Vaterland

Aus: Reden über Vaterland, Freiheit, deutsche Bildung und das Kreuz
Autor: Baumgarten-Crusius, Carl Wilhelm (1786-1845) Altphilologe, Pädagoge, Rektor der Landesschule Meissen, Erscheinungsjahr: 1816

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sozialgeschichte, Befreiungskrieg, Napoleon, Erziehung, Gelehrsamkeit, Heimat, Vaterland, Befreiung, Freiheit, Tyrann, Heldenmut, Russland, Tapferkeit, Grausamkeit des Kriegs, Beistand, Unterdrückung, Unterdrücker, Flucht, Flüchtlinge, Völker, Fürsten, Glauben, Wissenschaft, Handel, Verkehr, Bildung
„Gesandte der Friesen kamen nach Rom, und während sie auf Nero warten, den andere Beschäftigungen fesselten, betreten sie nach andern Merkwürdigkeiten für Fremdlinge das Schauspielhaus des Pompejus, die Menge des Volks zu sehen. Dort, indem sie unbeschäftigt — denn die Spiele ergötzten nicht die Unkundigen — nach der Versammlung auf den Sitzen, nach den Unterschieden der Stände, welches die Ritter, welches der Senat, fragen; bemerkten sie einige in ausländischem Gewand auf den Sitzen der Senatoren; und als sie auf die Frage: wer diese, hören: solche Ehre sei den Gesandten der Völker widerfahren, welche durch Tapferkeit und Freundschaft gegen die Römer sich auszeichneten; rufen sie: niemand unter den Sterblichen gehe an Waffenruhm oder Treue über die Deutschen; und schreiten die Stufen hinab, und setzen sich in die Reihen der Senatoren.“ Tacit. am angef. O.

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Mit solcher Größe, mit solchem Selbstgefühl sprachen zwei unserer Vorfahren. Als Bittende kamen sie in die Mitte eines entarteten, aber übermächtigen Volks, an den Hof eines zügellosen Tyrannen. Geteilt und in Zwietracht in ihrem Vaterland, nie besiegt, aber stets kämpfend, durch bürgerlichen Zwist der Einwirkung des listigen Feindes hingegeben, und durch seine Bündnisse und Friedensschlüsse betrogen, ein edles und unglückliches Volk, vergaßen die Deutschen nicht ihrer ersten Tugenden, der Tapferkeit und der Treue; sie sprachen vor den Unterdrückern kräftig ihren Wert aus, und setzten sich selbst in den Rang, der ihrer inneren Größe zukam, und — so groß ist die Gewalt der Seelengröße und des Muts selbst über die gemeinen und verdorbenen Menschen — die Menge jubelte ihnen Beifall, und der Tyrann gewährte die Bitte, die sie nach Rom geführt hatte. — Das ist die gewaltige Liebe zu dem Vaterland, zu dem eignen Volk, begründet auf die Vorzüge und die Taten beider, auf ihre Wohltaten gegen uns, und auf die Pflicht der Dankbarkeit gegen sie, die in dem Herzen jedes edlen Menschen glüht und zu Geist und Leben und herrlicher Tätigkeit wird, die, wenn sie allen Mitgliedern eines Volks von früher Jugend mitgeteilt, und durch weise Erziehung gepflegt und von dem dunkeln Gefühl des Herzens zum festen Grundsatz des Verstandes erhoben worden ist, ein herrliches Ganze bildet, einen Verein von Tausenden, von Millionen edler Menschen, von Gott und Natur zu Einem zusammengestellt, ehrwürdig durch seine Begründung, herrlich in seiner Gestaltung, segensreich innen und außen in seinen Wirkungen, furchtbar durch seine Kraft den anstürmenden Gegnern. So fühlten die Alten, was Vaterland ist, so fühlen es die großen Nationen unserer Zeit. Unglückliches Verhängnis der Deutschen, dass sie es durch die Schicksale ihres Volks, durch den Gang ihrer Bildung, selbst durch Tugenden ihres Charakters, die sich in falschen Richtungen verirrten, zu fühlen endlich fast verlernt haben. Lasst uns sie näher ins Auge fassen, die Hindernisse der größten bürgerlichen Tugend unter uns, und ihnen mit dem Wort der Wahrheit begegnen.

Der Weltbürgersinn ist es zuerst, vor dem bei vielen das Wort Vaterland verschwindet, und gerade die besseren, wenigstens die Gebildeteren, verlieren sich in diesem halb gedachten Worte, oder sie brauchen es wenigstens zum Deckmantel ihrer Kälte oder ihrer feindseligen, verräterischen Gesinnungen. Nicht bei dem Wohl einer kleinen Anzahl Menschen, nicht bei dem Gedeihen des eignen Ackers, sagen sie, müssen die Wünsche und Anstrengungen des höheren Menschen stehen bleiben; nur der gemeine, einseitige Mensch kann bei so Kleinem, so Beschränktem sich beruhigen. Die ganze Welt, die gesamte Menschheit haben wir im Herzen. Mögen Tausende, mögen unsere eignen Umgebungen zu Grunde gehen, wenn nur der erhabene Endzweck der allgemeinen Völkerbeglückung erreicht wird; mag ein grausamer Krieg, mögen alle Schrecknisse der Natur und der menschlichen Erfindung die Widersetzlichen morden und niederwüten; die große Gesamtheit muss und wird endlich dabei gewinnen, das Resultat aller Plagen kann kein anderes, als allgemeiner Friede, ewige Ruhe, dauerhafter Wohlstand in unangefochtener Zufriedenheit sein. Geht zurück zu den früheren Predigern dieser Weisheit; hört die Weltstürmer des französischen Volkstaumels; vernehmt die laut ausgerufenen Verheißungen des letzten großen Eroberers, und ihr werdet bei allen dieselben groß und herrlich tönenden Worte finden. Was noch wunderbarer ist, die, welche das Christentum kennen, oder es bei ihren Behauptungen zu Hilfe zunehmen würdigen, — denn auch nur Unterstützung und Mittel, nicht Grundsatz und Quelle pflegt es diesen zu sein — glauben ihre Meinung dadurch vollkommen bestätigt zu sehen. Sein Hinstreben auf das Allgemeine, seine Verkündigung des Weltfriedens, sein Predigen der Menschenliebe, was scheint es anders, als eins und dasselbe mit dem Angeführten zu sein? So geschickt weiß Satan, sich in einen Engel des Lichts zu verhüllen; so muss das Göttliche die schändlichsten Absichten nicht nur der Menschen, nein selbst der untersten Hölle bemänteln; so muss sogar die liebe den hinterlistigen Bestrebungen des unbegrenzten Stolzes, der zügellosen Selbstsucht frönen! und eine Menge feiler Schmeichler oder schwacher Nachbeter und Halbdenker lallen die angepriesene Weisheit nach, und schreien sie mit Wortgepräng und schreckenden Drohungen solange aus, bis sie die Weisheit der Welt geworden ist. Aber nimmermehr wird der Christ, wird der Mensch, der klar denkt und richtig fühlt, ihr huldigen. Der Allmächtige allein, der auf dem Stuhle der Weltherrschaft sitzt, der Allwissende, der die Begebenheiten von Ewigkeit voraussah, und mit einem Überblick alles ordnet und lenkt, der Allweise, der Zwecke und Mittel unfehlbar zu vergleichen und gegen einander abzumessen vermag, und der bei solchen Eigenschaften das Vertrauen und die Zuversicht aller vernünftigen Geschöpfe darum hat, weil er die Liebe ist, nur Gott allein kann und darf solche Worte reden; und eben darum ist das Christentum die wahre, die göttliche, die ewige Religion, weil es diese Grundsätze predigt, weil es von seinen ersten Fortschritten an sie ins Werk gesetzt und zum Segen der Mensch, heil, die es hörte und ihm folgte, ausgeführt hat, weil es seinen Zweck immer herrlicher und vollkommener erreicht, je weiter es in und um uns mächtig und wirksam wird, und weil wir das Ziel und den Frieden und das Glück unsers Geschlechts erst dann in seiner Vollendung erwarten und zuversichtlich voraussetzen, wenn jenes über alle Feinde siegreich den unvergänglichen Thron eingenommen hat, wenn alles in ihm eins, wenn im wahren Sinne des Worts ein Hirt und eine Herde, ein einziges himmlisches Vaterland, eine ewige Heimat ist. Aber nicht beschränkte, nicht kurzsichtige, nicht endliche, nicht von Irrtümern, Schwächen, Leidenschaften befangene Menschen sind es, die so hohe Weisheit lehren, und zu Werkzeugen ihrer Aueführung sich auswerfen, oder sich wohl an die Spitze des Ganzen stellen und die ungeheure Rolle der Stellvertreter Gottes übernehmen dürfen. Höre sie nicht! Du hörst nur die Sprache des Trugs und der Verblendung, die Sprache des Stolzes und der Selbstsucht, in übermenschlichem Wahnsinn oder in teuflischer Bosheit gesprochen. An ihren Früchten sollst du sie erkennen. Sie lassen das eigne Haus untergehen, sie verraten das heimische Land; das Jammern der Weiber, die Tränen der Kinder, die Wehklage und der Fluch unzähliger durch sie Unglücklicher sind ihnen nichts; sie gehen über den Garten Gottes wie Landplagen und Erdbeben und Gewitterstürme einher; ein grimmiger Pesthauch vergiften sie, was vor ihnen und um sie in frischer Schönheit blühte und fröhlich zum Himmel emporschaute, und auf dem niedergetretenen Segen der Erde, auf dem zertrümmerten Glück der Menschheit sieht der Thron der Hölle aufgebaut. Frage die Geschichte, und sie tönt wieder von den Gräueln der sogenannten Menschenbeglücker; sieh auf die Gegenwart, die du selbst erfahren hast, und du schauderst vor den grässlichen Ereignissen der Zeit, aber du erkennst auch den Donner Gottes in den Narben, die die Stirne, des ewigen Lügners furchen. Nein, die Mutter, die mich gebar, die mich die ersten Töne meiner Sprache lehrte, der Vater, der sorgend und wachend meine Kindheit leitete und mich zum Mann erzog, alle die Guten., die Kräfte und Mühe mir opferten, sie sind meine erste Liebe; und sie führten mich aus in das Leben, und überall tönte mir dieselbe Zunge, und alle Künste und Wissenschaften boten sich mir dar, und ich lernte das Dasein mir erhalten und sichern, und durch körperlichen und geistigen Genuss verschönern. Noch ehe ich war, hatte mein Land für mich gesorgt, und mir Hilfsmittel und Anregungen und Belohnungen bereitet, und mir den Weg gebahnt, die ausgebildeten Kräfte für meine Brüder zu verwenden. Dünn hörte ich die süßen Worte der Liebe, und das Weib meines Herzens sank an Meine Brust, und mit ihr waltete ich im stillen Haus in altertümlicher Mäßigkeit. Die seligste Freude des Lebens ward mir, als mein Kind mit meinem Namen mich begrüßte, und Wonne war mir das Geschäft, auch ihm Sorger, Führer, Erzieher zu sein. Dann, wenn ich die Pflichten gegen mein Haus treu und redlich erfüllt hatte, dann lachte mir die Welt, und ich fand mich mutig und froh, auch für andere wirksam und nützlich zu sein, und meinem Vaterland seine Schuld zu bezahlen, und mit den Männern gleichen Sinns mich zu verbinden, und wie die Gelegenheiten und Kräfte wuchsen, meine Arbeit zu vermehren, ihren Kreis auszudehnen, und, so weit Gott es wollte, zu dem Wohl des Ganzen beizutragen, und auch für meine fremden Brüder wohltätig zu sein. Ja ich bin ein Bürger der Welt, ich bin ein Bruder aller Menschen; aber ich bin es nicht, wenn ich nicht zuerst Bürger meines Vaterlands, Bruder der Menschen meines Volks gewesen bin. Ja die Welt ist mein großes Vaterland; aber sie ist es nicht, wenn nicht das Land, das Gott und Natur zu dem meinigen machte, mir das erste Heiligtum meines Herzens, meiner Liebe, meiner Dankbarkeit war.

02 Blick auf die Wartburg (Auf der Wartburg)

02 Blick auf die Wartburg (Auf der Wartburg)

03 Schloss Altenburg (Schloss Altenburg)

03 Schloss Altenburg (Schloss Altenburg)

04 Besigheim a. Neckar (Neckarstädchen)

04 Besigheim a. Neckar (Neckarstädchen)

05 Südseite der Mainbrücke (Würzburg)

05 Südseite der Mainbrücke (Würzburg)

06 Schloss Elmau (Schloss Elmau)

06 Schloss Elmau (Schloss Elmau)

01 Markgraf Eckard und Markgräfin Uta (An der Saale)

01 Markgraf Eckard und Markgräfin Uta (An der Saale)

Norddeutschland 000 Wismar

Norddeutschland 000 Wismar

Norddeutschland 001 Wismar, Nikolaikirche, an der Frischen Grube

Norddeutschland 001 Wismar, Nikolaikirche, an der Frischen Grube

Norddeutschland 002 Geldern, Blick von der Pfarrkirche zum Ostwall

Norddeutschland 002 Geldern, Blick von der Pfarrkirche zum Ostwall

Norddeutschland 003 Zons, am Niederrhein, Uferseite

Norddeutschland 003 Zons, am Niederrhein, Uferseite

Norddeutschland 004 Emmerich mit Rheinufer, Martinikirche

Norddeutschland 004 Emmerich mit Rheinufer, Martinikirche

Norddeutschland 005 Münster, Am Prinzipalmarkt

Norddeutschland 005 Münster, Am Prinzipalmarkt

Norddeutschland 006 Rheine an der Ems

Norddeutschland 006 Rheine an der Ems

Norddeutschland 007 Rostock, Altstadt, Petrikirche und Petri-Tor (2)

Norddeutschland 007 Rostock, Altstadt, Petrikirche und Petri-Tor (2)

Norddeutschland 008 Kolberg, Marienstraße und Dom (Aufnahme der Messbildanstalt) (8)

Norddeutschland 008 Kolberg, Marienstraße und Dom (Aufnahme der Messbildanstalt) (8)

Norddeutschland 009 Rostock, Altstädter Markt, Speicher

Norddeutschland 009 Rostock, Altstädter Markt, Speicher

Norddeutschland 010 Bremen, Gasse beim Abenthorswall

Norddeutschland 010 Bremen, Gasse beim Abenthorswall