85. Die Seejungfern auf Mönchgut.

Die Seejungfern sind verwünschte Prinzessinnen und nur am Oberkörper von Menschengestalt, der Unterkörper läuft in einen langen Fischschwanz aus. Um Johannis Mttag, zwischen elf und zwölf Uhr, steigen sie an die Oberfläche der Ostsee empor, gegenüber der Küste von Mönchgut. Jede von den Jungfern hat eine zinnerne Schüssel in der Hand, mit köstlichen Speisen gefüllt. Daraus essen sie. Dann legen sie die Teller fort und beginnen ihre fröhlichen Tänze. Sie fassen einander an und wirbeln sich im Kreise herum, lachen und spielen, singen und klatschen voll Übermut in die Hände. Sobald aber die Glocke die zwölfte Stunde verkündet, sind sie wie der Wind verschwunden, um erst am nächsten Johannistag wieder zu erscheinen. Mitunter sind die Seejungfern auch bis an das Ufer von Mönchgut geschwommen und haben dann ihre Rundtänze auf dem Bredsteen abgehalten, welcher so groß wie eine geräumige Stube und auf seiner Oberfläche ganz glatt und eben ist.

Jahn: Volkssagen Nr. 173.