Abschnitt 1

II. De Festung M


Kapitel 8


Dat bi weck Lüd' de ganze christliche Moral nich en Pund Toback wirt is, un dat dat würklich Preisters in de Welt giwwt, de kein Tid tau ehr Amt hewwen. Worüm den Herrn Inspekter sin leiwes Mulwark as en Knoplock let, worüm de Fleigen den Herrn Platzmajur sinen roden Kragen upfreten.

Einige Dag' drup, so gegen Abend, hürte ick, dat bi minen Nahwer Gr. upslaten würd – dat geschach bi uns allen ümmer üm dese Tid, denn denn würd rein makt un frisch Water halt. Ick kloppte an mine Dör, un D....mann slot up, obschonst de Gefängnisknecht bi minen Fründ Gr. noch nich farig was; ick kamm rute un gung up Gr. tau un kunn doch en por Würd' mit em reden. As de Stuw' rein was, röp D....mann: »Herr Gr.!« un Gr. gung in sin Lock herin; äwer ick ok un set'te mi ahn wideres up dat Bedd. D....mann röp mi, ick süll rute kamen; ick äwer regte mi nich un meinte, hei künn mi jo bet Klock nägen bi minen Kammeraden sitten laten, denn kem hei jo doch noch mal wedder taum Tausluten för de Nacht. – Ne, dat künn hei nich, dat wir gegen de Husordnung, de Inspekter paßte em ümmer up den Deinst. – Ick säd, de Inspekter würd gewiß nich kamen, un säd, ick ded em ok mal wedder en Gefallen, indem ick nich ahn Absicht so'n beten stark mit den Tunpal up dat Pund Toback henwinkte. Un wat was dat En'n? – Herr D....mann slot uns beid tausamen in.

Dor seten wi nu un vertellten uns von ollen un nigen Tiden. Gr. gaww mi en Metz un allerlei Kleinigkeiten, de hei missen kunn, un't würd afmakt, ick süll bi de Kummandanten inkamen, dat wi tausamen wahnen wullen. Binah all de annern wahnten tau twei in ehr Stuwen, un't müggt uns jo ok woll glücken.

Äwer worüm vertell ick so'ne Kleinigkeiten? – Dorüm, wil ick nahwisen kann, dat min Pund Toback de ganze schöne, nah allen Kanten so faste Husordnung ümsmiten ded. – De Gefängnisknecht K. hadd seihn, dat D....mann sick arg gegen de Bestimmungen von den Grafen H. versünnigt hadd; hei würd jo dit glik an den Inspekter vertellen; de hadd nu den Slüter schön in de Fingern, dat hei em nich mihr hinnerrüggs bi den Kummandanten anpetzen kunn. Kort, de ganze, up gegensidige Furcht un Niderträchtigkeit von de Beamten gründte Uprechthollung von den Grafen H. sine scharpe Husordnung föll för ein Pund Toback. Un dat fratt mit de Wil so wid üm sick, dat ick, as noch lang' kein Johr vergahn was, de Slätel ut den Inspekter sine Stuw' herute halte un all de Gefängnissen upslot. – Doch dorüm geschach nicks Unrechts von uns – as denn äwerall in vir Johren äwer twintig bet dörtig junge Lüd' keine Klag' bi de Kummandantur vörkamen is, taum groten Arger von den irsten Kummandanten, de up öffentliche Parad' wütend tau den Inspekter seggt hewwen sall: »Wieder nichts zu melden? – Melden Sie was, und ich werde den Leuten zeigen, wie man mit Hochverrätern umgehen muß!« – Un all de erbärmlichen Quälerien, mit de wi schurigelt würden, wiren nich mal en Pund Toback wirt!

Hir kann mi nu einer fragen, ob dat recht von mi was un ob dat mit de christliche Moral stimmt, dat ick en Beamten von sine Pflicht afwennig makt heww? Dorgegen möt ick antwurten: ick heww't oft lesen un ut den Mun'n von sihr frame Lüd' hürt, dat de Handlungen von de Lüd', de de bäwelsten Spitzen von de menschliche Gesellschaft utmaken, gor nich nah de christliche Moral tau taxieren sünd, worüm will denn einer de ündelsten Spitzen – un dat sünd de Gefang'nen – mit en anner Mat meten? Aller Welt Hand was gegen uns, un wenn wi nich unnergahn süllen, müßten wi uns wehren; un gegen wen? – Gegen so'n Kirl, den sine christliche Moral nich mal en Pund Toback wirt was, den wi nahsten sogar bi't Zigarrenstehlen attrapierten.

Nu wehr sick mal einer mit de christliche Moral gegen einen Minschen, de vör Wut barsten müggt, dat hei junge Lüd', de in äwerminschliche Geduld Johre lang allens dragen, tau keine Klag' Anlat gewen hadden, nich noch scharper anfaten kunn, de tau de strengen, gedruckten Bestimmungen för den sworen Unnersäukungsarrest noch nige, strengere utfünnig makt un sei uns in dat Gefängnis rinne hängt hadd! – Nu wehr sick mal einer mit de christliche Moral gegen 'ne Karnallj von Kirl, de de gemeinsten Niderträchtigkeiten utbräuden ded, üm dat arme, jammervulle Lewen noch jammervuller tau maken!

Un wat ded denn de preußische Staat för unsere christliche Moral? – Dat is un was ok dunn 'ne gesetzliche Bestimmung, dat jeder Gefang'ne sünndags in de Kirch gahn süll, un wo ick bether west was, in S., künnen wi ümmer in de Kirch gahn; äwer hir? – Wat den Spitzbauwen, Röwer un Mürder tau Gaud' kümmt, dat was uns afsneden: in vir Johr hadd kein einziger wat von christlichen Gottsdeinst, noch äwerall von en Preister seihn. – De Katholiken utbenamen; denn dat möt einer den katholschen Paster E. nahseggen, wat sei em ok von Kummandantur wegen för Stein in den Weg smeten, hei wüßt sei all furttaurümen, bet hei allwöchentlich sine Bichtkinner besäuken kunn. Äwer de evangelischen Preisters! Ih, Gott bewohre, föll ehr jo gor nich in. – Un as wi uns tauletzt mit de grötste Dringlichkeit an de Kummandantur üm Gottsdeinst wennen deden, dunn kamm so'n Unglücksworm von Preister up den Hof – wi wiren grad in de Fristun'n – un säd uns, de Kummandant hadd em schickt wegen den Gottsdeinst; äwer hei hadd kein Tid, hei hadd tau vele annere Geschäften, hei wull äwerst tauseihn, wat hei uns nich de anner Woch up den Husbähn – dat was de Waschbähn, wo de Hemden un Hosen un Strümp von de Kriminalgefangen drögt würden – 'ne Homilie lesen künn. – Dunn säden wi em, wi bedurten, dat hei kein Tid hadd; un wenn sine Homilie mit den Waschbähn as Kirch tausam stimmen ded, denn bedurten wi, dat wi von sinen waterigen Kram keinen Gebruk maken künnen; dat freut' em denn ogenschinlich, un hei gung.

Ick kamm nu, as wie uns dat verafredt hadden, bi de Kummandantur in, wat ick nich mit minen Fründ Gr. tausamen trecken künn, un 't würd taugestahn; ick treckte nu also tau em herüm, un dor seten wi nu un warmten uns an enanner, un mit 'ne Hast würd fragt un Antwurd gewen, as wir morgen kein Tid mihr dortau. Wi frogen un vertellten; äwer jede Antwurd was trurig, sine Nahrichten wiren äwer noch vel truriger as mine, am slimmsten was't hir in M. taugahn. En Stückener acht von unsre Kammeraden wiren ogenblicklich in't Lazarett bröcht; krank wiren ok all de äwrigen; äwer för uns was de Rum in dat Lazarett man knapp, dorüm müßt denn af un an mal wesselt warden. Ein hadd Tuberkeln in de Lung', ein de Rüggendarr, ein was dow un ein lähmt worden, ein was wegen Swindsucht entlaten un ein wegen Verrücktheit, un bi en annern was de Verrücktheit grad utbraken, as ick ankamm.

Dat wiren de Slimmsten, de annern leden an de Ogen, an de Lewer un an Blaudandrang nah den Kopp, un as ick nah Johr un Dag ut dese Höll herute kamm, was ick so tämlich de einzigste, de kein grises Hor uptauwisen hadd, all de annern 24-25jöhrigen Lüd' hadden wenigstens de Spuren dorvon.

In de irsten Monate, de ick in M. was, kemen weck von min Kammeraden fri, meistendeils Bonnenser un Hallenser, de tau geringere Straf verurtelt west wiren. Dat was en grotes Freuen bi de, de dat Glück hadden; äwer ok bi de annern, de taurügg blewen, man blot, möt ick dortau setten, was dese letztere Freud' nich ganz rein von eigene Hoffnungen un Wünsch, denn wenn de fri kemen, denn müßten wi jo ok ball fri kamen: wat hadden wi denn mihr dahn?

För Gr. un mi hadd de Sak äwer uterdem wat in den Mun'n, wat uns sihr tau Paß kamm, wi treckten in dat tweite Stockwark in de Eckstuw', de dörch den Inspekter sine Käk un Wahnung von de annern Gefängnissen scheidt würd. Dat was gaud, denn wenn de Inspekter uns en Breiw oder wat anners tau bringen hadd, würd em en Hüker henschaben, hei set'te sick en beten – hei hadd jo ok lang' Wil, un hir hürten de annern nicks – ein Wurd gaww dat anner, wi kregen doch bi weg'lang tau weiten, wat buten passieren ded, ok wat in de Zeitungen stunn, denn de wiren verbaden. – Gr. was Katholik, em besöchte af un an de Paster E., un dat was en uperweckten, lewigen Mann, de uns mit sine Munterkeit unner de Ogen gung un uns männig schön Mal up annere Gedanken bröcht hett. – Mi besöchte – ob mit, ob ahn Verlöw von den General, weit ick nich – af un an ein Herr K...f, Geschäftsführer von dat bedüdende Handelshus M. & W., un ümmer hadd hei mi tau Gefallen sick wat utdacht, wat mi Freud' maken künn. Alle Sünndag kamm de olle ihrliche Husknecht von sin Kophus un bröcht bald dit, bald dat taum Middageten, nich so'n lütten taugedeckten Teller, as de framen un riken Lüd' in gauden Stun'n an de Armen un Kranken schicken, ne! so'n richtigen, dägten Braden, an den sick so'n por tausamschräu'te junge Magen mal wedder en por Dag' lang richtig utliwen kunnen. Bet de letzte Stun'n, de ick in M. was, hett de Mann as en Brauder an mi handelt, un deswegen was ick ümmer in de Meinung, hei ded dat in Updrag von minen Vader; äwer ne! Min Vader hett nicks dorvon wüßt, hei hett dat all ut sinen gauden Harten dahn; äwer worüm grad an mi? – Ick weit't nich – hei is doräwer wegstorben, ick heww em nich dornah fragen, mi nich mal bi em bedanken künnt.

Dese leiwe, truge Mann hadd mi nu mal, as hei sach, dat ick en beten teiken kunn, en Kasten mit Pastellstiften mitbröcht, un nu süll't Malen recht losgahn; äwer as Gott den Schaden besach, wull de Farw nich up't Poppier hacken. Alles mägliche würd versöcht, äwer nicks hülp mi wider; binah en halwes Johr heww ick dormit rümmer probiert, bet tauletzt de Inspekter mal mit de einfache Nahricht tau Hus kamm, dat müßt mit den lütten Finger inrewen warden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid