Rostock, Verordnung vom 11. April 1855, betreffend die zur Anlegung von Straßen in den Vorstädten erforderlichen Expropriationen von Grund und Boden
Aus: Sammlung der Rostocker Verordnungen und Bekanntmachungen vom 1. Januar 1845 bis Anfang August 1860
Autor: Amtliche Ausgabe, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Taxsumme, Wert, Werteintragung, Konzessionen
E. C. Rat verordnet im Einverständnisse mit Ehrl. Bürgerschaft über die, zur Anlegung von Straßen in den Vorstädten erforderlichen Expropriationen von Grund und Boden, was folgt:
I. Das zur Herstellung eines in den Vorstädten neu anzulegenden Straßenzugs, einschließlich der Trottoirs, erforderliche Terrain ist, wenn nötig, mittelst Expropriation für die Stadt zu erwerben.
II. Sobald in stadtverfassungsmäßiger Weise ein neuer Straßenzug beschlossen ist, hat die Kämmerei einen rätlichen und zwei bürgerschaftliche Deputierte aus ihrer Mitte, welche ermächtigt sind, durch Zuziehung zweier Mitglieder gemeiner Bürgerschaft sich zu ergänzen, mit der Einleitung der Wert-Taxe für den künftig in Anspruch zu nehmenden Grund und Boden zu beauftragen.
Diese Kämmerei-Commission hat sodann sämtliche beteiligte Grundbesitzer mit dem Straßenzuge, dessen Richtung und Breite bekannt zu machen, und den in den Straßenzug fallenden Grund und Boden nach seinem Preise für jede Quadratruthe mit Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände dergestalt abzuschätzen, dass volle Entschädigung gewährt wird, und das Resultat dem beteiligten Grundbesitzer schriftlich bekannt zu machen.
III. Wer sich durch diese Taxe verletzt erachtet, hat binnen vierzehn Tagen seinen Rekurs bei E. E. Rat anzubringen, welcher nach reiflicher Prüfung aller in Betracht kommenden Umstände und nach Anhörung der Kämmerei-Kommission endlich entscheiden wird.
IV. Die auf diese Art festgesetzte Entschädigung wird sechs Wochen nach ergangener Anzeige, dass das Terrain zur wirklichen Ausführung des Straßenzuges in Anspruch genommen wird, von der Kämmerei und zwar vor der wirklichen Abtretung baar ausgezahlt, wenn nicht ganz oder teilweise mit Grund und Boden kompensiert wird.
Sollte indessen erst nach Ablauf von fünf Jahren, von definitiver Regulierung des Maßes der Entschädigung an gerechnet, die wirkliche Abtretung gefordert werden, so muss eine neue Taxe eintreten.
V. Die wirkliche Abtretung soll nur im Monat März oder Oktober nach vorgängiger sechswöchentlicher Anzeige begehrt werden.
Die zeitige Wegnahme von Bäumen, Gesträuchen und Pflanzen steht den Grundbesitzern frei, da nur Grund und Boden, nicht das darauf Gepflanzte oder Gesäete Gegenstand der Abtretung und der Taxe ist.
Etwaige, durch Versetzung von Geländern, Staketen u. s. w. verursachte Nebenkosten werden nach sachverständigem Erachten besonders vergütet.
VI. Wird durch den Straßenzug ein Grundstück in der Mitte in der Art durchschnitten, dass zu beiden Seiten der Straße Teile des Grundstücks übrig bleiben, so kann der beteiligte Grundbesitzer verlangen, dass die Stadt das ganze Grundstück gegen die ermittelte Taxe an sich nehme. Dies Verlangen ist innerhalb vierzehn Tagen nach endlich festgesetzter Taxsumme bei der Kämmerei-Kommission anzubringen und sofort zu verwirklichen.
VII. Die Kämmerei-Kommission hat vor der wirklichen Abtretung die Eigentums-, Servitut-, Nutznießungs-, Zeitpacht- und hypothekarischen Verhältnisse des der Abtretung unterliegenden Grundstücks genau festzustellen und bei Auszahlung der Entschädigungssumme in nachstehender Art zu berücksichtigen:
1) Der abgetretene Grund und Boden geht zur freiesten, eigentümlichen Disposition, frei von allen privatrechtlich dinglichen Belastungen, auf die Stadt über.
2) Beträgt der abzutretende Grund und Boden weniger wie 5pCt. des Grundstücks, so kommen hypothekarische Rechte überall nicht in Betracht. Im entgegengesetzten Falle wird die Entschädigungssumme dem resp. den bestberechtigten Kreditoren, so weit dieselbe reicht, offeriert, dem Eigentümer daher nur dann ausgezahlt, wenn keiner der dinglich Berechtigten auf selbige Anspruch macht.
Geht das ganze Grundstück auf die Stadt über, so wird die Taxsumme unter die Kreditoren prioritätsmäßig verteilt und der Nest dem Grundbesitzer ausgehändigt, welcher
3) dem Nutznießer auf Zeit und den Zeitpächter mit jährlich 4 pCt. der Taxsumme auf die Dauer deren Rechte zu entschädigen hat.
4) Sonstige Servitut-Inhaber sind entweder durch Vereinbarung oder anderweitige Konzession oder besondere, durch die Kämmerei-Kommission zu bestimmende Geldentschädigung abzufinden.
VIII. Die Zeitpächter haben sich mit der oben bestimmten Entschädigung zu begnügen und dürfen nur dann anderweitige Entschädigungs-Ansprüche gegen ihre Verpächter erheben, wenn sie solche durch ihren Kontrakt zu begründen vermögen.
IX. Das ganze Expropriations-Verfahren ist ausschließlich administrativer Natur, jedes gerichtliche Verfahren durchgängig ausgeschlossen.
Gegeben im Rate. Rostock, den 11. April 1855.
E. H. L. Giese, Rats-Sekretär
I. Das zur Herstellung eines in den Vorstädten neu anzulegenden Straßenzugs, einschließlich der Trottoirs, erforderliche Terrain ist, wenn nötig, mittelst Expropriation für die Stadt zu erwerben.
II. Sobald in stadtverfassungsmäßiger Weise ein neuer Straßenzug beschlossen ist, hat die Kämmerei einen rätlichen und zwei bürgerschaftliche Deputierte aus ihrer Mitte, welche ermächtigt sind, durch Zuziehung zweier Mitglieder gemeiner Bürgerschaft sich zu ergänzen, mit der Einleitung der Wert-Taxe für den künftig in Anspruch zu nehmenden Grund und Boden zu beauftragen.
Diese Kämmerei-Commission hat sodann sämtliche beteiligte Grundbesitzer mit dem Straßenzuge, dessen Richtung und Breite bekannt zu machen, und den in den Straßenzug fallenden Grund und Boden nach seinem Preise für jede Quadratruthe mit Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände dergestalt abzuschätzen, dass volle Entschädigung gewährt wird, und das Resultat dem beteiligten Grundbesitzer schriftlich bekannt zu machen.
III. Wer sich durch diese Taxe verletzt erachtet, hat binnen vierzehn Tagen seinen Rekurs bei E. E. Rat anzubringen, welcher nach reiflicher Prüfung aller in Betracht kommenden Umstände und nach Anhörung der Kämmerei-Kommission endlich entscheiden wird.
IV. Die auf diese Art festgesetzte Entschädigung wird sechs Wochen nach ergangener Anzeige, dass das Terrain zur wirklichen Ausführung des Straßenzuges in Anspruch genommen wird, von der Kämmerei und zwar vor der wirklichen Abtretung baar ausgezahlt, wenn nicht ganz oder teilweise mit Grund und Boden kompensiert wird.
Sollte indessen erst nach Ablauf von fünf Jahren, von definitiver Regulierung des Maßes der Entschädigung an gerechnet, die wirkliche Abtretung gefordert werden, so muss eine neue Taxe eintreten.
V. Die wirkliche Abtretung soll nur im Monat März oder Oktober nach vorgängiger sechswöchentlicher Anzeige begehrt werden.
Die zeitige Wegnahme von Bäumen, Gesträuchen und Pflanzen steht den Grundbesitzern frei, da nur Grund und Boden, nicht das darauf Gepflanzte oder Gesäete Gegenstand der Abtretung und der Taxe ist.
Etwaige, durch Versetzung von Geländern, Staketen u. s. w. verursachte Nebenkosten werden nach sachverständigem Erachten besonders vergütet.
VI. Wird durch den Straßenzug ein Grundstück in der Mitte in der Art durchschnitten, dass zu beiden Seiten der Straße Teile des Grundstücks übrig bleiben, so kann der beteiligte Grundbesitzer verlangen, dass die Stadt das ganze Grundstück gegen die ermittelte Taxe an sich nehme. Dies Verlangen ist innerhalb vierzehn Tagen nach endlich festgesetzter Taxsumme bei der Kämmerei-Kommission anzubringen und sofort zu verwirklichen.
VII. Die Kämmerei-Kommission hat vor der wirklichen Abtretung die Eigentums-, Servitut-, Nutznießungs-, Zeitpacht- und hypothekarischen Verhältnisse des der Abtretung unterliegenden Grundstücks genau festzustellen und bei Auszahlung der Entschädigungssumme in nachstehender Art zu berücksichtigen:
1) Der abgetretene Grund und Boden geht zur freiesten, eigentümlichen Disposition, frei von allen privatrechtlich dinglichen Belastungen, auf die Stadt über.
2) Beträgt der abzutretende Grund und Boden weniger wie 5pCt. des Grundstücks, so kommen hypothekarische Rechte überall nicht in Betracht. Im entgegengesetzten Falle wird die Entschädigungssumme dem resp. den bestberechtigten Kreditoren, so weit dieselbe reicht, offeriert, dem Eigentümer daher nur dann ausgezahlt, wenn keiner der dinglich Berechtigten auf selbige Anspruch macht.
Geht das ganze Grundstück auf die Stadt über, so wird die Taxsumme unter die Kreditoren prioritätsmäßig verteilt und der Nest dem Grundbesitzer ausgehändigt, welcher
3) dem Nutznießer auf Zeit und den Zeitpächter mit jährlich 4 pCt. der Taxsumme auf die Dauer deren Rechte zu entschädigen hat.
4) Sonstige Servitut-Inhaber sind entweder durch Vereinbarung oder anderweitige Konzession oder besondere, durch die Kämmerei-Kommission zu bestimmende Geldentschädigung abzufinden.
VIII. Die Zeitpächter haben sich mit der oben bestimmten Entschädigung zu begnügen und dürfen nur dann anderweitige Entschädigungs-Ansprüche gegen ihre Verpächter erheben, wenn sie solche durch ihren Kontrakt zu begründen vermögen.
IX. Das ganze Expropriations-Verfahren ist ausschließlich administrativer Natur, jedes gerichtliche Verfahren durchgängig ausgeschlossen.
Gegeben im Rate. Rostock, den 11. April 1855.
E. H. L. Giese, Rats-Sekretär