Sinn und Ursprung der Worte Renaissance und Reformation II.

Aus: Reformation, Renaissance, Humanismus
Autor: Burdach, Konrad (1859-1936) Germanist und Literaturwissenschaftler, Erscheinungsjahr: 1918
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Gesellschaft, Renaissance, Humanismus, Reformation, Bildung, Volksbildung, Erkenntnis, Literaturgeschichte, Statistik, Erscheinung, Wortgeschichte, Sprache, Weltbedeutung, Bewusstsein, Historiker, Carl Neumann, Walther Götz, Brandi, Fester, Wernle, Hermelink, Jakob Burckhardt, Michelet, Aufschwung, Künste, Rudolf Hildebrand, Forschung, Weltgeschichte, Constantin, Silvester, Altertum, Vasari, Reformatoren, Luther,
Man hätte bei der Suche nach dem Ursprung des Begriffs Renaissance schärfer, als man es getan, auf Machiavelli achten sollen. Zwar dass Vasari mit dessen Konstruktionen der Weltgeschichte übereinstimmt, ohne ihm ganz zu folgen, hat man längst gesehen. Machiavellis Periodisierung der politischen Geschichte macht den Einfall der Barbaren in Italien, die Bekehrung des römischen Kaisers zum Christentum und die Verlegung des Kaisersitzes von Rom nach Konstantinopel, die Schwäche der italienischen Beamtenschaft zum Wendepunkt *). Und er setzt dem Verfall des Imperium Romanum als gleichzeitige notwendige Folge gegenüber das Aufsteigen und Wachsen der römischen Kirche. Aber für die geschichtliche Bedeutung des Begriffs Renaissance blieb bisher unbemerkt der wichtige Abschnitt der Istorie fiorentine über die Revolution des Rienzo (1, 31 ed. Fanfani e Passerini 1, S. 51):

        „In diesen Zeiten erfolgte zu Rom eine denkwürdige Begebenheit, dass ein gewisser Niccolo di Lorenzo, Kanzler auf dem Kapitol, die Senatoren aus Rom verjagte und sich unter dem Titel eines Tribunen zum Haupt des römischen Staates machte und diesen in die antike Form zurückführte (nell’ antica forma ridusse) mit einem so mächtigen Eindruck von Gerechtigkeit und Tugend, dass nicht nur die benachbarten Orte, sondern ganz Italien Gesandte an ihn schickten, dergestalt, dass die alten Provinzen (die übrigen , europäischen Länder), als sie sahen, dass Rom wieder, geboren sei (vedendo come Roma era rinata, mit den Köpfen auffuhren und einige, durch Furcht bestimmt, andere aus Hoffnung, ihm Ehre erwiesen.“

Dies ist meiner Ansicht nach das klarste und sicherste Zeugnis aus der Zeit der italienischen Hochrenaissance über das Aufkommen des internationalen Begriffs der Wiedergeburt und über den Eindruck auf die europäische Bildungswelt, den er wiedergab. Etwa dreißig Jahre älter als die erste Ausgabe des Buchs von Vasari.

Wies uns Vasaris Bild in die künstlerische Sphäre, so zeigt Machiavelli, dass die Vorstellung schon früher im Politischen lebendig und wirksam gewesen war, Vasaris Terminologie hat etwas Abstraktes, Blasses, Unursprüngliches. Er bezeichnet die neue italienische Malerei des „aus der Natur schöpfenden“ Giotto als Wiedergeburt. Aber es ist nicht recht deutlich, was denn nun eigentlich wieder, d. h. zum zweiten mal, geboren worden ist. Und die Voraussetzung für seinen Ausdruck ist, dass er die antike, d. h. die alte römische wie die alte griechische Kunst und die gesamte italienische Kunst als eine ununterbrochene Lebenseinheit auffasst und dass seine pragmatische Geschichtsbetrachtung sich gründet auf die Gleichsetzung von Kunstentwicklung und von Geburt, Wachsen, Altern und Sterben der menschlichen Körper. Viel verständlicher ist das Bild des Machiavelli. Eine politische Kontinuität zwischen dem alten Rom und dem mittelalterlichen war stets, wenn auch nur in gewissen Namen und Titeln, in poetischen und künstlerischen Traditionen und Bildern, aufrechterhalten worden. In den Gedanken der Lebenden war jedenfalls das gesunkene Rom der Gegenwart immer noch eine, wenn auch noch so klägliche Umformung, Schwächung, Entstellung des alten Rom. Trotz allem und allem, trotz dem Wust und Schutt der Jahrhunderte — Rom stand immer noch da wie ein persönliches lebendes Wesen. Sein Leben war das der Ohnmacht, des äußeren und inneren Zusammenbruchs. Aber es atmete doch. Es konnte immer wieder neue Kräfte gewinnen, wieder jung werden, „wiedergeboren werden“.

Machiavellis Bild für die Umwälzung des Rienzo ist nun aber mehr als Wiedergabe seiner oder seiner Zeitgenossen persönlichen Auffassung davon. Es deckt sich vielmehr dem Sinne nach mit dem urkundlichen Ausdruck, den Rienzo selbst in seinen Manifesten und Briefen wie in den gewichtigen Zeremonien seiner Erhebung, für seine Tat und seine Bestrebungen immer wieder angewendet hat.

*) S. 20. Ebenso schon vor ihm Giovanni Villani: s. Friedrich von Bezold, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 8 (1892), S. 47 und H. Grauert, Sitzungsber. D. Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss. Philos.-philol. u. hist. Kl. 1901 II. 2, S. 269 und Anm. 1.

140. Das Grabmal der Caecilia Metella an der Via Appia bei Rom.

140. Das Grabmal der Caecilia Metella an der Via Appia bei Rom.

141. Die Engelsburg. Rom. (Im Hintergrund die Peterskirche.)

141. Die Engelsburg. Rom. (Im Hintergrund die Peterskirche.)

142. Rom, um 1480, vom Capitol aus gesehen. Zeichnung eines Schülers des Domenico Ghirlandajo. (Codex Escurialensis, fol. 40.)

142. Rom, um 1480, vom Capitol aus gesehen. Zeichnung eines Schülers des Domenico Ghirlandajo. (Codex Escurialensis, fol. 40.)

143. Die Peterskirche im Umbau und der Vatikan. Anonymer römischer Kupferstich des 16. Jahrhunderts.

143. Die Peterskirche im Umbau und der Vatikan. Anonymer römischer Kupferstich des 16. Jahrhunderts.

145. Modell zur Kuppel der Peterskirche. Von Michelangelo. Rom, Musco Petriano.

145. Modell zur Kuppel der Peterskirche. Von Michelangelo. Rom, Musco Petriano.

146. Die Kuppel der Peterskirche im heutigen Zustand. Von Michelangelo u.a.

146. Die Kuppel der Peterskirche im heutigen Zustand. Von Michelangelo u.a.

147. Die Peterskirche vor dem Umbau. (Basilica di S. Pietro.) Rekonstruktion von Prof. Marcelliani. Rom, Museo Petriano.

147. Die Peterskirche vor dem Umbau. (Basilica di S. Pietro.) Rekonstruktion von Prof. Marcelliani. Rom, Museo Petriano.

148. Vor der Peterskirche. Rom. (Fontana della Piazza di San Pietro.)

148. Vor der Peterskirche. Rom. (Fontana della Piazza di San Pietro.)

150. Papst Alexander VI. Ausschnitt aus einem Fresko von Pinturicchio. Rom, Vatikan

150. Papst Alexander VI. Ausschnitt aus einem Fresko von Pinturicchio. Rom, Vatikan