XVII. - Das Thal des Rio Grande del Norte. – Santo Domingo und die Pueblo-Indianer. – Sagen der Pueblo-Indianer. – Abschied von Santo Domingo. – Ankunft in Albuquerque. – Anzeige im El Amigo del Pais.

Als wir auf der Ebene Fuß gefaßt hatten, ging es in raschem Trabe auf der festen Straße weiter. Das Thal des Rio Grande winkte, und Jeder sehnte sich nach dem ersten Anblick des vielfach besprochenen Flusses und seiner Einfassung. An steilen Abhängen von harter Lehmerde wand sich der Weg endlich hinab; doch – wie ganz anders hatte sich Mancher den Rio Grande vorgestellt! Er träumte vielleicht von üppiger Vegetation, von hochstämmigen Palmen und buntzackigen Farrenkräutern, von schattigen Wäldern und schiffbarem Wasser, und nun dehnte sich eine baumlose Fläche vor ihm aus, welche mit der überall vorherrschenden Lehmfarbe und dem seichten, trüben Flusse eher einer weiten Wüste, als einer bevölkerten Niederung glich. Am Fuße der Hügel wendete sich die Straße gleich gegen Süden, und der trübe Eindruck, den der erste Anblick der ganzen Landschaft auf uns gemacht hatte, schwand wieder etwas, als wir plötzlich eine eigenthümlich gebaute Stadt, umgeben von Gärten und Feldern, vor uns erblickten.

Es war Santo Domingo, eine alte Ansiedelung der Pueblo-Indianer, durch welche der Weg führte, und die bei dem ersten Anblicke an die Casas Grandes am Gila und weiter südlich in Mexiko erinnerte. So wie bei den meisten Bauten in Mexiko, waren auch hier getrocknete Lehmziegel als Material verwendet worden, wodurch das Ganze etwas alterthümlich Ruinenartiges erhielt, was noch dadurch gehoben wurde, daß die verschiedenen Stockwerke terrassenförmig über einander lagen. Auf dem flachen Dache der unteren Etage war nämlich die obere bei weitem kleinere jedesmal so errichtet, daß vor derselben ein kleiner Hof blieb. Da nun die Häuser der verschiedenen Stadtviertel dicht gedrängt aneinander lagen, so entstanden dadurch erhöhte Straßen, die an den Thüren der Wohnungen im zweiten und dritten Stock vorbeiführten und eine unmittelbare Verbindung herstellten.


Nur in den oberen Stockwerken befanden sich Eingänge, zu welchen von jeder Wohnung Leitern von der Straße aus hinaufführten, die, wenn es die Sicherheit der Bewohner erheischte, eingezogen werden konnten; durch eine Oeffnung im flachen Dache des ersten Stockes ging es hinab in die untersten Räume, während andere Leitern von der Plattform des ersten Stockwerkes aus auf das Dach der zweiten Etage und in die Wohnungen des dritten Stockwerkes führten.

Die Räume auf ebener Erde schienen ausschließlich zum Aufbewahren der Vorräthe bestimmt zu sein, wogegen in den oberen die Bewohner sich auf ihre Art bequem eingerichtet hatten und hinlängliches Licht durch kleine viereckige Oeffnungen erhielten, die sie zum Schutz gegen Stürme und Kälte mit durchsichtigen Tafeln von krystallisirtem, spathigem Gyps dicht verschlossen hatten. Nur wenig Leben gewahrte man auf den Straßen zur ebenen Erde, doch hatte sich ein großer Theil der Bevölkerung oben vor den Thüren versammelt; da sah man Tabak schmauchende Männer, arbeitende Frauen und spielende Kinder, die bei unserer Annäherung in Bewegung geriethen, sich über die Brüstung ihrer Vorhöfe lehnten und auf die Vorbeiziehenden niederschauten. Das laute Geräusch, welches Städte und Ansiedelungen der Weißen so sehr charakterisirt, vermißte man hier ganz; da war kein Schreien, kein lautes Lachen oder Toben. In ruhiger Weise unterhielten sich die einzelnen Gruppen, mit leisem Schritt eilten halbverhüllte Gestalten, bunt bemalte, irdene Gefäße auf den Köpfen tragend, durch die Straßen oder stiegen gewandt die weitsprossigen Leitern hinauf, ohne die Hand an die auf dem Kopfe freistehende Last zu legen oder von dem Inhalte das Geringste zu verschütten.

Wir gelangten unterdessen auf einen rechtwinkligen, freien Platz, von dem zwei Seiten durch Wohnungen, die anderen beiden durch die Kirche und die zu öffentlichen Versammlungen bestimmten Gebäude begrenzt wurden. Wir nahmen uns indessen nicht Zeit, die Umgebung genauer zu betrachten, sondern folgten einem Indianer, der uns vor die Stadt auf eine grüne Wiese führte, wo wir eilig unsere Zelte aufschlugen, um sobald wie möglich wieder zur Stadt zurückkehren zu können. Die ganze Bevölkerung von Santo Domingo mochte sich wohl auf 800 Seelen belaufen, und da der männliche Theil derselben fast durchgängig der spanischen Sprache mächtig war, so hielt es denn auch nicht schwer, eine Unterredung mit den dem Lager Zuströmenden zu Stande zu bringen.

Natürlich war die erste Frage nach dem Alcalde der Stadt, doch wurde mit geringschätzender Miene erwiedert, daß sich wohl ein Gobernador, aber kein Alcalde in den Mauern von Santo Domingo befinde. Der Verstoß gegen die Eitelkeit der guten Leute wurde indessen wieder doppelt gut gemacht, als Lieutenant Whipple den Gobernador José Antonio Herrera zum Abendbrot in sein Zelt bitten ließ. Ein dienstfertiger Indianer überbrachte schleunigst die Einladung, und nach kurzer Zeit erschien der Gobernador, ein würdiger Indianer, mit einem ganzen Gefolge, auf das er, als wären es seine Unterthanen, mit Stolz herabsah. Er wurde sogleich herzlich willkommen geheißen, und ein buntes Treiben entstand nunmehr in dem Lager. Alles wurde mit neugierigen Blicken betrachtet, und ganz gegen die Gewohnheit anderer Indianerstämme ließ auch nicht ein einziger der Besucher sich eine Unbescheidenheit oder gar den Versuch eines Diebstahls an umherliegendem fremden Eigenthume zu Schulden kommen. Es waren lauter schöne, wohlgebaute Menschen, die, trotz des indianischen Typus, etwas Ansprechendes in ihren Zügen hatten. Männer wie Weiber trugen die Haare lang, nur aus der Stirne waren dieselben über den Augenbrauen stumpf abgeschnitten; außerdem hatten die Männer ihre Wirbellocken in einen kurzen, dicken Zopf gedreht und diesen mit einem rothen Bande umwunden. Ihre Bekleidung war sehr verschieden: Einige trugen hellbraun gefärbte lederne Jagdhemden, welche, reichlich mit Fransen und Stickereien versehen, trefflich zu den farbigen Unterkleidern paßten, die, bis an die Kniee reichend, nach mexikanischer Mode reich mit gelben und weißen Knöpfen geschmückt waren. Andere hatten nur eine gestreifte Decke um die Schultern geworfen oder waren einfach mit einem Hemde von Kattun bekleidet. Die Weiber hatten um die Hüften einen dunkelfarbigen Rock, der beinahe bis auf die Füße reichte, befestigt; den Oberkörper verhüllten sie mit einer leichten Decke, die sie bald über den Kopf zogen, bald auf malerische Weise um die Schultern oder Hüften schlangen; an den Füßen trugen beide Theile Mokkasins, die in vielen Fällen zierlich gestickt und geschmückt waren.

Während die Zahl der Indianer im Lager mit jedem Augenblicke zunahm, ließ es sich der Gobernador im Zelte vortrefflich schmecken, und als die Fröhlichkeit der Seinigen draußen zu laut wurde, trat er hinter dem Vorhange hervor und richtete einige Worte an die Versammlung, die sich, gehorsam seinen Befehlen, alsbald auflöste und bis auf zwei Männer auf den Heimweg begab. Mit vielen Freundschaftsversicherungen empfahl sich der alte Herrera beim Untergang der Sonne, und da unser Aufenthalt bei Santo Domingo nur auf die eine Nacht beschränkt war, so beschlossen wir noch an demselben Abende, einige Indianer in ihren Wohnungen zu besuchen, um in der kurzen Zeit noch so viel als nur irgend möglich von den Sitten und Gebräuchen dieses so interessanten Volkes kennen zu lernen.

Wir stiegen also die erste Leiter, [Fußnote]Diese Leitern sind nur einfach an die vielstöckigen Gebäude angelehnt, um sie mit leichter Mühe der Sicherheit wegen bei Nacht oder zu jeder andern Zeit wegziehen zu können. Diese Gewohnheit ist von Interesse, weil die berühmten Casas grandes wohl ihrer Vielstöckigkeit wegen grandes heißen und darum hätten Casa altas genannt werden können. Diese aztekische Bauart, Wohnungen vieler Familien ( Phalanstères, wie Mr. Owen sie empfiehlt), wird noch jetzt angewandt, und sie ist am schönsten gerade aus dem Pueblo de Santo Domingo abgebildet, im Report of Lieutenant J. W. Abert of his examination of New Mexico in the years 1846–47 und in Lieutenant Col. W. H. Emory's notes of a military reconnoissance from Fort Leavenworth in Missouri to San Diego in California in the years 1846–47. Bei meiner Beschreibung der Stadt Zuñi und deren alten Ruinen, so wie der von mir auf dieser Reise besuchten Ruinen am Colorado Chiquito, die im zweiten Theile dieses Werkes folgt, habe ich ausführlicher über diesen Gegenstand berichtet, und alle mir bekannten Beschreibungen von den Besuchern der Ruinen von Pueblos und von noch bewohnten Pueblos bei dieser Gelegenheit zu Hülfe genommen und mit einander verglichen. Der tiefe Friede, in welchem die Pueblo-Indianer mit ihren Nachbarn leben, macht solch vorsichtiges Verfahren jetzt überflüssig; wir schrieben es wenigstens diesem Umstande zu, daß es uns freistand, zur nächtlichen Stunde ungehindert zu jeder Wohnung hinaufsteigen und eintreten zu können. die wir erreichten, hinauf und befanden uns dann auf einem kleinen, reinlichen Hofe, der mit einer Brüstung umgeben war; wir traten ohne Weiteres in eine geöffnete Thüre, durch welche uns ein Kaminfeuer entgegenschimmerte. Als die anwesenden Bewohner, ein junger Mann und zwei Mädchen, den Besuch bemerkten, nahm ersterer mehrere Decken aus einem Winkel, breitete dieselben vor dem Feuer aus und lud uns freundlich ein, uns auf denselben niederzulassen. Die beiden Mädchen, die mit der Bereitung von Speisen beschäftigt waren, reichten sogleich Jedem von uns einen warmen Mehlkuchen (Tortillas), setzten eine Schüssel mit einem anderen Gebäcke, welches einem großen Wespenneste glich, vor uns hin, und nöthigten durch unzweideutige Zeichen zum Essen. Das Gemach, in welchem wir uns befanden, war nur klein, doch rein bis in die dunkelsten Winkel, und die in den Ecken aufgestapelten Pelze und Decken gaben dem Ganzen einen Anstrich von Behaglichkeit. Die glatten Wände bedeckten Kleidungsstücke, Hausgeräth und Waffen, die mit einer gewissen Ordnungsliebe aneinander gereiht waren. Nachdem wir zur größten Befriedigung der freundlichen Wirthe von den verabreichten Speisen genossen, das übrig Gebliebene in die Taschen geschoben und unsere Neugierde an den umherliegenden und hängenden Gegenständen befriedigt hatten, wünschten wir den Indianern »Gute Nacht« und setzten unsere Entdeckungsreise auf den Dächern der Gebäude fort. In mancher Wohnung sprachen wir noch ein, doch fanden wir überall dieselbe Einrichtung, dieselbe Gastfreundschaft und Zuvorkommenheit, und spät erst kehrten wir zu unseren Zelten auf der grünen Wiese zurück.

In der Frühe des folgenden Tages wanderten wir wieder nach der Stadt, um vor allen Dingen die innere Einrichtung der Kirche in Augenschein zu nehmen, da uns der gefällige Gobernador die Erlaubnis, und mit dieser den Schlüssel zu der unförmlichen Kirchenthüre gegeben und sich sogar selbst mit der größten Bereitwilligkeit zur Begleitung angeboten hatte.

Die Kirche unterschied sich in ihrem Aeußeren gar nicht von den Gotteshäusern kleinerer mexikanischer Städte; rohe Mauern schlossen eine einfache Halle ein, deren Hauptgiebel an den freien Platz stieß und von zwei viereckigen, ebenfalls von Lehmerde aufgeführten Pfeilern, welche das Hauptgebäude etwas überragten, gehalten wurde. Zwischen den beiden Pfeilern befand sich der Eingang und über diesem eine Gallerie, die durch eine Thür mit dem Chor der Kirche in Verbindung stand. Auf dem Dache erhob sich ein gemauertes Gerüst, welches die kleine Glocke hielt und auf seiner höchsten Spitze das Zeichen des Kreuzes trug. Nebengebäude, die in demselben Stile ausgeführt waren, so wie der eingefriedigte Vorhof, halfen das Ganze der Pueblo-Kirche vervollständigen, deren Bau und Einrichtungen unzweifelhaft von katholischen Missionaren geleitet waren.

Das Innere der Kirche entsprach ganz ihrem Aeußeren. Eine Art von Altar, glatte Lehmwände, an denen einige alte spanische Gemälde hingen, bildeten die ganze Decoration, doch befanden sich auch einige rohe indianische Malereien daselbst; unter diesen war besonders hervorragend die Abbildung eines Mannes zu Pferde über einen Haufen von Menschen hinreitend, also ein Conquistador (Anspielung auf die erste spanische Ueberwindung). Eine Vermischung der katholischen und Azteken-Religion trat überhaupt deutlich hervor und vielseitig fand man daselbst die heilige Jungfrau in Verbindung mit einer Indianerfigur, die das unwissende Volk in diesem Norden, wohin nie die mexikanische Macht vom See von Tezcuco aus gedrungen war, Montezuma nennt; unter dem Bilde des Kreuzes waren die erhaltenen Höhlen zu sehen, wo einst das heilige Feuer brannte. In den reichbevölkerten Indianerstädten am Rio Grande und westlich der Rocky Mountains ist das ewige Feuer schon längst erloschen, doch scheint es aus Überlieferungen, die natürlich nicht verbürgt werden können, hervorzugehen, daß an den Quellen des Pecos, da wo jetzt noch die alten Ruinen von Pecos die Aufmerksamkeit des Wanderers fesseln, zuletzt die heiligen Flammen geschürt worden sind. Nach denselben Nachrichten soll Montezuma einen jungen Baum an eben diesen Ort verpflanzt und zugleich geäußert haben, daß, so lange derselbe stehe, die Abkömmlinge der Azteken, die jetzigen Pueblo-Indianer, eine mächtige, unabhängige Nation bilden würden, nach dem Verschwinden des Baumes aber würden weiße Menschen von Sonnenaufgang kommen und das Land überschwemmen. Die Bewohner der Pueblos sollten dann in Frieden mit dieser Nation leben und geduldig der Zeit harren, wo Montezuma zurückkehren würde, um sie wieder in einen großen, mächtigen Stamm zu vereinigen. So lauteten die dunklen, verwirrten Sagen, mit deren Erzählung die begleitenden Indianer uns unterhielten, als wir noch einen Spaziergang durch die Stadt machten. Doch die Zeit verrann schnell, nur flüchtig lugten wir noch hin und wieder durch die Lichtöffnungen der unteren Stockwerke, um die darin arbeitenden Weiber zu beobachten, die nach dem Takte von Gesang und Trommeln hartkörnigen Mais zwischen zwei Steinen zu feinem Mehl rieben oder Hülsenfrüchte reinigten; auch stiegen wir gelegentlich auf die höchsten Dächer der Häuser, um unter den dort aufgehäuften Geweihen ein hübsches Exemplar auszusuchen. Dann eilten wir zu unseren bereit gehaltenen Thieren, nahmen Abschied von den freundlichen Indianern und trabten fröhlich über die sandige Ebene, auf welcher die Wagen schon einen bedeutenden Vorsprung gewonnen hatten. Es war noch früh am Tage, doch begegneten uns schon betriebsame Leute, die hinter zweiräderigen Karren hergingen und mittels einer langen Peitsche die vorgespannten, bedächtig schreitenden Ochsen lenkten oder bepackte Esel vor sich hertrieben.

Auf einer kleinen Höhe hielten wir an und schauten noch einmal nach Santo Domingo zurück, welches wie graue Ruinen aus herbstlich gefärbten Wein- und Obstgärten hervorragte.

In einiger Entfernung vom Rio Grande führte die alte Landstraße an diesem Flusse hinunter. Wir befanden uns dann nach einem Ritte von sechs Meilen dem auf dem rechten Ufer gelegenen Pueblo San Felipe gegenüber, das auf einer kleinen von kahlen Felsen eingeschlossenen Ebene einen nichts weniger als freundlichen Anblick bot. Gleich darauf überschritten wir den Rio Tuerto nahe seiner Mündung, zogen durch die mexikanische Stadt Algodones, und weiter ging es dann am Fuße des Sandia-Gebirges hin, zwischen dessen fortlaufender Kette und dem Rio Grande wir ziemlich die Mitte zu halten hatten.

(Anmerkung 13) Das Sandia-Gebirge ist eine östliche Kette der Rocky Mountains.

(Marcou, a. a. O., pag. 5.)

Der Weg führte uns bald über große Strecken sandigen, unfruchtbaren Bodens, einzig belebt von Prairiehunden und Eidechsen mancher Art, bald an ausgedehnten Wiesen oder Mais- und Bohnenfeldern vorbei. Die Nähe der Ansiedelungen und kultivirten Ländereien war schon lange vorher an den Canälen und Gräben zu erkennen, die nach allen Richtungen die Niederungen durchschnitten und dazu bestimmt waren, das Wasser des Rio Grande den Pflanzen und Saaten zuzuführen, denn ohne diese Vorkehrungen würde es schwerlich gelingen, auch nur spärliche Ernten unter dem trockenen Himmel von Neu-Mexiko zu erzielen. Schaaren von Sumpf- und Wasservögeln belebten die so bewässerten Felder, und häufig gelang es uns unter dem Schutze dichter Maisstauden, den ungeheuren Zügen wilden Geflügels nahe zu schleichen und mit wenigen Schüssen eine große Verheerung unter denselben anzurichten. Die Reise glich auf diese Art einer Vergnügungstour, um so mehr, als blühende Ranchos und Ansiedelungen, die auf Wohlstand und Behaglichkeit der Besitzer deuteten, uns in kurzen Zwischenräumen anlächelten. Eine kleine Tagereise konnte es nur noch bis Albuquerque sein, als wir beschlossen, in der Nähe von Bernalillo, ebenfalls einer Indianerstadt, zu rasten und den kommenden Morgen zu erwarten.

Dämmerung ruhte noch im Thale des Rio Grande; nur die höchsten Spitzen des Sandia-Gebirges begannen im Wiederschein der Morgenröthe zu glühen, als unsere ungeduldige Gesellschaft schon im Sattel saß und kräftig die trägen Thiere zur Eile antrieb. Die Umgebung hatte plötzlich alles Interesse verloren und Aller Augen spähten in die Ferne nach den Kirchtürmen von Albuquerque.

Jeder Vorüberziehende, ob nun Indianer oder Mexikaner, wurde nach der Entfernung bis zu diesem Orte gefragt, doch war die gewöhnliche Antwort: Quien sabe! womit wir uns zufrieden geben mußten.

So waren wir denn so weit gekommen, daß wir uns der südlichen Spitze der Sandia-Berge gegenüber befanden, wo eine breite Landstraße, aus dem Osten kommend, unseren Weg durchschnitt und nach einer anscheinend großen Ansiedelung am Rio Grande führte. Wieder wurden einige dort arbeitende Mexikanerinnen nach der Stadt Albuquerque gefragt, die denn auch lachend nach dem Flusse zeigten, wo eine lange Reihe niedriger Häuser und zwei kleine Thürmchen das Vorhandensein einer Stadt verriethen.

Schnell wurde in die Querstraße eingebogen, die Reiter spornten ihre Thiere, im Trabe folgten die Wagen nach, und bald befanden wir uns zwischen Einfriedigungen und langen Gebäuden, aus deren Thüren und Fenstern Männer in der Dragoneruniform der Vereinigten Staaten schauten. An den Gebäuden vorbei nach einem grünen Platze vor der Stadt, wo uns weiße Zelte entgegenschimmerten, lenkten wir den Schritt unserer Thiere, und bald schallte uns von allen Seiten ein herzliches Willkommen entgegen. Da gab es ein Händedrücken, ein Fragen und Erzählen, als wenn die alten Kameraden nicht drei Tage, sondern drei Jahre von einander getrennt gewesen wären. Wie durch Zauber erschienen Flaschen und Krüge mit vortrefflichen Wein von El Paso, und die Freude des Wiedersehens wurde verherrlicht durch ein festliches Mahl unter freiem Himmel. Nachdem der erste Freudenrausch vorüber, eilten wir, die zuletzt Angekommenen, nach der Stadt, um die für uns auf der Post bereit liegenden Briefe in Empfang zu nehmen, die von dem Gouvernement, in Washington durch die Santa-Fé-Post nach Albuquerque befördert worden waren, und gegen Abend noch sah man in den Zelten einzelne Gestalten, die, von Briefen umgeben, zum dritten und vierten Male Nachrichten aus der fernen Heimath durchlasen. –

Nach einigen Tagen lasen wir im Amigo del Pais, dem Wochenblatte von Albuquerque, folgende Anzeige, die von einigen angesehenen Bürgern der Stadt herrührte und die eine kurze, aber ziemlich genaue Beschreibung der von uns untersuchten Straße enthielt.

Die projectirte Eisenbahn von Albuquerque nach dem stillen Ocean betreffend:

»Wir hatten die Freude die Eisenbahn-Expedition unter dem Commando des Lieutenant Whipple, die am 3. October 1853 wohlbehalten hier eintraf, zu begrüßen. Die Gesellschaft besteht aus folgenden Mitgliedern: Lieutenant Ives vom Topographischen Departement, erster Assistent des Lieutenant Whipple, Doctor John M. Bigelow, Arzt und Botaniker; Jules Marcou, Geolog und Mineralog; E. B. B. Kennerly, Doctor und Naturaliensammler; Albert Campbell, Ingenieur und Feldmesser; H. B. Möllhausen, Naturaliensammler und topographischer Zeichner; Hugh Campbell, Astronom; W. White, Meteorolog; Georg Garner, Astronom und Secretair; John Pitts Sherburn, Meteorolog; Thomas Park, Astronom; Lieutenant Johns vom 7. Infanterieregiment, Commandeur der Escorte; D. S. Stanley, Quartiermeister und Commissair.

Wir erhielten von Lieutenant Whipple die befriedigendsten Nachrichten über die von der Expedition untersuchte Straße. Von Memphis am Mississippi bis nach Fort Napoleon an der Mündung des Arkansas und diesen Fluß hinauf bis nach Fort Smith reiste die Expedition mit möglichster Eile und wurden die wirklichen Arbeiten erst am letztgenannten Orte begonnen. Von Fort Smith zog dieselbe durch die Ländereien der Choctaw-Indianer, folgte dem Thale des Canadian bis zu seiner großen Biegung, schnitt diesen Umweg ab, berührte während der Zeit die Zuflüsse des Washita-Flusses und gelangte nach einigen Tagen wieder an den Canadian, dessen Thal sie dann wieder auf 150 Meilen folgte. Diesen Fluß gänzlich verlassend zog sie die Höhe hinauf, gelangte auf die Llanos Estacados, legte auf denselben eine kurze Strecke zurück und reiste auf der Wasserscheide zwischen dem Canadian und Pecos weiter. Nach Ueberschreitung des Pecos gelangte sie nach Anton Chico, wo sie sich theilte, Mr. Albert Campbell zog mit dem Haupttrain von Laguna südlich am Sandia-Gebirge vorbei, während Lieutenant Whipple die Gebirge nördlich umging, Galisteo berührte und bei Santo Domingo den Rio Grande erreichte. – Auf dem östlichen Theile der Straße sind mächtige Waldungen, deren Holz sich vortrefflich zum Baue von Eisenbahnen eignet, und in solchem Ueberfluß, daß die ganze Länge der Bahn von dort aus mit dem nöthigen Bedarf versehen werden könnte. Doch findet sich auch viel gutes Bauholz in den Gebirgen bei Anton Chico so wie unerschöpfliche Kohlenlager im Staate Arkansas und zu beiden Seiten des Rio Grande Brennmaterialien auf Ewigkeiten sichern. Hindernisse des Terrains sind auf der ganzen Route bis hierher nicht vorhanden, nur selten hat die Expedition zur Nachtzeit Wasser entbehren müssen. Eine Brücke über den Rio Grande del Norte zu bauen wird zwar überall ohne große Schwierigkeiten möglich sein, doch sind als die passendsten Stellen San Felipe, 30 Meilen oberhalb Albuquerque und Isleta, 16 Meilen südlich von diesem Punkte, bezeichnet worden.«

Bis dahin hatten wir uns also eines günstigen Resultates zu erfreuen zwischen dem 35. und 36. Grad nördlicher Breite, aber es blieben unserer Expedition noch die gänzlich unbekannten Regionen westlich von Zuñi bis zu den Küstenstrichen der Südsee zu durchforschen. Wie wir vernahmen, sollten wir in kurzer Zeit den schwierigsten Theil unserer Arbeit beginnen, auch sollte zum Schutz gegen feindliche Indianerstämme noch eine zweite Militairbedeckung von 25 Mann Vereinigte-Staaten-Infanterie unter dem Befehl des Lieutenant Fittball vom Fort Defiance aus zu uns stoßen. Der Winter war vor der Thüre und mußte voraussichtlich viel zu den Hindernissen und Mühseligkeiten beitragen, mit denen unsere Expedition zu kämpfen hatte. Wir genossen einige Tage einer wohlthätigen Ruhe und wünschten uns gegenseitig Glück zur fröhlichen und baldigen Ankunft in der Mission Pueblo de los Angelos am stillen Meere.