daß wir genöthigt waren uns ganz auf's Neue zu equipiren und unsere nunmehr für uns unbrauchbar gewordenen Reise-Utensilien so wie die Heerde zu jedem Preise zu verkaufen.

Am 23. März in aller Frühe schon waren Sachen, so wie Maulthiere (unser letztes Schaf hatten wir schon längst verzehrt), nach der Stadt geschafft worden, und Menschen aller Nationen hatten sich zusammengefunden, um Geschäfte zu treiben. Ein tüchtiger Mann, der es verstand, die Waaren in spanischer und englischer Sprache anzupreisen, war engagirt worden, um das Geschäft der Versteigerung zu leiten und den jedesmaligen Zuschlag zu ertheilen. Lange Zeit sah ich dem Treiben zu, wie unsere treuen Reisegefährten, die uns und unsere Sachen glücklich bis hierher getragen hatten, nun einzeln oder zu zweien und dreien losgeschlagen wurden. Sie befanden sich zwar nicht in einem solchen Zustande, daß sie die Kauflust der Leute noch hätten anregen können, doch wurden sie zu verhaltnißmäßig sehr hohen Preisen verkauft, indem man allgemein annahm, daß ein schlechtes Thier die Reise vom Arcansas schwerlich würde zurückgelegt haben, und die werthlosesten unterwegs längst zu Grunde gegangen seien. Zwei unserer jungen Leute, Mr. Sherburne und Mr. White, so wie Mr. Leroux und einige unserer mexikanischen Packknechte befanden sich ebenfalls unter den Bietenden. Auf die beiden zuerst genannten Herren hatte nämlich das schöne grüne Land, in welchem Wohlstand zu herrschen schien, einen solchen Eindruck gemacht, daß sie sich daselbst niederzulassen gedachten und auf die Rückreise nach Washington in unserer Gesellschaft verzichteten. Als ächte Amerikaner setzten sie sich leicht über die Unbequemlichkeiten hinweg, mit denen sie als angehende Rancheros in dem fremden Lande zu kämpfen haben mußten und gedachten nur der Früchte, die ihnen ein energisches Verfolgen ihrer Pläne tragen mußte. Sie kauften also nicht nur Maulthiere und einzelne zu denselben gehörige Gegenstände, sondern auch das einzige uns gebliebene Zelt, so wie einige Küchengeräthschaften, worin für den Anfang ihre ganze Häuslichkeit bestehen sollte. Mr. Leroux beabsichtigte, als ächter Trapper den Weg, den er gekommen war, in Begleitung der ebenfalls heimkehrenden Mexikaner zurückzulegen; hartnäckig wies er unsere Aufforderung, mit uns die Seereise zu machen, von sich, indem er einfach sagte: »So lange ich auf dem Lande reisen kann, gehe ich nicht zur See; auf dem Lande weiß ich Bescheid, auf dem Wasser aber nicht.« Also auch er wie die Mexikaner kauften noch manches Thier, theils um auf bequeme Weise den langen Weg zurückzulegen, theils aber auch um mit denselben noch vortheilbringende Geschäfte treiben zu können. Gegen Mittag des 23. März besaßen wir nichts mehr als unsere wohlverpackten Sammlungen, Instrumente und Journale, kurz, alle Resultate unserer Arbeiten.

Das letzte Thier war verkauft, der letzte Mexikaner abgelohnt, als wir die Nachricht erhielten, daß das zu erwartende Schraubendampfboot nicht am Abend, sondern am frühen Morgen des 24. März im Hafen von San Pedro eintreffen würde. An längeres Säumen war nun nicht mehr zu denken; schleunigst wurde durch das Postamt in Los Angeles ein Wagen herbeigeschafft, auf welchen wir unsere sämmtlichen Sachen packten und vorweg nach San Pedro schickten, während wir selbst, durch manche kleine Umstände aufgehalten, erst gegen Abend aufzubrechen vermochten.

Noch einmal waren wir, mit Ausnahme der Offiziere, die nach San Diego gegangen waren, in der dem Postamte nahe gelegenen Trinkstube versammelt. Auch unseren guten Doctor Bigelow vermißten wir; derselbe hatte es als ein eifriger Katholik nicht über's Herz bringen können, Los Angeles zu verlassen, ohne die 8 Meilen entfernte Mission San Gabriel besucht zu haben. Er war daher in Begleitung eines kleinen Mexikanerburschen am 22. März dorthin aufgebrochen; da er nun durch einen zurückgesendeten Boten von der früheren Ankunft des Dampfbootes vielleicht zu spät Nachricht erhalten konnte, so hatten wir uns schon Alle darein ergeben, ohne ihn nach San Francisco hinaufreisen zu müssen.

Zu der Freude, jetzt wieder in die Heimath zurückzukehren, gesellte sich auch etwas Wehmuth, als wir zum letzten Male mit den Zurückbleibenden anstießen und ihnen Glück und guten Erfolg zu ihrem Entschlusse wünschten. Auch ihnen wurde der Abschied schwer, schwerer noch als uns; denn waren wir erst fort, so befand sich kein Freund mehr in ihrer Nähe, kein Freund, der herzlichen Antheil an ihrem Ergehen genommen hätte. Doch der den Amerikanern eigene Unternehmungsgeist, fortwährendes Sinnen und Trachten, sich eine mehr als unabhängige Stellung in der Gesellschaft zu erringen, gestatten wehmüthigen Gefühlen über eine Trennung nicht lange Raum in ihrer Brust, und es kommt ihnen zu natürlich vor, daß Menschen, ihrem Berufe folgend, nicht immer beisammen bleiben können. Mr. Leroux reichte uns Allen mit einem herzlichen Glückwunsch zur Reise die Hand, doch wie ein Mann, der gewohnt ist, in den Steppen Bekannte zu finden, mit denselben zusammen zu reisen, Entbehrungen und Strapazen zu theilen und dann von ihnen auf ewig Abschied zu nehmen.

Ein großer Postwagen, der uns Alle zugleich aufnehmen konnte, mit vier tüchtigen californischen Pferden bespannt, hielt endlich vor der Thüre. Unser Viameter wurde an einem Hinterrade des Wagens befestigt, um seinen letzten Dienst auf dieser Reise zu thun, nämlich uns die genaue Entfernung der Stadt Pueblo de los Angeles vom Hafen von San Pedro anzugeben. Der Hafen sollte, nach den Aussagen dortiger Bewohner, 25 Meilen entfernt sein, und da es, als wir in den Wagen stiegen, beinahe Abend war, so konnten wir darauf rechnen, die halbe Nacht auf der Straße zubringen zu müssen. – Nur wenig sahen wir von der Landstrecke, über welche wir hinreisten: wir konnten nur noch bemerken, daß zu beiden Seiten des Weges sich hin und wieder kleine Seen befanden, die mit unzähligen Wasservögeln der mannichfaltigsten Art bedeckt waren, während hochbeinige Sumpfvögel dicht gedrängt am Ufer standen. Beim Einbruch der Nacht, die pechschwarz unsere Straße verhüllte, begann es zu regnen und zwar mit solcher Gewalt, daß wir kaum im Stande waren, uns in dem schlecht verschlossenen Wagen trocken zu erhalten. So lange der Weg gut war, zogen die Pferde im Trabe ihre schwere Last weiter, doch merkten wir nur zu bald, daß wir den schlimmsten Theil unserer Straße noch zu besiegen hatten. Der Wagen fing an zu schwanken und zu gleiten, so daß wir uns jeden Augenblick außerhalb des Weges glaubten; auf unsere Fragen antwortete der Kutscher mit Sicherheit, daß er diese Landstraße zu oft befahren habe, als daß an ein Verirren gedacht werden könne. Wir beruhigten uns natürlich mit der Versicherung, denn was hätte in der undurchdringlichen Finsterniß ein Zweifeln oder Untersuchen für Vortheil bringen sollen? Langsam schleppten die Pferde den Wagen durch aufgeweichten Boden, langsamer noch ging uns die Zeit dahin, bis endlich die verdrießliche Stimmung, in welcher sich Jeder von uns befand und die daraus erfolgende Stille eine unangenehme Unterbrechung durch das gänzliche Halten des Fuhrwerks erhielt. – »Ich bin vom Wege abgekommen,« rief uns der Fuhrmann zu, »doch weiß ich genau, wo wir sind; ich muß aber, um wieder in die rechte Straße zu gelangen, über den Berg fahren, der sich gerade vor uns befindet!« – Wir schauten hinaus, doch sahen wir weder Berg noch sonst Etwas, selbst die Pferde vor dem Wagen vermochten wir nicht in der Finsterniß zu erkennen, nur rechts von uns sahen wir in der Ferne ein Licht schimmern. – »Sie müssen Alle aussteigen,« fuhr der Kutscher fort, »wenn die Pferde den Wagen über den Berg schleppen sollen, oder wir sind genöthigt, die ganze Nacht hier halten zu bleiben. Gehen Sie indessen gerade auf das Licht zu, welches Sie dort in dem Hause erblicken, und fragen Sie die Leute, in welcher Richtung Sie gehen müssen, um an den Weg zu gelangen; ich werde durch Rufen und Knallen mit der Peitsche mich schon bemerklich machen. Sie mögen immerhin einen Augenblick in dem Hause verweilen, denn ich habe einen weiten Umweg zu nehmen, um wieder mit Ihnen zusammenzutreffen.« – Mit diesen Worten trieb er seine Pferde an und überließ es uns, die wir ganz willig ausgestiegen waren, uns nach dem Hause und von dort wieder nach der Straße hinzusuchen. »Nehmen Sie sich in Acht,« rief uns der Kutscher noch zu, »daß Sie nicht in die ausgegrabenen Löcher fallen, die sich gerade in der von Ihnen einzuschlagenden Richtung befinden, und lassen Sie sich nicht von den Hunden des Señor zerreißen!« – Was sollten wir nun anfangen? Da standen wir bis über die Knöchel in aufgeweichter Erde, wodurch allein schon uns die Lust verging, dem Wagen auf seinem Wege zu folgen; in der Richtung nach dem Lichte zu gähnten uns in unserer Einbildung bei jedem Schritte tiefe Abgründe entgegen. Diese waren übrigens das Einzige, was uns Besorgniß einflößte, denn für die uns etwa anfallenden Hunde hatten wir ja unsere Revolver in Bereitschaft. Wir schritten indessen auf das Licht zu und, sei es nun, daß der Wagenführer sich einen schlechten Spaß mit uns erlaubt, oder daß wir eine glückliche Richtung eingeschlagen hatten, genug, weder Wasserhöhlen noch Hunde belästigten uns, desto mehr aber der niederströmende Regen und der aufgeweichte Boden, in welchem wir fast stecken blieben. Wie seufzten wir Alle nach unseren sicheren Maulthieren. Wir gedachten des ersten Tages unserer Reise, an welchem wir nicht weit vom Fort Smith vom Gewitter überfallen und gänzlich durchnäßt wurden; dies war freilich die letzte Nacht, doch hatten wir kaum eine unangenehmere auf der ganzen Reise erlebt. Wir klagten über unser Mißgeschick und daß die eben in Los Angeles angeschafften Kleidungsstücke, besonders die zierlichen Glanzlederschuhe so hingeopfert wurden und wir genöthigt waren, mit nasser Haut und nassen Füßen an Bord des Dampfers zu gehen. Wir erreichten endlich das Haus, öffneten die Thür, hinter welcher das Licht brannte, und befanden uns in einer Art von Vorhalle in der Gegenwart zweier Männer, die unseren nächtlichen Besuch keineswegs sehr freundlich aufnahmen und sogar geneigt schienen, uns für Räuber zu halten; uns als solche für die gemachte Störung zu behandeln, mochten sie weniger rathsam finden, indem wir ihnen wohl zu viele waren. Wir brachten unser Anliegen vor und theilten auch mit, wer wir seien und zu welchem Zwecke wir eigentlich hier wären; doch rief das nicht die geringste Veränderung in ihren verdrießlichen Gesichtern hervor, nur daß sich der Eine von ihnen herbei ließ, uns einen Neger mit einer Laterne mitzugeben, der uns bis zur Straße leuchtete.

Wir erreichten glücklich unser Fuhrwerk, stiegen ein und fühlten bald die Wirkung von durchnäßten Kleidern und Schuhzeug. Zu unserer Freude wurde jedoch der Weg wieder besser, so daß wir im raschen Trabe uns unserem Ziele näherten. Tief in der Nacht hielten wir endlich vor einigen schwach erleuchteten Gebäuden. » San Pedro, Gentlemen,« rief uns der Kutscher zu, worauf wir uns eiligst von unseren Sitzen erhoben und aus dem Wagen kletterten. Dichte Finsterniß umgab uns fortwährend, nur daß aus einer geöffneten Thüre und einigen Fenstern schwache Lichtstreifen fielen, nicht weit von uns hörten wir unheimliches Rauschen und Brausen: es war die Brandung des Meeres, welches in gemessenem Takte Woge auf Woge gegen das Ufer schleuderte. Wir befanden uns am Ziele, der stille Ocean war erreicht.

Nach vieler Mühe gelang es uns, einer Laterne habhaft zu werden, bei deren Scheine wir den Viameter, der merkwürdiger Weise nicht verloren gegangen war, von dem Rade entfernten und uns dann nach dem nächsten Hause begaben, aus dessen Thüren uns das Gesumme vieler Stimmen entgegendrang. Wir traten in eine geräumige Halle, in welcher lange Tische mit den Ueberresten gehaltener Mahlzeiten den meisten Raum einnahmen; Gruppen von Menschen, unter welchen wir sogleich viele unserer entlassenen Arbeiter erkannten, standen oder saßen, sich unterhaltend, umher, auf die Bänke hatten sich ebenfalls Einige hingestreckt, die durch lautes Schnarchen ihren wirklichen oder blos verstellten Schlaf zu erkennen gaben. Wir fanden an dem einen Tische noch Platz genug, um uns gemeinschaftlich niederlassen zu können, und hier wurde uns nach mehrfachem vergeblichem Rufen und Bestellen endlich ein sehr frugales Mahl verabreicht. Trotz der unangenehmen Umgebung, in der wir uns befanden, ließen wir uns das Abendbrod vortrefflich schmecken und suchten dann in den anderen Räumlichkeiten nach einem Plätzchen, auf welchem wir uns für den Rest der Nacht würden hinstrecken können. Nur Zweien von uns gelang es, in der Stube des Wirthes eine Art von Bett zu erhalten, wir Uebrigen mußten uns glücklich schätzen, in dem einfachen und sehr engen Geschäftslocale, wo ein Ofen etwas Wärme verbreitete, auf Stühlen, Bänken und der bloßen Erde ein Unterkommen zu finden. Der gänzliche Mangel an Decken und Gegenständen, auf welchen wir hätten mit dem Kopfe ruhen können, machte diese Nacht zu einer unleidlichen; an Schlaf war nicht zu denken, und gleich den Meisten der Passagiere lagen wir da, ungeduldig den Anbruch des Tages erwartend.