Rostock - Die St. Petri-Kirche zu Rostock. - Kanzel

Aus: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. I. Band
Autor: Schlie, Friedrich Dr. (1839-1902) Professor, Archäologe, Kunsthistoriker, Museumsdirektor und Hofrat, Erscheinungsjahr: 1898

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Amtsgerichtsbezirk Rostock, Hansestadt, Denkmäler, Bauten, Architektur, Kirchen, Kirchenmobiliar, Renaissance, Barock, Rokoko, Klassizismus, Denkmalsschutz, Geschichte, Geschichtsdenkmäler, Regionalgeschichte, Landesgeschichte, Stadtgeschichte, Kirchengeschichte, Marienkirche
Kanzel. Die am mittleren der drei nördlichen Pfeiler angebrachte Kanzel der St. Petri-Kirche ist ein vorzügliches Werk der Hochrenaissance aus Sandstein. Nach einer Inschrift an der Westseite des Predigtstuhles ist sie 1588 von Rudolph Stockmann aus Antwerpen verfertigt: RVEDOLF • STOCKMAN VAN • HANTWERPEN FECIT. Die Wandung der Kanzeltreppe ist in fünf Felder abgeteilt, in denen unter Archivolten fünf Figuren in Flachrelief und von gedrungener Bildung angebracht sind: Moses die Gesetzestafeln haltend, mit Hörnern am Haupte und in einer Strahlenglorie; der Prophet Jesaias; David im Harnisch und mit Harfe und Zepter; Johannes der Täufer, auf das Lamm, welches neben ihm steht, hinweisend; der Heiland, mit der Linken den Reichsapfel haltend und die Rechte zum Segen erhebend. Unter dem Predigtstuhl der Kanzel die aufrecht stehende Gestalt des hl. Petrus als Träger. Fünf Seiten der Kanzel sind mit Reliefs geschmückt. Auf der ersten Tafel der Sündenfall im Paradiese mit allerlei Getier. Auf der zweiten Tafel (Mittelfeld von vorne) die Verkündigung des Engels an die Maria. Auf der dritten Tafel das Leiden Jesu in Gethsemane. Von den im Vordergrunde liegenden Jüngern ist Petrus durch das Schwert kenntlich gemacht. Auf der vierten Tafel, unter der Überschrift „Ecce homo“, die Scene vor Pilatus mit drei Juden im Vordergrunde. Auf der fünften Tafel Christus als Salvator mundi mit Weltkugel und Kreuz, im Hintergrunde eine Stadt. Fr tritt auf die Schlange und weist mit der Rechten nach oben, wo in Wolken Gott Vater, Sohn und hl. Geist (letzterer als Taube) in einer Strahlenglorie thronend dargestellt sind. Alle diese Bildwerke sind durch cannellierte Pilaster mit jonischen Capitellen von einander geschieden. An dem Architrav , den sie tragen, stehen Sprüche und Verse , die durch kleine Konsolen von einander getrennt werden. Oberhalb der Wandung der Kanzeltreppe läuft ein kräftig ausladendes Gesims entlang, und auf dieses ist ein zweites architektonisches Glied in Holz aufgesetzt, dessen Formgebung auf eine spätere Zeit der Renaissance hinweist. Es ist mit Ranken, Vasen und Halbfiguren aller Art in Relief verziert.


Das Portal der Kanzeltreppe zeigt an jeder Seite einen cannellierten Pilaster der dorisch-toskanischen Ordnung. Das dreieckige Giebelfeld ist mit dem Relief-Brustbild des Heilands als Weltherrscher gefüllt. Auf dem Giebelfeld rechts und links zwei hingelagerte hölzerne Vollfiguren, von denen die links befindliche in einem Buche liest und die zur Rechten den linken Arm auf einen Schädel stützt. Die Tür ist von Holz und zeigt im Mittelfeld eine fast vollrunde Kindergestalt auf einem Totenkopfe sitzend und aus einer Muschel Seifenblasen hervorlockend. Rechts davon eine Vase, aus welcher Rauchwolken emporsteigen, links eine andere mit Blumen. Auf diese Darstellung bezüglich heißt es in der Unterschrift in vier Zeilen: WIE • RAUCH • BLUM • WASSERBVBL : BALT • VORGEHT : ALSO DES MENSCHEN LEBN NICHT • BESTEHT • , und in einer zweiten darüber stehenden: WER WIRT DEM TOD ENTFLIEHEN? Säulen mit korinthischen Kapitellen fassen das eben beschriebene Bild ein. Oberhalb des von ihnen getragenen Frieses und Gesimses in einem Bogenausschnitt die Büste des Apostel Petrus. Den Stilformen der Kanzel entspricht im Ganzen die Bildung des Deckels, wenn gleich letzterer nicht die edle Ruhe und Würde der ersteren hat. Auch hier sind spätere Zutaten zu erkennen, besonders am untersten Ende. Auf diesem stehen die bunt bemalten Figuren der Apostel Petrus und Paulus und der vier Evangelisten. Hinter ihnen auf einer zweiten zurücktretenden Stufe sechs allegorische, nicht näher zu bestimmende Gestalten.

Die Räume zwischen ihnen sind mit Zierstücken von Früchten und Blumen ausgefüllt. In dem mittleren dieser Zierstucke eine Inschrift EGO • JEHOVA DEUS • VESTER • H • NE •F :• Auf einer dritten, wiederum zurücktretenden Stufe sehen wir verschiedene mit Obelisken verzierte Giebelbildungen. Auf dieser dritten Stufe, unmittelbar hinter den Giebeln, eine kuppelartige Halbkugel mit Rippen, welche als weibliche Engelhermen gebildet sind. Über der Kuppel ein ausgespannter vergoldeter Regenbogen , auf welchem in einer Strahlenglorie Gott-Vater mit der Weltkugel und Jesus mit dem Kreuze thronen.

Dass Kanzel und Schalldeckel aus gleicher Zeit stammen, ergeben die ausführlichen Aufzeichnungen des Rechnungsbuches vom Jahre 1588. Die Buchstaben an der ersten Stufe des Schalldeckels H • NE • F • sollen auf den Lübecker „Studenten“ Dr. Nentho hinweisen, von welchem der durch Rostocker Meister ausgeführte Entwurf des Schalldeckels stammt. Als Meister werden genannt der Bildschnitzer oder Tischler Hans, der Maler Gerdt, der die Vergoldung besorgte, und der Kunstmaler Michel. Der Erstgenannte wird auch die hölzerne Tür vollendet haben.

Schlie, Friedrich Dr. (1839-1902) Professor, Archäologe und Kunsthistoriker, Direktor der Großherzoglich-Schwerinschen Kunstsammlungen

Schlie, Friedrich Dr. (1839-1902) Professor, Archäologe und Kunsthistoriker, Direktor der Großherzoglich-Schwerinschen Kunstsammlungen

Rostock. 106 St. Petri-Kirche Kanzel

Rostock. 106 St. Petri-Kirche Kanzel

Rostock 107 St. Petri-Kirche, Portal der Kanzeltreppe

Rostock 107 St. Petri-Kirche, Portal der Kanzeltreppe