Fahrt von Malta nach Alexandrien; Kandia; Wellenhöhe; Pelikane.

Alexandrien. den 15. September 1822.

Der günstige Wind, mit dem wir den Hafen von Marsamusciatto am 5. September verließen, ist uns treu geblieben, und nach einer Fahrt von 10 Tagen haben wir im großen Hafen von Alexandrien das Anker fallen lassen. Der unfreiwillige Aufenthalt von fast 2 Monaten auf Malta hat das Gute gehabt, daß wir nun Von den herbstlichen Westwinden desto schneller nach der ägyptischen Küste hinübergeführt wurden. Hier in dem neuen Welttheile hat. auch eine neue Welt der Erscheinungen sich aufgethan. Mag man noch so wohl vorbereitet in ein fremdes Land kommen, so gestaltet sich in der Wirklichkeit alles anders, als die Einbildungskraft über Büchern and Landkarten es ausgebrütet hatte. Was man durch Lesung sich aneignen kann, sind immer nur Einzelheiten, die sich nie zu einem vollendeten Bilde runden.


Die schönen Blätter in der Description de PEgyfe 1) geben eine genaue Ansicht des Hafens und Gestades, der Minarets und Schlösser von Alexandrien, aber die engen, dunkeln Straßen, die schmutz-

gen, abschreckenden Sackgäßchen, aus denen die heutige Stadt größtentheils besteht, hat man mit Recht verschmäht, darzustellen. Wie ließen sich überhaupt der rothglühende Himmel, die staub-erfällte Luft, die zitternde Flimmerhewegung des ausgedörrten Sandbodens auf irgend eine Weise im Bilde wiedergeben? Diese Eindrücke ergreifen den Wanderer zuerst, sobald er die ägyptische Küste betritt, sie gehören so wesentlich zu den bunten und zerlumpten Trachten der Einwohner, zu den leichtgebauten, flachgedeckten Häusern, zu den hohen Palmen und langen Kameelzügen, daß sie sich, einmal erfaßt, gar nicht mehr davon sondern lassen.

Doch bevor ich Dich in die ägyptische Hafenstadt einführe, mußt Du vorher mit mir die Seereise von Malta hieher machen. Sie war eben so schnell als glücklich. Bei den im Mittelmeere vorherrschenden NW.-Winden kann man zwar immer auf eine schnelle Fahrt nach den Häfen der Levante, so wie auf eine langwierige Rückfahrt rechnen, doch findet sieh gerade im September und Oktober die größte Regelmäßigkeit in den Luftströmungen des Mittelmeeres. Um diese Zeit eilen daher die Schiffe aller Nationen nach dem Hafen von Alexandrien, um die Erzeugnisse des ägyptischen Bodens von dort abzuholen, ein konstanter Westwind macht auch die Rückreise in diesen Monaten minder beschwerlich, als die darauf folgenden Winterstürme.

Aber nicht allein die Luftströmungen, sondern auch die Wasserströmungen des Mittelmeeres sind bei diesen Reisen wohl zu beachten, und bringen nicht selten Gefahr für die Schiffe. Der Sturm aus

Westen, mit dem wir Abends den Hafen von Malta verließen, hatte uns am nächsten Morgen schon so weit nach Osten gebracht, daß man an dem sehr heftigen Schwanken des Schiffes merkte, wie wir bereits in den Meerstrom gelangt waren, der aus dem adriatischen, und zunächst aus dem ionischen Meere Dach dem Golfe von Sidra geht, dann östlich, die Nordküste von Afrika entlang nach den Mündungen des Nil sich wendet. Der Wind blieb fortdauernd gut, und schon am folgenden Tage war der Meeresstrom durchschnitten, wenn die Schiffe aber hier auf eine Windstille oder einen Nordwind treffen, so werden sie leicht nach der Küste von Afrika hingetrieben, wo bei Stürmen nirgend ein sicherer Hafen sich findet. Selten ist der Eintritt in den Strom, so wie der Austritt, ganz ohne Einfluß auf den Wind. Es ließ sich bei dem Eintritte die verminderte Heftig keit des Sturmes bemerken, und bei dem Austritte hatten wir beinahe Windstille.

Während dieses Ueberganges war das Schaukeln des Schiffes äußerst heftig und von der unangenehmsten Art, indem der Westwind den nördlich herabkommenden Strom im rechten Winkel traf und in kurzen hohen Wellen auftaute. Auch für einen, der wenig von der Seekrankheit leidet, ist es nicht gleichgültig, auf welche Art er geschaukelt wird, und es lassen sich dabei sehr verschiedene Abstufungen bemerken. Hat eine Windstille das Meer geebnet, und springt ein günstiger Hauch auf, dann ist, es höchst behaglich, wenn der Kiel den Rücken der langansteigenden Wellen hinanrauscht, und auf der anderen Seite ruhig hinabgleitet. Mag der Wind bis zum Sturme sich steigern, so erreichen die- Wellen im Mittelmeere selten eine senkrechte Höhe von 14 bis 16 Fuß, und wenn nur der Sturm günstig ist, daß man vom Flecke kommt, so läßt man sich ihn gern gefallen. Dagegen ist die Bewegung des Schiffes am lästigsten, wenn nach sturmbewegtem Meere plötzlich eine Windstille eintritt, wie sie den Gewittern vorhergeht, dann ist das Schiff der alleinigen Willkühr der Wogen preisgegeben, der Kiel bäumt sich fast steilrecht den Rücken der Welle hinan, und stürzt mit seiner ganzen Last in die Tiefe hinab, während die Stangen und Segel, von keinem Hauche geschwellt, mit mißtönigem Klappern und Klatschen an die Masten und Raaen schlagen.

Zwischen diesen beiden sehr entschiedenen Bewegungen giebt es unzählige Abstufungen, die sich nicht alle so leicht charakterisiren lassen. Zu den unangenehmeren gehört die, welche man empfindet, wenn der ungünstige Wind sich zum Sturm verstärkt, und der Schiffer fortfährt, dagegen scharf zu laviren, dann durchschneidet der Kiel die Wellen nicht unter einem rechten Winkel, sondern geht fast parallel damit, das Schiff wird der Länge nach von den Wogen gefaßt und stark auf die Seite gebeugt, während zugleich das Auf- und Abtanzen von der Spitze der Welle nach der Tiefe fortgeht 2).

Die Kenntniß dieser verschiedenen Schwankungen mußte auf der Ueberfahrt nach Alexandrien durch einige Seekrankheit erkauft werden: doch kann ich immer von Glück sagen, daß ich nur am zweiten Tage der Fahrt etwas litt, und die übrige Zeit unangefochten blieb. Ein Malteser Kaufmann, der in Alexandrien ansässig, jetzt dahin zurückkehrt, war die ganze Reise über in einem beklagenswerthen Zustande. Er wurde von einer beständigen Uebelkeit geplagt, ohne daß es je zum Erbrechen gekommen wäre. Das ist das wahre mal de mer der Franzosen, die dem Uebel häufig genug ausgesetzt sind. »Sotiƒƒrez-vous de lamer?« ist die erste Frage eines Franzosen, wenn von Seereisen gesprochen wird. Auch ein Engländer, den wir an Bord hatten, wurde von der Krankheit arg heimgesucht, obgleich er sich bei der Abfahrt mit vieler Zuversicht dahin geäußert, daß das Uebel den seebeherrschenden Britten nichts anhabe.




1) E MVol. II. . 88. 97. 98
2) v. Prokesch unterscheidet 4 Bewegungen des Schiffes: das Rollen, Stampfen, Schwingen und Eilen. Denkw. II. p. 3 ff. Die p. 5 erwähnte Berechnung und Formel findet sich nirgend

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch das Nilthal 1841