Russische Heilverfahren von einem Mecklenburger mitgeteilt

Aus: Regierungsblatt von Mecklenburg-Schwerin
Autor: Großherzogl. Mecklenburgisches Ministerium, Abteilung für Medizinal-Angelegenheiten. v. Schröter., Erscheinungsjahr: 1865
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Schwerin, Medizin, Heilverfahren, Russland, Dampfbad, Wutkrankheit,
Einem Mecklenburger, welcher längere Zeit in Russland gelebt hat, ist daselbst, seiner Versicherung nach, von einem zuverlässigen Arzt ein wirksames Heilverfahren gegen die Wutkrankheit der von wutkranken Hunden gebissenen Menschen mitgeteilt worden. Zu einer Zeit, wo kein Wutanfall stattfindet, wird dem Kranken eine Abkochung von Lab — eingesalzenem Kälbermagen, wie er zum Gerinnen der Milch angewendet wird — in Wasser, vermischt mit einem halben Quentchen Pulv. semin. sabadil. verat., zu trinken gegeben und derselbe hierauf sofort in ein Dampfbad gebracht. Tritt nach dem ersten Eingeben bald Ruhe ein, welcher ein tiefer Schlaf von 16 bis 32 Stunden folgt, so bedarf es einer zweiten Gabe nicht; erfolgt aber ein neuer Wutanfall, so muss dem Kranken eine zweite Gabe beigebracht werden, die ihn unfehlbar beruhigen wird. Nach dem Erwachen befällt den Kranken heftiger Durchfall und Erbrechen, welche so lange anhalten, bis das Gift entfernt ist, worauf Esslust eintritt und der Kranke geheilt ist.

Die Medizinal-Kommission hat sich über dieses Heilverfahren dahin ausgesprochen: dass auf die Lababkochung kein Gewicht zu legen, das Russische Dampfbad dagegen in der medizinischen Wissenschaft schon längst als ein Heilmittel gegen diese Krankheit empfohlen worden sei, und die Anwendung der Sabadillsamen möglicher Weise einen günstigen Erfolg haben könne. In der bezeichneten Dosis gegeben wirkten dieselben reizend auf den Magen und den Darmkanal und glichen in dieser Hinsicht mehreren anderen gegen die Wutkrankheit empfohlenen, aber meist erfolglos angewendeten Mitteln. Die Sabadillsamen könnten jedoch, vermöge des in ihnen enthaltenen Veratrins noch auf andere Weise günstig wirken. Es sei daher gerechtfertigt, vorkommenden Falles mit der beschriebenen Behandlung der Wutkrankheit einen Versuch zu machen, wobei jedoch die Lababkochung hinwegfallen könne und das Veratrin, seiner sichereren und gleichmäßigeren Wirkung wegen, den Sabadillsamen vorzuziehen sein würde.
Schwerin am 6ten April 1865.
Großherzoglich Mecklenburgisches Ministerium, Abteilung
für Medicinal-Angelegenheiten,
v. Schröter.

Schwerin, Schloss 4

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