WARTBURG b. Eisenach Sachsen Weimar.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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WARTBURG b. Eisenach Sachsen Weimar.

Gegr. höchst wahrscheinlich von Ludwig d. Springer um 1070. Die ältesten erhaltenen Baulichkeiten stammen erst aus dem Ende der rom. Epoche. Im 13. und 14. Jh. war die Wartburg Residenz der Landgrafen von Thüringen und Markgrafen von Meißen. Im 15. Jh. in Verfall. M. des 16. und A. des 17. Jh. zu Wohnzwecken whgest. Seit Beginn des 18. Jh. wieder dem Verfall überlassen. Im Verlaufe des 18. Jh. wurden alle alten Gebäude abgetragen mit Ausnahme des Landgrafenhauses und des hinteren Bergfrieds in der Hauptburg, des Ritterhauses und der Vogtei samt den überdeckten Mauergängen in der Vorburg. 1838-1867 umfangreiche Restaurierung der erhaltenen und völlige Neuerbauung vieler der früher abgetragenen Baulichkeiten unter Großherzog Carl Alexander von Weimar durch Prof. Hugo v. Ritgen aus Gießen. Als Ziel schwebte bei der Wiederherstellung vor, die Wartburg in der Erscheinung wiedererstehen zu lassen, die sie im 12. Jh. gehabt hatte.

Mittelalterliche Bauten: 1. Das Landgrafenhaus, Palas, großes dreigeschossiges Wohngebäude aus Sandstein. Berühmt als besterhaltener rom. Palasbau auf deutschem Boden, aber in wesentlichen Teilen und nicht durchweg richtig restauriert. Die Außenwand steht auf der Ringmauer. Die Hofseite als Schauseite reich geziert durch Arkadengalerien, deren Sll. und Kapitelle zu etwa einem Drittel die ursprünglichen sind. Treppenaufgang modern und falsch rekonstruiert. Über der Tür rom. Relief, früher in der Vorburg. Die Gestaltung des Gurtgesimses zwischen 2. und 3. Geschoß läßt vermuten, daß es ursprünglich Dachgesims war, mithin das 3. Geschoß etwas später hinzugefügt ist. Die SSeite des Palas im oberen Teile erneuert, mit einem modernen Balkon. Die OSeite, ursprünglich durchaus nicht als Schauseite gedacht, bei der Restaurierung wesentlich »verschönert«. Der NGiebel, das Dach und zwei der großen Rauchschlote erneuert. — Das Innere: Im Kellergeschoß einfache, im wesentlichen unveränderte Räume ohne Zierformen. Im Erdgeschoß 3 Wohnräume, der mittlere mit Balkendecke, die durch eine aus Eisenach übertragene rom. Steinsäule gestützt wird, die beiden anderen mit je 4 rom. Kreuzgewölben überspannt, die [pg 413] durch reich verzierte Mittelsäulen getragen werden. Fenster— und Türöffnungen in diesen Räumen meist die ursprünglichen. Einer derselben, die sog. Kemnate der hl. Elisabeth, neuerdings mit byzantinisierenden Mosaiken ausgekleidet. — Wohl erhaltene Innentreppe, die zum mittleren Geschoß emporführt. Hier das Landgrafenzimmer mit erneuerter Holzdecke und erneuerten Arkadenfenstern. Reich verzierte rom. Stützsäule. Wandgemälde von M. v. Schwind. Der Sängersaal mit Holzdecke und zwei alten Stützsäulen. Wandgemälde von Schwind, den sagenhaften Sängerkrieg darstellend. Anstoßend die Sängerlaube, zu der Stufen hinanführen, erneuert. Kapelle, nicht im ursprünglichen Bauplan vorgesehen, wahrscheinlich von Landgr. Ludwig für seine Gemahlin Elisabeth eingebaut. Eine reich verzierte rom. Mittelsäule, trägt die Kreuzgewölbe. Fenster der SSeite mit skulptierten Kaptt. alt. — Holzkanzel von 1628. Got. Chorstuhl. Viele kleinere ma. Ausstattungsstücke. — Elisabethgalerie mit Wandgemälden von M. v. Schwind. Wendeltreppe aus dem 19. Jh. führt zum Obergeschoß, das einen einzigen großen Saal enthält, dessen Ausstattung durchweg neu ist. Die Arkaden der Zwischenwand sind sämtlich alt, die der W- und NWand zum Teil. Decke und Dach nach Ritgens Entwurf rekonstruiert.

2. Der hintere Bergfried im Hofe der Hauptburg, got. Sein hohes Dach wurde 1803 abgetragen und durch einen Zinnenkranz ersetzt.

3. Ringmauer der Hauptburg gegen S und W im Unterbau alt, in den oberen Teilen meist erneuert.

4. Zisterne im Hofe der Hauptburg, jetzt ohne Überdeckung und mit einem ganz irreführenden Zinnenkranze aus dem 19. Jh. umgeben.

5. Torturm in der Vorburg, Unterbau rom., Oberbau im 16. Jh. abgetragen bis zur Dachhöhe des aus got. Zeit stammenden

6. Ritterhauses, das aber bei der Restaurierung im 19. Jh. durch romanisierende Arkadenfenster entstellt wurde. Im Erdgeschoß Wachstube mit got. eisenbeschlagener Tür. Im 1. Obergeschoß reizvolle Eingangshalle mit spgot. Deckenbemalung. Gegen S stößt an das Ritterhaus

7. die Vogtei, das massive Erdgeschoß aus 15. und 16. Jh., der Oberstock aus Fachwerk, mehrfach erneuert. Hier eingebaut das got. geschnitzte »Pirckheimerstübchen« aus Nürnberg und die Lutherstube mit got. und Renss. Möbeln, Bildern von Cranach usw. An der SSeite der Vogtei got. Holzerker aus Nürnberg angebaut. 8. Der Margarethengang, ein überdeckter Verbindungsgang [pg 414] auf der westlichen Ringmauer der Vorburg.

9. Der Elisabethengang, überdeckter Verbindungsgang mit angebautem Schützenerker auf der östlichen durchweg wohlerhaltenen Ringmauer der Vorburg.

Bauten aus der Zeit der Restauration (1838-1867): Das an der SSeite des Palas angebaute, massive, in rom. Stile gehaltene Badehaus an der Stelle eines früheren Fachwerkbaues. An der WSeite das Gadem (Gästehaus) in Fachwerkstil. (Der Keller unter diesem Gebäude ist noch mittelalterlich.) Nördlich an den Palas anstoßend die in rom. Stil ganz massiv erbaute neue Kemenate mit Wohnräumen für den Hof (Keller mittelalterlich,), auf drei Seiten um den Hauptturm herumgebaut, der ungefähr auf den Fundamenten des alten, ebenfalls quadratisch gewesenen, im 18. Jh.. abgetragenen Hauptturmes neu errichtet ist. Torfahrtshaus, das Haupt- und Vorburg scheidet, in rom. Stile gehalten, darüber ein länglicher Wohnraum, die sog. Dirnitzlaube; endlich an der WSeite, teils in der Haupt-, teils in der Vorburg stehend, die Dirnitz, massiv in got. Stil erbaut. Unterbauten z. T. noch mittelalterlich. Im Erdgeschoß der reichhaltige Rüstsaal, in den oberen Geschossen Wohnräume für Gäste. Reich geschnitztes »Schweizerzimmer«, aus dem Schlosse der Herren v. Salis-Soglio bei Chur, treffliche SpRenss.-Arbeit. An der N Seite außen rom. Steinrelief: Simson mit dem Löwen.