Rostock 1807 - Von den Einwohnern - die physische Beschaffenheit der Kinder - Tanzen, Spielen, Baden
Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807
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Themenbereiche
Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Gesundheit, Medizin, Homöopathie Hansestadt Rostock
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Kinder, Bewegung, Tanzen, Baden, Spielen, Schüsselspiel, Ballspiele, Reiftreiben, Geschicklichkeit, Ausdauer, Unterhaltung, Gesundheit, Doberan, Hygiene, Reinlichkeit
Gymnastische Übungen sind unter den Kindern der Vornehmeren nicht eingeführt. Die Knaben gehen freilich wohl bisweilen ins Freie, um den Ball zu schlagen; allein teils sind sie sich dabei ganz überlassen und ohne Aufsicht, teils genießen sie dieses Vergnügen nur eine kurze Zeit im Jahr; und die kleinen Mädchen nehmen gar keinen Teil daran. Im Winter laufen die Knaben zwar auf dem Eise herum; aber hier ist es noch weit gefährlicher, sie ohne Aufsicht zu lassen. Soll ich das Tanzen auch zu den gymnastischen Übungen zählen, so wird diese bei uns sehr kultiviert, aber doch auf eine Art, dass ich sie als Arzt nicht gut heißen kann. Man fängt gewöhnlich schon sehr früh an, den Kindern Unterricht im Tanzen geben zu lassen, und bestimmt dazu häufig den Summer, damit sie es gegen den Winter schon gelernt haben: Anstatt aber, dass man bei solchen Kindern, die noch Biegsamkeit genug haben, um alles aus ihnen zu machen, denen es hingegen an Festigkeit und Kraft fehlt, die zu den gewöhnlichen Tänzen erfordert wird, vorzüglich darauf sehen sollte, ihnen eine gute Haltung ihres Körpers und einen sichern Gang beizubringen, freut man sich nur darüber, wenn sie in einigen Monaten alle modische Tänze gelernt haben. Wenn nun vollends während der heißen Sommertage sich mehrere Familien unter einander verbinden, um ihre Kinder gemeinschaftlich tanzen zu lassen: so ist wohl nichts so sehr zu befürchten, als eine schädliche Erhitzung, die noch um so gefährlicher für die Gesundheit dieser Kleinen werden muss, wenn sie gleich nach einem solchen Balle wieder nach Hause gehen , wobei sie sich nur gar zu leicht erkälten, wie ich aus Erfahrung weiß. Und eben so wenig kann ich es anpassend finden, dass man die Kinder nun den nächsten Winter mit auf die Bälle der Erwachsenen nimmt, wo sie zwischen und mit diesen oft in langen Reihen herumspringen und sich wieder zu sehr anstrengen, erhitzen, auch wohl bisweilen heimlich durch einen kühlenden Trunk, oder durch eine freiere Luft zu erquicken suchen.
Die Eltern, welche zu den wohlhabenderen Handwerkern gehören, und den Vornehmen gemeiniglich in keinem Stücke nachstehen wollen, schicken auch ihre Kinder immer allgemeiner auf den Tanzboden, und nehmen sie dann ebenfalls mit auf ihre Bälle. Hingegen findet man unter den Kindern, welche überwiegend den ganzen Tag auf der Straße zubringen, hin und wieder einige Spiele, die man wohl zu den gymnastischen Übungen rechnen kann. Nicht nur pflegen sie im Sommer auf grünen Plätzen die Künste der durchreisenden Luftspringer und Seiltänzer häufig, so gut sie können, zu wiederholen; sondern auch andere Übungen, die man bei den Kindern aus den höheren Ständen nur selten findet, gehören zu ihren gewöhnlichen Unterhaltungen. Sie wechseln mit denselben sogar nach den Jahreszeiten ab. Das erste Spiel der Art ist das sogenannte Schüsselspiel, wobei sie Kupfermünzen gegen die Wand werfen, um durch das Zurückprellen derselben ein gewisses Ziel zu erreichen. Dies verschafft ihnen aber nur eine geringe Bewegung, wenn nicht etwa bei dieser Gelegenheit sich Streit und Händel unter ihnen entspinnen. Dann folgt das Reiftreiben, welches darin besteht, dass sie ein zusammengebundenes und mit einer Art von Schellen geschmücktes Tonnenband mittelst eines kleinen Steckens so forttreiben, dass sie es immer im Laufen erhalten. Sie zeigen dabei zum Teil eine sehr große Geschicklichkeit; indem sie jedem ihnen auch ganz unerwartet aufstoßenden Hindernisse auszuweichen wissen, ohne dass sie dadurch in der Verfolgung ihres Reifes gestört werden. Haben, sie dieses einige Wochen fortgesetzt: so folgt das Ballspiel; auch lassen sie wohl bei etwas windiger Witterung, woran es uns nur selten fehlt, Drachen steigen, und wechseln damit den Sommer und Herbst hindurch ab. Im Winter fahren sie sich auf, Schlitten, welche sie stehend oder sitzend mittelst eines in der Hand habenden Steckens, der unten mit einem eisernen Stachel versehen ist, fortbewegen, ohne selbst das Gleichgewicht zu verlieren. Alle diese Spiele treiben sie häufig auf den Straßen, welches von einer guten Polizei nur eigentlich nicht geduldet werden sollte, weil sie sehr leicht dadurch schaden können. Ich selbst sah von dem Treiben eines mit Schellen verzierten Tonnenreifes Pferde, die in den Gassen standen, unruhig und wild werden; und durch das zuletzt genannte Wintervergnügen machen sie die wegen ihrer abschüssigen Lage ohnehin in etwas unsichern Gassen so glatt und gefährlich, dass Menschen und Pferde dabei leicht zu Schaden kommen.
Noch muss ich eines Umstandes gedenken, ehe ich die Materie von der physischen Erziehung der Kinder verlasse, der von den hiesigen Einwohnern vorzüglich beherzigt zu werden verdient. Wir sind beinahe von allen Seiten mit Wasser umgeben, und man kann daher im Sommer sehr bald einen Platz zum Baden finden. Da es uns aber an öffentlichen Badehäusern fehlt: so geht ein jeder dahin, wo es ihm am besten gefällt, und wo er sich am sichersten glaubt. Dies tun denn auch häufig die Knaben, die sich einzeln oder in Gesellschaft an einen solchen Ort begeben. Gegen das Baden selbst wird wohl kein Arzt etwas einzuwenden haben: aber dass die Knaben dieses ohne Aufsicht tun und sich selbst größtenteils überlassen sind, das verdient um so mehr eine strenge Rüge, da es schon manchmal sehr unangenehme Folgen gehabt hat. Wenn sie auch den Fluss selbst vermeiden, dessen Tiefe sehr ungleich, und dessen Wasser folglich auch sehr unsicher ist, welches doch nicht immer geschieht; und sich nur in Teichen oder in einem anderen ähnlichen Wasser baden: so hat die Erfahrung uns dennoch schon gelehrt, dass Kinder bisweilen auch selbst in dem sichersten Wasser ihr Grab finden können. Wir sollten daher billig nicht so gleichgültig bei einer Sache sein, die nur gar zu leicht gefährlich werden kann, und die Kinder nicht mehr ohne Aufsicht sich baden lassen.
So wie übrigens das Baden ein Beförderungsmittel der Reinlichkeit ist, und besonders den Knaben aus den untern Ständen in dieser Hinsicht sehr zu Statten kommt: so muss ich noch bemerken, dass man die Kinder der Vornehmen nicht nur überwiegend sehr gut und reinlich gekleidet sieht, sondern dass man auch seit verschiedenen Jahren noch häufiger, als in den ersten Zeiten meines hiesigen Aufenthalts selbst die kleinsten Kinder badet, und damit so lange fortfährt, als es sich nur tun lässt. Seitdem unser gnädigster Landesherr die Badeanstalt zu Doberan gestiftet hat, und man jährlich viele Fremde dahin reisen sieht, um durch das Bad ihre Gesundheit wieder herzustellen, scheint man auch das Baden, der Kinder noch eifriger zu beschaffen.
Die Eltern, welche zu den wohlhabenderen Handwerkern gehören, und den Vornehmen gemeiniglich in keinem Stücke nachstehen wollen, schicken auch ihre Kinder immer allgemeiner auf den Tanzboden, und nehmen sie dann ebenfalls mit auf ihre Bälle. Hingegen findet man unter den Kindern, welche überwiegend den ganzen Tag auf der Straße zubringen, hin und wieder einige Spiele, die man wohl zu den gymnastischen Übungen rechnen kann. Nicht nur pflegen sie im Sommer auf grünen Plätzen die Künste der durchreisenden Luftspringer und Seiltänzer häufig, so gut sie können, zu wiederholen; sondern auch andere Übungen, die man bei den Kindern aus den höheren Ständen nur selten findet, gehören zu ihren gewöhnlichen Unterhaltungen. Sie wechseln mit denselben sogar nach den Jahreszeiten ab. Das erste Spiel der Art ist das sogenannte Schüsselspiel, wobei sie Kupfermünzen gegen die Wand werfen, um durch das Zurückprellen derselben ein gewisses Ziel zu erreichen. Dies verschafft ihnen aber nur eine geringe Bewegung, wenn nicht etwa bei dieser Gelegenheit sich Streit und Händel unter ihnen entspinnen. Dann folgt das Reiftreiben, welches darin besteht, dass sie ein zusammengebundenes und mit einer Art von Schellen geschmücktes Tonnenband mittelst eines kleinen Steckens so forttreiben, dass sie es immer im Laufen erhalten. Sie zeigen dabei zum Teil eine sehr große Geschicklichkeit; indem sie jedem ihnen auch ganz unerwartet aufstoßenden Hindernisse auszuweichen wissen, ohne dass sie dadurch in der Verfolgung ihres Reifes gestört werden. Haben, sie dieses einige Wochen fortgesetzt: so folgt das Ballspiel; auch lassen sie wohl bei etwas windiger Witterung, woran es uns nur selten fehlt, Drachen steigen, und wechseln damit den Sommer und Herbst hindurch ab. Im Winter fahren sie sich auf, Schlitten, welche sie stehend oder sitzend mittelst eines in der Hand habenden Steckens, der unten mit einem eisernen Stachel versehen ist, fortbewegen, ohne selbst das Gleichgewicht zu verlieren. Alle diese Spiele treiben sie häufig auf den Straßen, welches von einer guten Polizei nur eigentlich nicht geduldet werden sollte, weil sie sehr leicht dadurch schaden können. Ich selbst sah von dem Treiben eines mit Schellen verzierten Tonnenreifes Pferde, die in den Gassen standen, unruhig und wild werden; und durch das zuletzt genannte Wintervergnügen machen sie die wegen ihrer abschüssigen Lage ohnehin in etwas unsichern Gassen so glatt und gefährlich, dass Menschen und Pferde dabei leicht zu Schaden kommen.
Noch muss ich eines Umstandes gedenken, ehe ich die Materie von der physischen Erziehung der Kinder verlasse, der von den hiesigen Einwohnern vorzüglich beherzigt zu werden verdient. Wir sind beinahe von allen Seiten mit Wasser umgeben, und man kann daher im Sommer sehr bald einen Platz zum Baden finden. Da es uns aber an öffentlichen Badehäusern fehlt: so geht ein jeder dahin, wo es ihm am besten gefällt, und wo er sich am sichersten glaubt. Dies tun denn auch häufig die Knaben, die sich einzeln oder in Gesellschaft an einen solchen Ort begeben. Gegen das Baden selbst wird wohl kein Arzt etwas einzuwenden haben: aber dass die Knaben dieses ohne Aufsicht tun und sich selbst größtenteils überlassen sind, das verdient um so mehr eine strenge Rüge, da es schon manchmal sehr unangenehme Folgen gehabt hat. Wenn sie auch den Fluss selbst vermeiden, dessen Tiefe sehr ungleich, und dessen Wasser folglich auch sehr unsicher ist, welches doch nicht immer geschieht; und sich nur in Teichen oder in einem anderen ähnlichen Wasser baden: so hat die Erfahrung uns dennoch schon gelehrt, dass Kinder bisweilen auch selbst in dem sichersten Wasser ihr Grab finden können. Wir sollten daher billig nicht so gleichgültig bei einer Sache sein, die nur gar zu leicht gefährlich werden kann, und die Kinder nicht mehr ohne Aufsicht sich baden lassen.
So wie übrigens das Baden ein Beförderungsmittel der Reinlichkeit ist, und besonders den Knaben aus den untern Ständen in dieser Hinsicht sehr zu Statten kommt: so muss ich noch bemerken, dass man die Kinder der Vornehmen nicht nur überwiegend sehr gut und reinlich gekleidet sieht, sondern dass man auch seit verschiedenen Jahren noch häufiger, als in den ersten Zeiten meines hiesigen Aufenthalts selbst die kleinsten Kinder badet, und damit so lange fortfährt, als es sich nur tun lässt. Seitdem unser gnädigster Landesherr die Badeanstalt zu Doberan gestiftet hat, und man jährlich viele Fremde dahin reisen sieht, um durch das Bad ihre Gesundheit wieder herzustellen, scheint man auch das Baden, der Kinder noch eifriger zu beschaffen.