Rostock 1807 - Von der Aufklärung in Rostock, und dem sittlichen Charakter der Einwohner - (05)
Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Lektüre, Frauenzimmer, Romane, Schauspiel, Meisterwerke, Phantasie, Lektüre, Beschäftigung, Kontrast, Wissenschaft, Examen, Beredsamkeit, Geistlichen, Einbildungskraft, Verstand
Durch Lektüre könnte sich besonders manches junge Frauenzimmer auch bei uns einigermaßen bilden; aber man liest nur zu häufig ohne Auswahl, begnügt sich nicht selten mit den elendesten Romanen und Schauspielen, liest zu schnell und bloß zur Befriedigung seiner Neugierde, findet alles schön und vortrefflich, was auf diesen Titel in den Augen eines Kenners wohl keinen Anspruch machen würde, weil man die Meisterwerke unserer Nation entweder nicht kennt, oder eben so kursorisch, wie die gewöhnlichen Romane, gelesen hat. Ein sorgfältigeres Studium der letzteren, unter einer guten Anführung, oder mit Benutzung einiger zum Selbststudium sehr nützlichen Schriften unserer Ästhetiker, würde gewiss die Ausbildung der feineren Gefühle sehr befördern, und unsere Jugend zugleich sehr angenehm beschäftigen. Aber viele Eltern halten dies noch für überflüssig, und glauben, dass eine solche Unterhaltung mit den häuslichen Beschäftigungen in einem zu schneidenden Kontrast stehe. Auf die Phantasie der jungen Damen hat die lockere Speise, die ihnen ihre Lektüre darbietet, übrigens keinen sonderlich, nachteiligen Einfluss. Bei dem natürlichen Temperament beunruhigt eine lebhafte Phantasie sie gerade am wenigsten; und dann lesen sie auch viel zu eilfertig, als dass sie außer dem Verlust der Zeit wirklich etwas davon zu befürchten haben sollten. Ich glaube, ein Examen über den Inhalt und Zusammenhang eines Romans würde nicht besser ausfallen, als wenn man sie, über eine Predigt examinieren wollte. Am wenigsten gewinnt durch diese Leserei ihr Geschmack an den schönen Wissenschaften, die der größte Teil kaum dem Namen nach kennt. Was wir also in dieser Hinsicht von unseren Schönen zu erwarten haben, lässt sich leicht erraten. Indessen will ich ihnen die Fähigkeit zu allen ästhetischen Beschäftigungen damit nicht absprechen; aber bei dem Mangel an Übung und Kultur können ihre verborgenen Talente nicht zu einer schönen Blüte gedeihen.
Auch Knaben und Jünglinge beschäftigen sich nur wenig mit den schönen Wissenschaften, und werden eigentlich gar nicht mit diesen Gegenständen bekannt gemacht. Man ist schon zufrieden, wenn sie nur dem gewöhnlichen Schlendrian folgen; und hält es für überflüssig, die Zeit mit solchen Beschäftigungen zu töten, worin freilich die wenigsten es zu einer Vollkommenheit bringen, von denen aber mancher doch billig mehr Kenntnisse und richtigere Begriffe haben sollte, als man findet. Die Dichter werden, wie Cicero sagt, geboren: aber vielleicht muss noch ein wohltätiger Glücksstern, der unseren Horizont nicht erleuchtet, bei ihrer Geburt mitwirken, denn sonst lässt es sich begreifen, warum sie hier nicht eben so häufig, wie anderwärts, geboren werden sollten. Gute Poeten, Schauspieldichter und Romanschreiber sind zwar überall selten, aber bei uns ist ihre Anzahl gar zu gering. Ein Redner würde bei unserer Verfassung bisweilen vielleicht sein Talent mit Nutzen anwenden können: aber die gewöhnlichen Redeübungen in den Schulen sind wohl kaum als eine Vorbereitung dazu anzusehen. Indessen stehen wir hierin dem übrigen Deutschlande nicht nach, das auch keine Redner bildet. Meines Bedenkens sollte die Redekunst nicht so ganz zurückgesetzt werden. Denn wenn auch immer die Gelegenheit, förmliche Rede zu halten, selten vorkommen mag, und man sich denn gewöhnlich zu helfen weiß: so ist doch nicht zu leugnen, dass man in Lagen kommen kann, wo die Beredsamkeit immer vielen Einfluss haben wird. Sollten aber nicht unsere Geistlichen insbesondere sich dieselbe zu erwerben suchen, die nur zu oft durch ein elendes Gewäsch ermüden, und weder das Herz zu rühren, noch den Verstand zu erleuchten wissen? Ihnen wäre das Studium der Beredsamkeit auch hier noch vorzüglich aus dem Grunde zu empfehlen, weil die hiesigen Prediger-Stellen nur mit geborenen Rostockern besetzt werden, und wir am Ende nur Salbader erhalten, wenn man die Rhetorik nicht besser als bisher kultiviert. Aber außerdem lehrt sie noch eine richtige Deklamation, die jeder brauchen kann, sie dient zur Kenntnis und Ausbildung unserer Sprache, stärkt das Gedächtnis, belebt die Einbildungskraft, und klärt den Verstand auf, selbst einen guten Anstand befördert sie und gibt ein gefälligeres Äußere; alles Eigenschaften und Vorzüge, die man doch nicht so gering schätzen sollte.
Auch Knaben und Jünglinge beschäftigen sich nur wenig mit den schönen Wissenschaften, und werden eigentlich gar nicht mit diesen Gegenständen bekannt gemacht. Man ist schon zufrieden, wenn sie nur dem gewöhnlichen Schlendrian folgen; und hält es für überflüssig, die Zeit mit solchen Beschäftigungen zu töten, worin freilich die wenigsten es zu einer Vollkommenheit bringen, von denen aber mancher doch billig mehr Kenntnisse und richtigere Begriffe haben sollte, als man findet. Die Dichter werden, wie Cicero sagt, geboren: aber vielleicht muss noch ein wohltätiger Glücksstern, der unseren Horizont nicht erleuchtet, bei ihrer Geburt mitwirken, denn sonst lässt es sich begreifen, warum sie hier nicht eben so häufig, wie anderwärts, geboren werden sollten. Gute Poeten, Schauspieldichter und Romanschreiber sind zwar überall selten, aber bei uns ist ihre Anzahl gar zu gering. Ein Redner würde bei unserer Verfassung bisweilen vielleicht sein Talent mit Nutzen anwenden können: aber die gewöhnlichen Redeübungen in den Schulen sind wohl kaum als eine Vorbereitung dazu anzusehen. Indessen stehen wir hierin dem übrigen Deutschlande nicht nach, das auch keine Redner bildet. Meines Bedenkens sollte die Redekunst nicht so ganz zurückgesetzt werden. Denn wenn auch immer die Gelegenheit, förmliche Rede zu halten, selten vorkommen mag, und man sich denn gewöhnlich zu helfen weiß: so ist doch nicht zu leugnen, dass man in Lagen kommen kann, wo die Beredsamkeit immer vielen Einfluss haben wird. Sollten aber nicht unsere Geistlichen insbesondere sich dieselbe zu erwerben suchen, die nur zu oft durch ein elendes Gewäsch ermüden, und weder das Herz zu rühren, noch den Verstand zu erleuchten wissen? Ihnen wäre das Studium der Beredsamkeit auch hier noch vorzüglich aus dem Grunde zu empfehlen, weil die hiesigen Prediger-Stellen nur mit geborenen Rostockern besetzt werden, und wir am Ende nur Salbader erhalten, wenn man die Rhetorik nicht besser als bisher kultiviert. Aber außerdem lehrt sie noch eine richtige Deklamation, die jeder brauchen kann, sie dient zur Kenntnis und Ausbildung unserer Sprache, stärkt das Gedächtnis, belebt die Einbildungskraft, und klärt den Verstand auf, selbst einen guten Anstand befördert sie und gibt ein gefälligeres Äußere; alles Eigenschaften und Vorzüge, die man doch nicht so gering schätzen sollte.