Abschnitt 5

Der Oderbruch und seine Umgebung


Gusow


Der alte Derfflinger


Dies führt uns auf Derfflingers Besitzverhältnisse. Diese waren die glänzendsten, und Graf Lippe, in seiner trefflichen, an mehr als einer Stelle von mir benutzten Biographie des Helden, durfte von ihm sagen, »daß er zu den märkischen Granden erster Klasse« gehört habe. Seine bloßen jährlichen Gehälter beliefen sich auf etwa 18 000 Taler, die er aus seinen hohen Stellungen als Generalfeldmarschall, Geheimer Kriegsrat, Statthalter von Hinterpommern, Obergouverneur aller Festungen und Oberster dreier Regimenter 4) zog. Zu diesen Gehältern kam ein bedeutendes Barvermögen und die Revenue von sechs märkischen und vierzehn ostpreußischen Gütern, den sogenannten »Quittainenschen«. Die sechs märkischen Güter waren: Gusow, Platkow, Wulkow, Hermsdorf, Klessin und Schildberg, letzteres 1684 käuflich erstanden. Die ostpreußischen oder »quittainenschen« waren: Quittainen selbst, Grünhagen, Mäcken, Skollmen, Matzweissen, Pergusen, Weinings, Groß-Thierbach, Klein-Thierbach, Krönau, Köllming, Greissings, Lägs, Trauten. Dazu kamen zwei Häuser: eins in Königsberg, eins in Berlin, an welch letzterem Ort er auch einen Garten: »Derfflings Weinberg«, vor dem Landsberger Tore, besaß. Auf diesem Weinberge steht jetzt die Bartholomäuskirche. Das Königsberger Haus kam mit anderem Derfflinger-Besitz an den Feldmarschall Hans Albrecht von Barfus. Das vorerwähnte Berliner Haus steht noch, und zwar am Cöllnischen Fischmarkt Nummer 4. Es ist das sogenannte d’Heureusesche Haus am Abschluß der Breiten Straße. Derfflinger erhielt es 1683 als Entschädigung für die während des Schwedenkrieges in Holstein rückständig gebliebene Besoldung. Er ließ das alte Gebäude, das er vorfand, niederreißen und das jetzige, seinem hohen Range entsprechend, durch Nering, den Erbauer des Zeughauses, aufführen. 5)

Derfflinger war zweimal verheiratet, und zwar in erster Ehe, wie bereits eingangs erwähnt, mit Margareta Tugendreich von Schapelow, Erbanwärterin auf das Lehn Gusow, in zweiter Ehe mit Barbara Rosina von Beeren, auf Kleinbeeren und Wilmersdorf.

Aus seiner ersten Ehe mit der Schapelow, die nur von kurzer Dauer gewesen sein kann, ward ihm eine Tochter, aus seiner zweiten Ehe mit der Beeren eine Reihe von Kindern geboren: zwei Söhne und vier Töchter.

Die Namen aller sieben Kinder waren, nach Pauli, die folgenden:

1. Beate Luise (Tochter erster Ehe), geboren 1647. Sie vermählte sich 1674 »der Kriegstroublen halber« ziviliter und erst 1677 kirchlich als dritte Gemahlin an Kurt Hildebrand von der Marwitz, der 1700 als Generallieutenant zu Küstrin verstarb.

2. Friedrich Freiherr von Derfflinger, geboren 1662, vermählt mit Ursula Johanna von Osterhausen, erbte den reichen väterlichen Besitz und starb kinderlos 1724 als Generallieutenant.

3. Karl Freiherr von Derfflinger, machte als Volontair den Feldzug gegen die Türken mit und fiel am 25. Juni 1686 vor Ofen.

4. Luise Freiin von Derfflinger. Vermählt mit Joachim Balthasar von Dewitz, brandenburgischem Generallieutenant, Gouverneur der Festung Kolberg, Obersten zu Roß und Fuß.

5. Ämilia Freiin von Derfflinger. Vermählt mit Hans Otto von der Marwitz, brandenburgischem Obersten zu Pferde, Johanniterritter und designiertem Komtur zu Wietersheim.

6. Charlotte Freiin von Derfflinger. Vermählt mit Johann von Zieten, brandenburgischem Generalmajor, Gouverneur der Festung Minden.

Da von den zwei Söhnen Derfflingers der eine vor Ofen blieb, der andere kinderlos starb, so ging Gusow samt Platkow in den Besitz von Seitenverwandten über. General von der Marwitz, Sohn von Kurt Hildebrand von der Marwitz und Enkel des Feldmarschalls Derfflinger, erkaufte dasselbe 1724 aus der Erbschaftsmasse für 130 000 Taler und vererbte es auf eine seiner Nichten, die Frau des Ministers Grafen von Podewils. Durch weitere Vererbung kam Gusow 1804 an die Grafen von Schönburg. Graf Clemens von Schönburg ist der gegenwärtige Besitzer.

Gusow jetzt

Alles in Gusow, oder doch alles Beste, was es hat, erinnert an den alten Derfflinger: Schloß, Park, Kirche.

7. Dorothea Freiin von Derfflinger. Blieb unvermählt.

Das Schloß, architektonisch weder schön noch eigentümlich, besteht aus einem corps de logis und zwei langen, rechtwinklig vorspringenden Flügeln, die nun einen Schloßhof bilden. Ein breiter Graben umgibt den Bau nach allen vier Seiten hin, der, mit Hülfe dieser Wassereinfassung, wie auf einer künstlichen Insel liegt. Zwei Brücken führen hinüber. Die Hinterfront gewährt einen Blick in die weiten Anlagen des Parks.




4) Diese drei Regimenter waren die folgenden: Infanterieregiment Derfflinger, 1200 Mann stark, in Küstrin und Kolberg; Kürassierregiment Derfflinger, 600 Mann stark, in der Neumark; Dragonerregiment Derfflinger, 720 Mann stark, in Pommern. Das letztgenannte Regiment »Derfflinger-Dragoner« wurde 1683, wohl aus Courtoisie gegen den Alten, nach Berlin gezogen und erhielt seine Stallungen in Nähe des Schönhauser Tores. Daraus entstand später die Dragonerstraße.
5) Diesem Hause, Cöllnischer Fischmarkt 4, war es vorbehalten, am 18. März 1848 noch einmal eine historische Rolle zu spielen, freilich keine, die dem alten Derfflinger gefallen haben würde. Hier sowohl wie in dem gegenüberliegenden Rathause hatten sich die Aufständischen verschanzt und wurden erst nach hartnäckigem Kampf überwunden. Die Verteidiger des Rathauses wurden alle niedergemacht, bis auf den Führer, den sein Mut und seine Geistesgegenwart rettete. Er trat dem Offizier mit offner Brust entgegen und wurde von diesem sofort niedergehauen; so kam er mit dem Leben davon, weil man Anstand nahm, einen Schwerverwundeten zu töten. Im d’Heureuseschen Hause selbst kommandierte der Blousenmann Siegrist, dem die Ernennung des »Mr. Albert ouvrier« zum Minister der öffentlichen Arbeiten zu Kopf gestiegen war. Er bewies viel Mut, taugte aber nichts und verschwand bald vom Schauplatz.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil