Abschnitt 1

Reise nach Hebron und dem Sinaï.


Tagebuch über seine Reise von Jerusalem durch das Peträische Arabien und einen Theil Unter-Aegyptens.


Reise nach Hebron und dem Sinaï. 1)


[13. März 1807.] Da ich alle Ursache gehabt hatte, mit Stephan, meinem astronomischen Gehülfen, zufrieden zu seyn: so wünschte ich sehr, daß er auf meiner Reise von Jerusalem nach dem Sinaï und ferner nach Aegypten in meinem Dienste bliebe. Allein, er besorgte, die Strapatzen auf einer Reise durch die Wüste nicht aushalten zu können, und nichts war vermögend, ihn zu dieser Reise zu bewegen. Er schlug mir indessen einen nahen Anverwandten zu meinem Bedienten vor, und da ich fand, dass er lesen und schreiben könne, und es ihm also leicht seyn würde, die Uhr zählen zu lernen: so wurde ich bald mit ihm über seinen Lohn einig, welchem ich am Ende der Reise in Kahira noch ein Geschenk hinzuzufügen versprach, wenn ich mit ihm zufrieden seyn würde. Er hiess Anton Stephân, war etliche 30 Jahr alt, seines Handwerks ein Schuster und Rosenkranzdrechsler, und unverheurathet.

Da, so viel mir bewusst ist, noch Keiner astronomische Beobachtungen auf dem Sinaï gemacht hatte, und dieser schon seit den urältesten Zeiten so berühmte heilige Berg dies vorzüglich zu verdienen schien: so entschloss ich mich, diesem Mangel abzuhelfen. Allein, ich setzte auf dieser Reise meine Instrumente gewissermaassen aufs Spiel, weil ich einen neuen Weg durch die Wüste zu machen vorhatte, auf welchem ich nicht die Gesellschaft einer Kjerwane erwarten durfte. Am meisten war ich für meine Uhr besorgt, deren Verlust mir unersetzlich gewesen seyn würde, und dies bewog mich, auf ein Mittel bedacht zu seyn, um sie dem Auge der Beduinen, mit welchen ich diese Reise machen musste, und welche ich etwa unterwegs antreffen würde, zu entziehen. Ich liess zu dem Ende ein kleines länglichtes Kästchen mit einem doppelten Boden machen, in dessen unterster Abtheilung ich dieselbe verbarg, deren oberste Abtheilung ich aber mit einer Art von Salbe füllte, welche ich durch hinzugefügten stinkenden Asand für etwaige Neugierige eckelhaft zu machen suchte; diese Abtheilung liess ich oben mit einem leicht zu öffnenden Deckel versehen. Unten und zur Seite aber liess ich das Kästchen mit Leder auf eine rohe Art überziehen, und legte es alsdann zu meinem kleinen Vorrath von sonstigen Arzneymitteln. Der Erfolg zeigte, dass ich mich in meiner Erwartung nicht betrogen hatte, und ich rathe jedem Reisenden, sich unter ähnlichen Umständen einer gleichen List zu bedienen. Mein übriges astronomisches Geräth liess ich in Leinwand einnähen, und die Reisetasche, worin ich sie aufbewahrte, gleichfalls sorgfältig zunähen.

Da meine Abreise auf den 13. März festgesetzt war: so nahm ich den Tag zuvor Abschied von dem P. General-Superior und dem P. General-Procurator, welchem letztern ich vorzüglich viele Verbindlichkeiten schuldig bin. Er versicherte mir, er habe meinen Primawechsel nebst dem kleinen Pacquet an den Hrn. Baron Oberst v. Zach nach Akre gesandt, von wo es mit einem Tatar, welchen er expedirte, nach Konstantinopel abgehen werde, weswegen ich hoffe, dass es in Kurzem in Teutschland anlangen werde. Er ersuchte mich, ihm einen Stein aus der Kapelle der heiligen Kathrina auf der Spitze des St. Kathrinenberges zu übersenden, welches ich ihm mit vielem Vergnügen zu thun versprach. Er stattete mir noch des Abends seinen Gegenbesuch ab. Ich muss wirklich die Höflichkeit und Gefälligkeit der Mönche von Terra Santa für Europäer, die ihnen empfohlen wurden, aufs dankbarste rühmen, obgleich meine Grundsätze und Denkungsart übrigens himmelweit von den ihrigen verschieden sind.

Nach einem langen Aufenthalt verliess ich endlich am 13. März die heilige Stadt, und nahm in Begleitung von einigen Mohammedanern und Juden von Hebron den gewöhnlichen Weg nach Hebron, welcher sich ein wenig westwärts neben Bethlehem hinzieht. Es fiel des Morgens ein starker Thau, und nachher ein wenig Regen. Unser Eseltreiber war ein Mohammedaner von Bethlehem, Namens Kenân. Nach Verlauf von 7 Stunden kamen wir in dieser uralten Stadt an, und wählten daselbst ein Zimmer in einem Ghân, der nach hiesiger Mundart Okâl genannt wird.

Der schöne grosse, ganz mit Quadern ausgemauerte Teich bildet ein regelmässiges Viereck; er war jetzt ganz voll Wasser.

Die Gassen von Hebron sind nirgends ganz gepflastert, sondern bloss ein wenig an den Seiten der Häuser, und mehrentheils krumm und eng, und wegen der Lage der Stadt am Berghange uneben. Die Häuser sind alle von Steinen, und die meisten von Quadersteinen erbaut.




1) Ueber die Quellen vergl. die Anmerkung zu Bd. II.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ulrich Jasper Seetzen's Reisen. Band 3