TORGAU. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
TORGAU. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Stadt-K. S. Marien 1484. 3sch. Hallenkirche. Im O Schluß mit 3 polyg. Apsiden, die mittlere durch einen 2achsigen Langchor hinausgeschoben. Kreuzgwbb. auf 8eck. Pfll., im Chor Zellengwb. Doppeltürmige rom. WFront (der STurm bar. erneuert); im Zwischenbau gekuppelte Schallöffnungen, deren Sll. sprom. Knospenkaptt. haben. Got. WEingang und Fensterrosen. Renss. Sakristei. — Hölzerne Kanzel mit Evangelisten 1582. Taufstein 1693. Marmorner Altaraufsatz 18. Jh. — Bronzeplatte der Sophie v. Mecklenburg † 1503 aus der Vischerschen Hütte, bez. 1504. Grabst. der Katharina v. Bora, Dr. M. Luthers Ehefrau † 1552, halbrundes bemaltes Relief. Zahlreiche Epitaphe an der Außenwand, darunter das des Baumeisters Konrad Krebs † 1540. — Triptychon bez. 1509. — Lutherporträt in Papiermasse 16. Jh. — Bmkw. Altargeräte. [Ein lange verschollen gewesenes Hauptbild L. Cranachs jetzt im Mus. Frankfurt a. M.]

Alltags-K. (Militärmagazin.) Spgot. Hallenkirche von 4 Achsen, verlängerter Chor von 3 Achsen, 3/8 Schluß. Die Fenster des Lhs. 3teilig mit Vorhangbg. und überschnittenem Stabwerk, die Chorfenster 2teilig mit rundbg. Maßwerk und Fischblasen. Im Lhs. Netz-, im Chor Zellengwb. — Grabst. 1463.

Nikolai-K. (profaniert) frgot. (?) 3sch. Basilika mit interessanten Skulpturresten an den Kapitellen. Im W 2 Türme mit renss. Giebeln und Bischofsmützen.

Rathaus große 3flügelige Anlage, ehemals rein renss., wovon jetzt noch der SOGiebel und ein prächtiger Erker.

Stadtmauer Bruchstein mit Backsteinzinnen und halbrunden Wichhäusern.

Privathäuser: Leipzigerstr. 68 Halle mit Sterngwb.; Breitestr. 354 mit Deckenmalerei am oberen Treppenflur 1556; Renss.Portale häufig, hervorzuheben Schloßstr. 453.

Schloß Hartenfels. Spgot. und renss. auf Grundlagen des 13. und 14. Jh. Für die Erscheinung am wichtigsten die Bauzeiten 1533-44 und 1616-23. Mit seinen vielen teils runden, teils viereckigen Türmen und hochragenden Mauermassen gibt das Schloß besonders vom jenseitigen Elbufer eine großartige Wirkung. Das Innere, das ehemals u. a. Cranachsche Wandmalereien aufwies, ist durch die Verwendung als Kaserne verdorben. Architektonisch am bedeutendsten, eine Hauptleistung [pg 394] der FrRenss. in Deutschland, ist die Hoffront des 1533-35 von Konrad Krebs erbauten OFlügels. Langgestreckter 4geschossiger Aufbau mit mäßig großen spgot. Vorhangfenstern und einem auf mittlerer Höhe balkonartig vorgekragten Laufgang; von durchschlagender Wirkung als Vertikalkontrast das aus der Mitte vorspringende Treppenhaus; schlichter rck. Unterbau in Höhe des Erdgeschosses mit Altan und doppelter Freitreppe; darauf die eigentliche Wendelstiege im Gr. eines 3/8 geschlossenen Kirchenchors; der Aufbau in Pfll. aufgelöst, zwischen denen die Spirallinien der Stiege auch nach außen sichtbar gemacht sind; Pilaster und Brüstungen mit reichstem FrRenss.-Ornament (aus Elbsandstein von Dresdener Steinmetzen angefertigt); der krönende Giebel folgt der Krümmung des Gr. Das Ganze die renaissancemäßige Umsetzung des analogen Motivs am Schloß zu Meißen; Kenntnis des Schlosses von Blois möglich, doch nicht notwendig. Ein an die NSeite geschobener Erker von höchster Pracht und Feinheit der Dekoration und ein aus der SOEcke aufsteigender schlanker Turm mit offenen Umgängen vervollständigt durch Brechung der Symmetrie den malerischen Gesamteindruck. Das Innere enthielt einen das ganze Hauptschloß einnehmenden Saal von 14 : 70 m. — Schloßkirche 1543-44 von Nickel Grohmann. Von Luther persönlich eingeweiht und tatsächlich »die erste protestantische Kirche«. Die Anlage erklärt sich aber nicht sowohl aus neuen Forderungen des protestantischen Gottesdienstes, als aus der Eigenschaft als Schloßkirche, deren mehrere in dieser Gegend schon E. 15. Jh. ähnlich ausgestattet waren (Ziesar, Wolmirstädt). Die Kirche ist lediglich ein in den NFlügel des Schlosses eingebauter Saal, gleich den übrigen Teilen 3geschossig, was im Innern zur Anlage von Doppelemporen führt; dieselben ruhen auf Flachbögen, die zwischen die einwärts gezogenen Strebepfll. gespannt sind; die Decke ist eine abgeflachte Tonne mit Rippennetz. Kein abgesonderter Altarraum. Die Kanzel am Mittelpfeiler der SSeite. — Der prachtvolle Altaraufsatz stammt aus der Schloß-K. zu Dresden; keine Künstlerbezeichnung; Art der Walther. Eine dekorativ vorzügliche Arbeit die Dedikationstafel mit dem Porträt Luthers zwischen denen der Prinzen Joh. Wilhelm und Joh. Friedrich, gegossen 1545 durch Wolf und Oswald Hilger.