16. Der Nachtjäger in der Garzer Heide.

An einem hellen Mondscheinabend ritt der Ackersmann S. auf der Rückkehr von Bergen nach Garz durch das Carnitzer Holz und die Garzer Heide. Als er an den Armenbusch gekommen war, sah er plötzlich unter einer Eiche einen stattlichen Reiter auf einem Schimmel halten. Zu gleicher Zeit scheute sein eigenes Pferd und ließ sich nicht von der Stelle bringen, so dass S. gezwungen war, sich den Spuk anzusehen. Der fremde Reiter rührte kein Glied; mit der Hand hielt er eine große Koppel Hunde, die, sowie der Reiter und dessen Schimmel, ihre feurigen Augen stier auf die Garzer Heide gerichtet hatten. Während S. dies alles sah, trat ihm der Schweiß auf die Stirn, und es war ihm, als bewegten sich ihm die Haare auf dem Kopfe. Mit einem Male rief der Schimmelreiter: „Hitz, hatz und huß!“ ließ die Hunde los, und der ganze Zug sauste wie der Sturmwind an ihm vorüber und war seinen Blicken bald entschwunden. S. schöpfte wieder Luft und Mut und setzte seine Reise fort. Aber trotz seiner genauen Kenntnis des Weges und trotz des hellen Mondscheines kam er bald vom rechten Wege ab, und wie er eben gewahr wurde, dass er sich mitten in der weglosen Heide befand, hörte er auch schon wieder das fürchterliche Hatz, Hatz! und das Gekläff der Hunde, und als er sein Gesicht nach der Richtung drehte, von wo er das Geräusch vernahm, sah er zu seinem Schrecken die wilde Jagd gerade auf sich zukommen. Alles Bemühen, mit seinem Pferd eine andere Richtung zu nehmen, war ohne Erfolg, und mit Schrecken sah er den Augenblick nahen, wo die wilde Jagd ihn erreichen würde. Nicht lange währte es, da sauste der ganze Tross an ihm vorüber, und deutlich erkannte er in dem verfolgten Wilde einen nackten Menschen männlichen Geschlechtes von der Größe eines fünf- oder sechsjährigen Knaben. Dieser rannte mit gesträubten Haaren, mit ängstlichen, grausigen Blicken und mit schlackernden Armen, als wenn er diese mit zum Laufen brauchen wollte, an ihm vorüber, und zwölf große Windhunde mit feurigen Augen und lang aus dem Halse hängender Zunge waren auf seiner Spur und verfolgten ihn samt dem fürchterlichen Reiter. Da das Wild den Hunden viel zu schaffen machte, schlug die Jagd verschiedene Richtungen ein, und endlich ging der Zug auf die Strachtitzer Koppel zu, wo das Wild ergriffen wurde. Von dort hörte S. ein lautes Gewinsel, aber auch zugleich ein Freudengeschrei, welches die Jäger beim Fang ausstießen und welches fast dem Donner glich. Nun sah S. noch, wie sich dort mehrere unheimliche Gestalten zeigten; dann war alles verschwunden; sein Pferd aber jagte, als wenn es mit der Peitsche geschlagen würde, in vollem Galopp davon und hielt erst in Garz wieder an.

Derselbe S. hat den Nachtjäger später noch viermal gesehen, nämlich am Armenbusch, am langen Berge, am Königsberge bei Kniepow und in der Garzer Koppel. Das letzte Mal, als er ihn sah, verfolgte die Meute ein kleines Mädchen mit langen fliegenden Haaren, und S. erkannte mit Grauen in ihr eine damals verstorbene, sehr vornehme Dame.


Nach Sundine 1842 S. 170 f.