Rostock 1847, 15. Mai - Der Rostocker Distrikt zum Landtag

Aus: Mecklenburgische Blätter. Erster Jahrgang. 1847
Autor: Kippe, Dr., Erscheinungsjahr: 1847
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Landtag, Rostocker Distrikt, Schiffbarmachung der Warnow
Unter den mancherlei seltsamen Erscheinungen, welche unsere landständische Verfassung darbietet, ist eine der auffallendsten, dass "die Örter des Rostock'schen Distrikts von der Stadt Rostock auf Landtagen und sonst vertreten werden." So schreibt es unser Landesgrundgesetzliche Erbvergleich in seinem §. 137 vor, und so wird es auch heute noch buchstäblich gehalten, in dem Maße, dass z. B. die Stadt für die Distriktsgüter über deren Beitragspflicht zu den privativ ritterschaftlichen Anlagen einen jahrelangen Prozess mit der Ritterschaft geführt, und solchen 1833 verglichen hat, ohne hierbei die steuerpflichtigen Gutsbesitzer überall zu hören, und ohne anderer Seits auch von diesen die aufgewendeten beträchtlichen Prozesskosten ersetzt zu bekommen. Wie mag aber wohl der Rostock'sche Deputierte auf dem jüngsten Landtag sich verhalten haben, als er sich um die Unterstützung der Städte durch Kornlieferungen von Seiten der Ritterschaft handelte? Hätte er nach dem Wortlaut des Erbvergleichs seine Obliegenheiten auch hier im ganzen Umfange erfüllen sollen, so würde er zuerst als Vertreter der Stadt Rostock sich mit den anderen Städten für das geschenkte Korn bedankt haben. Das hätte sich freilich sonderbar ausgenommen; war aber doch wenigstens ausführbar. In einen wirklichen Zwiespalt mit sich selbst wird dagegen der Deputierte Rostocks versetzt werden müssen, wenn auf dem Landtag Fragen, wie z. B. die Schiffbarmachung der Warnow, zur Verhandlung stehen, und durch gemeinsamen Beschluss der Ritter- und Landschaft erledigt werden sollen.

Die Stadt wünscht solche Schiffbarmachung dringend, während die Besitzer der Distriktsgüter, namentlich der an der an der Ober-Warnow gelegenen, aus Rücksicht auf ihre Acker- und Wiesenkultur eine gänzliche Entfernung der Warnow-Schleusen wünschen, und es ist noch keineswegs festgestellt, ob und wie diese entgegenstehenden Interessen ausgeglichen werden sollen. Wofür wird sich hier der gemeinschaftliche Vertreter der Stadt und der Distriktsgüter entscheiden? Und entscheiden muss er sich notwendig, da er für die größte Stadt des Landes mit dem stark bevölkerten Flecken Warnemünde, und für die 48 Ortschaften des Distrikts im Pleno der Landtags-Versammlung nur eine Stimme hat, gerade so viel als der Besitzer des sogenannten Ritterguts Bössow-Westhof mit seinen 90 Scheffeln Aussat-

Dergleichen und andere ähnliche Betrachtungen haben nun die Privatbesitzer von Distriktsgüter veranlasst, gemeinsame Schritte sowohl bei der Landesherrschaft, als bei dem Landtag und der Stadt Rostock zu tun, um eine selbständige Vertretung ihrer Güter zu erlangen, und solchergestalt ebenso der vollen Rechte der gesamten Ritterschaft teilhaftig zu werden, wie sie längst die vollen Lasten derselben getragen haben. Eine bestimmte Erklärung auf die desfalsigen Anträge ist aber noch von keiner Seite erfolgt. Dem Vernehmen nach will man erst aus den Archiven festzustellen suchen, wie das jetzige Verhältnis ursprünglich entstanden sein mag. Denn über dessen Ursprung scheint man sich aus den leichter zugänglichen Hilfsmitteln kaum noch genügend Aufschluss verschaffen zu können. Möge nur nicht das Suchen und Forschen in alten betäubten Akten das lebende Geschlecht überdauern, und so vor lauter Gründlichkeit die Auflösung eines unnatürlichen, keinem Teil wahrhaften Nutzen gewährenden Verhältnisses bis zur künftigen Generation verschoben bleiben, oder gar wieder ganz in Vergessenheit geraten!
            Rostock, im April 1847





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Rostock zur Zeit der Hanse, Holzschnitt

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Warnemünde, Strom, Hafen und Leuchtturm

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