Abschnitt 2

Der Oderbruch und seine Umgebung


Freienwalde


2. Falkenberg


Aber freilich Anleitung und Schulung ging dem »Selbständig-tätig-Sein« der Falkenberger voraus, und das Beste nach dieser Seite hin verdanken sie wohl dem Natur- und Schönheitssinn ihres nächsten Nachbars, des Besitzers von Cöthen, eines Dorfes, dessen Bergpartien und Hügelabhänge den malerischen Rahmen des mehr in der Tiefe gelegenen Falkenbergs bilden.

In dies Cöthener Bergterritorium hinein ermöglichen sich nun, als vorzüglichster Reiz eines Falkenberger Aufenthalts, allerhand Ausflüge und Partien. Wir treffen aber wohl das Richtige, wenn wir nur drei Punkte besonders namhaft machen und ihnen den Preis der Schönheit zuerkennen. Es sind dies die Karlsburg, die Idas-Eiche und der Cöthener Park. Einer kurzen Beschreibung derselben schick ich eine Beschreibung des ihnen gemeinschaftlichen Terrains voraus. Dieses Terrain ist ein nach vorn hin geöffnetes Kesseltal und hat die Form eines Hufeisens. Auf der geschlungenen Berglinie, die das Kesseltal bildet, befinden sich Kuppen, unter denen die zumeist nach vorn hin gelegenen: die Karlsburg und die Idas-Eiche (a und b), mit Recht als die schönsten gelten. Am meisten zurück gelegen liegt das Dorf Cöthen (c). Von ihm aus zieht sich dann, an einem Bach oder Fließ entlang und von Bergwänden eingefaßt, der Cöthner Park bis an die Grenze des Falkenberger Gebiets.

Die Karlsburg, ein heiteres, villenartiges Gebäude, blickt von dem sogenannten Paschenberg aus in die Oderbruchlandschaft hinein. Was ihr als Aussichtspunkt einen besondern Reiz verleiht, ist die aparte Schönheit des Vordergrundes, des Dorfes Falkenberg selbst, über dessen Schluchten, Dächer und Türme hinweg der Blick zu der weiten, grünen Fläche des Bruches hinüberschweift. Leicht vom Dorf aus zu erreichen, ist, zumal um die Mittagsstunde, die Karlsburg der bevorzugte Platz der Falkenberger Sommergäste, und hier in Front des Hauses, unter dem säulengetragenen, geißblattumrankten Vorbau, klingen bei festlichen Gelegenheiten (die sich ja immer finden) die Gläser zusammen, und die bereitstehenden Böller donnern dazwischen und wecken das Echo in den Bergen.

Noch schöner ist die Idas-Eiche. Der Blick ins Bruch ist derselbe, der in die Berge aber umfaßt den ganzen Inhalt des zu Füßen liegenden Kesseltales: Berglehnen und geschlungene Wege, Laubholzgruppen, Häuser und Hütten. Man kann hier von einem Avers und Revers der Landschaft sprechen. Nach beiden Seiten hin ein gleich gewinnendes Bild. Was übrigens diesem Punkte seine begeistertsten Freunde wirbt, ist ein bloßes genrehaftes Beiwerk: eine breite Treppe, die sich spiralförmig um den alten Stamm der Eiche windet und oben in einen Rundtisch oder, poetischer, in eine »Tafelrunde« ausmündet. Die höchste Krone des Baumes spannt sich dann als Schirm über dieser gitterumfaßten Plattform, und wenn der Karlsburg, nach altem Herkommen, der helle Mittag gehört, so gehört der Idas-Eiche die Dämmerstunde, wenn »auf am Himmelsbogen die goldnen Sterne zogen«. Dann ist diese Plattform ein Balkon, wie ich hierlands auf keinem schöneren gesessen. Aus dem Dunkel des Waldes blinken einzelne Lichter herauf, am Horizonte, jenseits des Bruches, ziehen lichtweiße Streifen und verschwinden wieder – nichts ist wach als der Abendwind, der die Eiche, die uns trägt, in ein leises Schwanken bringt. Und das Geplauder wird stiller und stiller, bis es endlich schweigt. Immer heller funkeln die Sterne, immer weiter wird der Blick, bis endlich, wie aus Bann und Märchenschlummer, erst das Rasseln eines schweren Postwagens und dann das begleitende Posthorn uns weckt, das von der Falkenberger Berglehne her herüberklingt.

Der Cöthener Park. Von der Idas-Eiche bis Dorf Cöthen ist wenig weiter als 1000 Schritt, und die Cöthener Dorfstraße passierend, führt uns unser Weg unmittelbar an den Eingang des Parks. Er ist etwas altfränkisch und stammt noch aus einer Zeit, wo man gewissen perspektivischen Künsten den Vorrang einräumte vor der landschaftlichen Schönheitslinie. Marmorköpfe, über deren Bedeutung an der speziell von ihnen eingenommenen Stelle vielleicht immer ein Dunkel walten wird, blicken rätselhaft aus allerhand Felsgemäuer hervor, und Delphine und Löwen speien Wasser und lassen es sich nicht anfechten, daß ihre alabasterweißen Unterkiefer von Eisenocker längst braun geworden sind. Dazu Tempelchen und Muschelgrotten und all die Künste jener alten Parks, deren Musterstücken wir nach wie vor in Schwetzingen und Wörlitz begegnen. Dennoch hat dieser Cöthener Park seine Eigentümlichkeit, weil das Stück Natur eigentümlich war, das zu seiner Anlage genommen wurde. Es ist eine reich mit Laubholz, namentlich mit schönen Buchen, besetzte Schlucht, durch die sich ein Fließ, ein Bach, zieht. Dieser Bach, der in seiner künstlich vielfachen Verzweigung dem Parke hier und dort den Charakter eines Elsbruches gibt, ist in Wahrheit der Quell seiner Schönheit überhaupt. Er begleitet uns von Schritt zu Schritt und ist unser Führer durch die labyrinthischen Gänge. Und nicht genug damit, alle Minuten hält er an, um noch ein übriges für uns zu tun: hier stürzt er sich vom Wehr, aber nur, um an nächster Stelle schon als Springbrunnen wieder aufzusteigen; hier treibt er ein Wasserrad, dort speist er eine überlaufende Vase, und aus der langsam sich drehenden Scheibe daneben spritzen seine dünnen Strahlen zugleich als Schmuck und als treibende Kraft.

Am wenigsten glücklich ist der Park in Inschriften. Wir entschlagen uns ihrer aber und folgen lieber dem plätschernden Fließ, dessen Lauf uns nach einem kurzen Spaziergange durch die Mitte des umwaldeten Kesseltals in die malerisch verschlungenen Straßen von Dorf Falkenberg zurückführt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil