Russische Novellen und Skizzen

Autor: Seebach, Albin von Graf (1811-1884) Botschafter, Minister, Übersetzer und Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1837
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Sibirien, Russlandreise, Gastfreundschaft, Charakter des Volkes, Kaukasus,
Dem Schnee, dem Regen
Dem Wind entgegen
Im Dampf der Klüfte
Durch Nebeldüfte
Immer zu, immer zu
Ohne Rast, ohne Ruh.

        Goethe


Vorerinnerung.

Indem ich die nachstehende Übersetzung dem Druck übergebe, glaube ich, derselben einige Worte vorausschicken zu müssen. — Eine besondere, in früher Jugend schon ausgebildete Vorliebe für neuere Sprachen und ihre Literatur erweckte in späterer Zeit in mir den Wunsch, auch eine der slavischen Mundarten mir zu eigen zu machen. Ich wählte die russische. Das große Interesse, welches ich bald für diese Sprache empfand, bestimmte mich bei einer Reise, die ich vor mehren Jahren antrat, mit dem Norden Europas zu beginnen, und während eines fünfmonatlichen Aufenthaltes in Russland, teils in Petersburg, teils in Moskwa und in Odessa lernte ich die Werke von Männern verstehen, die, kaum dem Namen nach im Ausland gekannt, dennoch durch die Erzeugnisse ihres Geistes sich einen ehrenvollen Platz neben den wackersten Schriftstellern neuerer Zeit und aller Völker erworben haben.
Inhaltsverzeichnis
    Vorerinnerung
  1. Bruchstück über Sibirien
  2. Der rote Schleier
  3. Die schreckliche Prophezeiung
  4. Der Kürassier
Das lebendige Streben nach geistiger Ausbildung, welches in den höheren Ständen Petersburgs und Moskwas sich so deutlich durch die mannigfaltigsten, rasch sich folgenden schriftstellerischen Produkte kund tut, erweitert jährlich auf die erfreulichste Weise den Kreis der mit jugendlicher Frische sich regenden Literatur, und früher oder später muss das hier und da noch in Deutschland festgewurzelte selbstgenügsame Vorurteil verschwinden, welches, oft nur die eigene Trägheit zu bemänteln, die russische Sprache als der Aufmerksamkeit des Auslandes unwert bezeichnet. — Nicht zu verkennen ist jedoch, dass die vorzüglich in den letzten Dezennien durch eine Menge klassischer Werke bereicherte Poesie ihrer Schwester sehr vorangeeilt ist, und das Beste, was man in neuester Zeit in Prosa geschrieben hat, findet sich in Zeitschriften zerstreut, die dem Fremden weniger zugänglich sind.

Die in den Dichtungen herrschende Ausdrucksweise aber ist eine so ganz eigentümliche, dass ihre überraschende oft hinreißende Kürze und Kraft treu und würdig wiederzugeben ein Talent erfordert wird, welches das Meinige weit übersteigt. Ich empfinde diesen Mangel um so schmerzlicher, da ich jetzt für die Mühen und Schwierigkeiten, welche die Sprache dem Anfänger bietet, durch genussreiche Stunden, wie sie die Meisterwerke mehrerer vaterländischer Sänger nur gewähren können, mehr als entschädigt werde. Möchte demnach bald eine befähigtere, der Aufgabe gewachsene Hand jene reichen Schätze dem gerechten deutschen Publikum erschließen, welches ja mit so voller Aufmerksamkeit die geistige Richtung aller Völker verfolgt.

Die Sammlung Novellen, aus denen ich die „Russischen Novellen und Skizzen“ mit diesem mir passend erscheinenden Titel aushob, erregte zuerst meine Aufmerksamkeit durch ihren auf dem Original zwar nicht genannten aber dennoch bekannt gewordenen Verfasser. Er gehört zu jenen Unglücklichen, die, im Jahre 1825 in die wahnsinnige Petersburger Revolte verwickelt, ihr Verbrechen mit dem Exil nach Sibirien büßten. Dort wurden die „Bruchstücke“ geschrieben. Längst schon hat aber die Gnade des Kaisers seinen Bann gelöst und, in die Reihe seiner am Kaukasus fechtenden Landsleute versetzt, hat er bereits Gelegenheit gefunden, seine Schuld zu sühnen und sich den verlorenen Offiziersgrad wieder zu erkämpfen. Sei es, dass die Teilnahme, welche gewiss niemand dem wechselvollen Schicksal des verirrten, aber auch schwer geprüften jungen Mannes versagen kann, mich bestochen, sei es, dass die (im Ganzen fünf) teils in Sibirien, teils unter der heißen Sonne Asiens entstandenen Bändchen nicht ganz ohne Wert — genug, mit wahrem Vergnügen habe ich sie gelesen, und wenn man die Übertragung der von mir ausgewählten kleinen Aufsätze unbefriedigt bei Seite legt, so fühle ich nur zu gut, dass der größte Teil der Schuld meiner ungeübten Feder zur Last fallen muss. Ohne die ermutigende Aufmunterung meiner Freunde würde ich auch nie gewagt haben, die auf Bedeutung durchaus nicht Anspruch machenden Bogen der Öffentlichkeit zu übergeben.

Nicht als eine Probe des heutigen Standpunktes der russischen Literatur sind also dieselben anzusehen, sondern nur als ein Beweis mögen sie gelten, dass ich gern an jenes oft geschmähte aber wenig gekannte Land zurückdenke, wo die überall herrschende herzlichste Gastfreundschaft mir die Trennung von der Heimat weniger schmerzlich gemacht, wo der biedere treffliche Charakter des Volkes mich mit den anderswo auch nicht fehlenden Schattenseiten vollkommen versöhnt hat.

Moskau - Die Zaren-Glocke

Moskau - Die Zaren-Glocke

Moskau - Die Zaren-Kanone

Moskau - Die Zaren-Kanone

Moskau - Kaiser-Proklamation

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Moskau - Pferdeschlitten vor dem Kreml

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Kosaken

Kosaken

Russisches Kaiserpaar in historischen Kostümen

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Ganz privat - Teestunde am Samowar

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