Vorrede und Einleitung. 1) Seetzens Leben. 2)Die hinterlassenen und geretteten Schriften und Sammlungen. 3) Bearbeitung der Tagebücher.

Bey dem jetzigen Erscheinen eines bedeutenden Theils der Seetzenschen Tagebücher wird es, zum bessern Verständniss derselben, zweckmässig seyn, zunächst einige Bemerkungen 1) über das Leben des Reisenden, 2) über die hinterlassenen und geretteten Schriften und Sammlungen, so wie 3) über die Art der Bearbeitung des wissenschaftlichen Nachlasses vorauszuschicken.

1. Das Leben Seetzens.


Der berühmte Reisende Ulrich Jasper Seetzen war den 30. Januar 1767 in Sophiengroden, Kirchspiel Middoge in der Herrschaft Jever, geboren. Sein Vater, der gleichfalls Ulrich Jasper hiess, war ein bemittelter Landwirth, der, wie es dort so häufig der Fall ist, seinen Kindern eine gelehrte Bildung geben liess. Seine Mutter, Trienke, war eine geborne Otten, gleichfalls aus einer wohlhabenden und dort angesehenen Familie. Sein Bruder war der durch einige literärische Mittheilungen bekannte Pastor, Peter Ulrich Seetzen in Heppens, und ein zweiter Bruder war Otto Daniel Seetzen, Kaufmann in Jever. Ersterer hatte fünf Kinder: Friedrich Ulrich, Anton Ulrich, Otto Friedrich, Gatharina (Tienchen) und Wilhelm; letzterer einen Sohn Friedrich. Wir nennen diese deswegen, weil der vielleicht später im Auszuge zu liefernde Briefwechsel des Reisenden sich auf alle diese mit bezieht, und manche seiner Briefe eben dadurch ein besonderes Interesse der Naivität gewinnen.

Jever war damals eine Erbherrschaft, die an Anhalt-Zerbst gefallen war. Nach dem Tode des letzten Fürsten Friedrich August von Anhalt-Zerbst (1793) fiel sie an dessen Schwester, die Kaiserin Gatharina II. von Russland, welche indess die Administration des Landes der Wittwe dieses Fürsten, Friederike Sophia Auguste, überliess. Diese, gewöhnlich in Coswig residirend, liess Jever durch eine besondere Kammer verwalten, von welcher unser Reisender nachher auch den Titel als Kammer-Assessor erhielt. So war Seetzen ein geborner russischer Unterthan, nannte sich aber als solcher nicht Kammer-Assessor, sondern mit dem in Russland selbst ähnlichen Titel: Collegien-Assessor.

Seetzens Jugend fällt in eine vielfach bewegte und besonders die Naturwissenschaften und grosse Reiseunternehmungen sehr begünstigende Zeit. Schon einige Jahre vor seiner Geburt war der berühmte Niebuhr, angeregt von Michaelis und andern Göttingischen Professoren, mit einer Gesellschaft von gelehrten Männern nach Palästina und Arabien gereist, und die Resultate ihrer glücklichen Bemühungen erschienen in den Jahren 1772 - 1778, als Seetzen in dem Alter war, wo die Lust zu reisen lebendig auch in ihm erwachte. Kühn und feurig, nach Ruhm begierig, wählte er sich Niebuhr als Vorbild, und die um die Zeit seiner Geburt (1768) in London entstandene African Association, von welcher unterstützt Houghton und Bruce ihre Reisen unternahmen (1768 - 73), lenkten seinen Geist vorzüglich auch auf diesen noch so wenig bekannten Welttheil. Die berühmten Reisenden Volney (1783 - 1785), Cboiseul Gouffier (1784), Truguet und Lechevalier (1785 - 1786), welche Syrien, Palästina, Griechenland und Kleinasien bereiseten, gaben den geographischen Wissenschaften ein ganz neues Ansehn. Es entstand die comparative Geographie, und der Mittelpunkt aller dieser Bestrebungen war Götttingen, und in dieser damals so glänzenden Universitäts-Stadt besonders Heyne, Michaelis und Blumenbach, der erstere als Repräsentant der alten durch neue Entdeckungen zu bereichernden Geographie, der andere als Beförderer alles dessen, was auf die heilige Geschichte von Einfluss ist, und der dritte ein Enthusiast für naturhistorische Entdeckungen. Die Göttinger Professoren beförderten diese Untersuchungen theils durch eigene gelehrte Arbeiten (in den Commenit. Societ. Gott.), theils durch Preisaufgaben, welche unter andern die Preisschriften von Schlegel, Schönemann und Schlichthorst über die Homerische Geographie hervorriefen, denen bald Sibthorps gelehrte botanische Untersuchungen in Griechenland folgten.

Gerade um diese Zeit tritt Seetzen mitten in diesem glänzenden Mittelpunkt gelehrter Bildung als Student auf. Seetzen selbst sagt über diese und die folgenden Jahre in seinen „Biographischen und literärischen Notizen“ Folgendes:

„Im Herbst 1785 reisete ich nach Göttingen, um dort Medicin zu studiren. Die Naturgeschichte war ein sehr angenehmes Nebenfach für mich. Ueber die gesammte Naturgeschichte hörte ich die Vorlesungen des Herrn Hofrath BIumenbach, über die Botanik die des Herrn Hofrath Murray, über die Mineralogie die Vorlesungen des ersteren, so wie die des Herrn Hofrath Gmelin. Von Göttingen aus machte ich verschiedene kleinere und grössere Reisen nach dem Harz, nach Jena u.s.w., um meiner Liebe zur Naturgeschichte Genüge zu leisten.“

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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ulrich Jasper Seetzen's Reisen. Band 1