Rostock - St. Petersburger Dampfschifffahrt

Aus: Mecklenburgisches Gemeinnütziges Archiv, Band 1
Autor: Redaktion, Erscheinungsjahr: 1850
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Die Ansicht, dass unsere mecklenburgischen Seehäfen vollkommen geeignet seien, von der Dampfschifffahrt in der Ostsee, von der sie bis vor wenigen Jahren gänzlich ausgeschlossen waren, mit Nutzen Teil zu nehmen, ihre Verbindungen mit dem skandinavischen und russischen Norden zu erleichtern, auszubreiten, auszubeuten, mit einem Worte, zu entwickeln, — diese Ansicht, zu deren Begründung es keiner weitläufigen Auseinandersetzung bedarf, hat sich wohl schon längst festgestellt. Auch an Anstrengungen, die mannigfach entworfenen Pläne zur Ausführung zu bringen, hat es nicht gefehlt. Nur waren sie bisher von keinem genügenden Erfolg, begleitet.

Das außerordentliche Missgeschick, das Wismar im Anfang seiner nun geregelten und gesicherten Dampfschifffahrtsverbindung mit Kopenhagen betraf, ist noch in frischer Erinnerung, und die in Rostock unternommenen Versuche, Dampfschifffahrtslinien nach der Newa und nach dem Sunde zu etablieren, zogen sich in einer Weise in die Länge, dass das Interesse daran sich bereits zu verlieren anfing, und die Befürchtung sich einstellte, ob Rostock die Kraft in sich trage, mehr zu tun als eben Projekte zu machen. Diese Befürchtung findet sich nun glücklicherweise widerlegt. An der Errichtung der Rostock-Seedampfschifffahrt, zunächst für die St. Petersburger Linie, ist nicht mehr zu zweifeln. Statt dass nach dem früheren Projekt ein Räderdampfschiff mit einem Kostenaufwand von 80.000 Thlrn. angeschafft werden sollte, wird nach dem neuen jetzt zur Ausführung kommenden Plan die Erbauung von zwei Schraubendampfschiffen beabsichtigt, wofür das Anlagekapital auf nur 64.000 Thlr. veranschlagt ist. Die Vorzüge, welche der jetzige Plan vor dem früheren hat, springen ins Auge. Hauptsächlich kommt in Betracht, dass mittelst zweier Dampfschiffe eine regelmäßige allwöchentliche Verbindung zwischen Rostock und St. Petersburg bewerkstelligt und doppelt soviel Fahrten eingerichtet werden können, als mit nur einem Dampfschiff möglich gewesen wäre, ein Umstand, der umsomehr ins Gewicht fällt, da der lange russische Winter ebenso im Herbst zu einem frühzeitigen Schluss der Schifffahrt zwingt, als im Frühjahr ihre baldige Eröffnung verhindert. Auch sind Schraubendampfschiffe für den Güterverkehr, den man vorzugsweise im Auge hat, durchaus empfehlenswert. (— Auf den Personenverkehr besondere Rücksicht zu nehmen, würde keinen großen Nutzen versprechen, da sowohl die Stettiner als die Lübecker Dampfschifffahrt in dieser Hinsicht Vorteile bietet, die die Mittbewerbung Rostocks fast ausschließen. Wollte man eine für den Personenverkehr berechnete St. Petersburger Dampfschifffahrt ins Leben rufen, so könnte dafür jedenfalls nur der Hafen von Wismar in Betracht kommen. —) Dazu kommt die nicht unbedeutende Ersparung bei dem Anlagekapital, welche der jetzige Plan gegen den früheren gewährt, und für das besondere Interesse der Rostocker Kommune die getroffene Bestimmung, dass dieselbe, mit 1/4 Part = 16.000 Thlr. bei dem Unternehmen beteiligt, mit den übrigen Reedern gleichberechtigt sein soll, während die Komune für das Räderdampfschiff-Projekt mit 23.000 Thlrn. und zwar mit dem Nachteil der Postposition in Anspruch genommen war. Diese Vorzüge haben denn auch dem Rostocker Magistrate einleuchten müssen, so dass derselbe seinen Widerspruch gegen die Beteiligung der Komune zu dem planmäßigen Belauf von 16.000 Thlrn., (anstatt 8000 Thlr., die der Rat nur bewilligen wollte) endlich aufgegeben hat. Ein Erfolg, der der Beharrlichkeit und dem Eifer, womit die Stadtverordnetenkammer die Forderung des Gemeinwohls und der hohen Notwendigkeit in Rücksicht auf das projektierte Unternehmen gegen den Rat geltend machte, zu verdanken ist. Was der Bericht des Ausschusses der Stadtverordnetenkammer, der dem Magistrate mitgeteilt wurde und durch seine eindringliche Beweisführung zu dem erwünschten Resultate wohl hauptsächlich beigetragen hat, über Lage und Aussichten des Rostocker Handels bemerkt, ist von allgemeinem Interesse, und wir lassen den betreffenden Teil hier folgen:

"Rostock ist Seestadt; sein Flor rührt wesentlich vom Handel und Schifffahrt her, ist so unmittelbar auf diese beiden Zweige menschlicher Tätigkeit gegründet, dass es den Wohlstand Rostocks vernichten hieße, wollte man ihm seinen Handel, seine Schifffahrt rauben. Leider drohen beiden in der Neuzeit empfindliche Stürme, deren Folgen sich nur zu sehr schon bemerklich machen, und den Beweis liefern, dass Rostock hinter den gewaltigen Fortschritten der Gegenwart mehr zurückgeblieben ist, als es durfte, um nicht von allen Seiten total überflügelt zu werden.

Import und Export machen den Handel aus. Rostocks Handel konnte, da Mecklenburg ein ackerbautreibendes Land ist, also nur dessen Rohprodukte an Getreide, Samen usw. ausführen, um dagegen die Waren des Auslandes einzutauschen, und tat beides mit Vorteil, ja in bedeutender Ausdehnung, solange der größte Teil Mecklenburgs sein Feld war. Dies Feld verkleinert sich, der Kreis, aus dem der Handel seine Zufuhren zum Export bezog, in den er seine Importen absetzte, verengt sich seit einigen Jahren täglich. Durch die Schiffbarmachung der Elde ging für Rostock das ganze südliche Mecklenburg verloren; man führt aus nach Hamburg, man bezieht daher, weil begreiflicherweise der größere Markt bei billigeren Transportmitteln größeren Vorteil auf beiden Seiten bietet. Dasselbe gilt von dem südwestlichen Teile des Landes bis fast nach Malchow hinauf; die Kahnfahrt auf der Peene in die Oder rückt Stettin diesem Teile des Landes so nahe, wie die Eldeschifffahrt Hamburg dem südlichen. Eine Schiffbarmachung der Warnow und Nebel, welche jene Nachteile in etwas paralysiert hätte, scheiterte vor Jahren. Und so ist es denn gekommen, dass schon bis zur Eröffnung der Eisenbahn, Rostocks Handel das reichste Feld seiner Tätigkeit einbüßte, und dass, während derselbe früher sein Getreide bis aus dem Strelitz'schen heranzog, während er seine Importe früher bis dahin absetzte, beides, Kauf und Verkauf, auf ein kleines Terrain, das nicht viel über 6 Meilen ins Land reicht, beschränkt wurden. Welchen Abbruch nun gar die Eisenbahn dem Handel Rostocks bringt, die eben Rostock zum Endpunkte hat, lässt sich zur Zeit noch gar nicht berechnen; so viel aber ist gewiss, dass die Konkurrenz der großen Märkte Hamburg und Berlin, welche durch die rasche Kommunikation der Eisenbahn bis vor unsere Tore gerückt ist, den Handels- wie den gewerblichen Interessen der Stadt überhaupt nur verderbenbringend sein kann.

Richten wir unser Auge auf die Schifffahrt, so sehen wir ein fast gleich trübes Bild.

„Ein großer Teil der hiesigen Schiffe ward bisher beschäftigt durch die Ausfrachten, welche der Getreidehandel, durch die Rückfrachten, welche der Warenhandel ihnen bot. Es liegt klar zutage, dass bei vermindertem Geschäfte dieser Teil unserer Reederei leidet, und mit ihm eine Masse Gewerbetreibender ebenfalls., Noch mehr. Seit der Aufhebung der Navigationsakte in England, die freilich den größeren Schiffen ein erweitertes Feld bietet, macht eine Masse fremder Schiffe dem Teile unserer Fahrzeuge, die der Handel dorthin beschäftigte, eine Konkurrenz, der wir nur mit Opfern zu begegnen imstande sind, und es steht mit Recht zu befürchten, dass auch noch der kleine Nutzen, den selbst bei vermindertem Handel noch unsere Reederei genoss, für die Folge ganz schwindet.

Wenn nun der Ausschuss nach solchen Betrachtungen zu der Überzeugung gelangt ist, dass bei der veränderten Richtung des Handels in der Neuzeit die früheren Vorteile unwiederbringlich verloren sind, dass daher ein neues Feld für die kommerzielle und gewerbliche Tätigkeit geschaffen werden müsse, und dass ein solches Feld in dem Transit- und Speditionsgeschäfte gefunden werde, so liegt es auf der flachen Hand, dass außerordentliche Anstrengungen nötig sind, um dies Geschäft für Rostock heranzuziehen und auszubilden, und die Dampfschifffahrt, welche die rasche Kommunikation der Eisenbahn bis übers Meer verlängert, ist dazu der einzige Weg, das einzige Mittel, durch welches ein Äquivalent für die Verluste gewonnen werden kann, welche Rostock erlitten hat und in noch größerem Maße fort und fort erleiden wird."

Im Verfolg heißt es dann noch: „Welche Verwendung von Geldmitteln könnte wohl mehr von der größten Notwendigkeit geboten werden, als eine solche, die dazu dienen soll, dem Ruine der Stadt vorzubeugen, einer Stadt, die noch an den Folgen einer fast zweijährigen Niederlage von Handel und Schifffahrt leidet, in einer Zeit, wo Mangel an Vertrauen und Unternehmungslust, leider vielleicht auch wohl andere minder entschuldbare Gründe, Private hindern, für sich allein ein Unternehmen zustande zu bringen, welches geradezu eine Lebensfrage für Rostock geworden ist!?" Schließlich wird hervorgehoben, dass die beiden Schraubendampfer auf Rostocker Werften gebaut werden sollen, während die Ausführung des früheren Räderdampfschiffprojekts 80.000 Thlr. ins Ausland getragen haben würde.

Der Rat hat übrigens seine Zustimmung an die Bedingung geknüpft, dass die Schiffe nicht unter der sonst gebräuchlichen Verwaltung eines Korrespondentreeders, sondern unter Administration einer aus der Gesamtheit der Reeder erwählten, unbesoldeten Direktion fahren, und dass künftige Kassenvorräte nicht in den Händen des Rechnungsführers verbleiben, sondern allemal sofort, verzinslich oder nicht, bei der Rostocker Bank hinterlegt werden sollen.

Hoffentlich sehen wir dm Eifer, mit dem diese Angelegenheit bisher gefördert worden, auch auf die weitere Ausführung einwirken. Hoffentlich können wir in das nächste Heft des Archivs die Nachricht aufnehmen, dass die Kiele zu den beiden ersten Rostocker Seedampfschiffen gelegt sind.

Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

Rostock, Stadthafen, 1968

Rostock, Stadthafen, 1968

Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

An der Neva mit Blick auf den Winter-Palast

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Kronstadt

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Kreml zu Moskau

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