Rostock 1807 - Von den Einwohnern - deren physische Natur
Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807
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Themenbereiche
Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Gesundheit, Medizin, Homöopathie Hansestadt Rostock
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Bewohner, physische Natur, Lebensverhältnisse, körperliche Erregbarkeit, Ansehen, Aussehen, Temperament, Charakter, Eigenarten, Besonderheiten, Gewohnheiten, Wuchs, Physiognomie, Wohlbeleibtheit, Schönheit, Grazie
Diese charakterisiert sich unter dem Einfluss des hiesigen Klimas und der Lebensart in Rücksicht ihrer Stärke sehr vorteilhaft. Im Ganzen ist der Rostocker, so wie der Mecklenburger überhaupt, nur von einer mittleren Statur, indessen fehlt es doch auch nicht an wirklich großen Individuen. Regelmäßig schöne und wohlproportionierte Körper gehören zwar nicht zu den Seltenheiten, aber dennoch findet man häufiger starke, untersetzte und muskulöse Gestalten, über deren Kräfte man bisweilen erstaunt. Die hiesigen Einwohner haben im Ganzen ein starkes und gesundes Ansehen. Das gilt nicht bloß von den Arbeitsleuten und Tagelöhnern der letzten Klasse, sondern auch selbst von einem großen Teil der Handwerker, unter welchen jedoch die meisten Ausnahmen hiervon vorkommen. Ferner gibt es insbesondere unter den Schiffern, nicht minder unter den Kaufleuten, ja selbst unter den Gelehrten viele große, starke und ausgestopfte Körper, deren stattliche Bäuche keinen Mangel verraten, und auf ein gemächliches, sorgenfreies Leben mit Recht schließen lassen. Diese letzteren finden sich indessen nur selten unter den Arbeitsleuten, hin und wieder aber doch unter den Handwerkern.
Das Maß der körperlichen Erregbarkeit stimmt sehr mit dem angegebenen äußeren Ansehen überein. Dieses verraten schon zum Teil der langsame und schwerfällige Gang, die sichtbare Gravität, die wenig markierten Gesichter: aber man findet diese etwas stumpfe Erregbarkeit, die sich so gern mit einer gewissen Torosität und mit einem böotischen Temperamente verbindet, noch unverkennbarer in dem gesellschaftlichen Umgange. Ein Franzose würde über die Wohlbedächtigkeit erstaunen, mit der man hier zu Werke geht. Diese hat aber gewöhnlich ihren hinreichenden Grund in einem gewissen Phlegma, das von der besonderen Organisation der Muskeln und Nerven so sehr abhängt, und diese kann wiederum eben sowohl in einer gewissen angebornen Trägheit dieser Organe ihren Grund haben, als sie durch ein bequemes und indolentes Leben genährt, oder wohl selbst erzeugt wird. Rasche Entschlüsse und eine schnelle Ausführung derselben, die dem südlichen Bewohner Deutschlands so eigen sind, dürfen hier nur selten bereut werden: hingegen wirkt bei uns die Macht der Gewohnheit und des Herkommens desto kräftiger. Es hält immer außerordentlich schwer, Jemanden aus dem schon so lange betretenen Geleise herauszubringen, und ihn zu einer raschen Handlung zu bestimmen; und kaum erreicht man seine Absicht, selbst wenn man es versucht, seine schwache Seite zu fassen. Aber was er tut, geschieht mit Nachdruck, ordnungsmäßig und nach einem gewissen Plan, von dem er selten abweicht. Wie gering die körperliche Erregbarkeit bei ihm ist, sieht man auch unter andern aus den großen Gaben von Arzneimitteln, die er vertragen kann, und ohne welche man in Krankheiten selten etwas ausrichtet.
Sein mehr rundliches und volles, als mageres und langes Gesicht wird durch ein kurzes Lächeln erheitert, dessen Stelle bald weder ein gutmütiger, selten nur ein abschreckender Ernst einnimmt. Aber die Gesichtszüge liegen zu versteckt, als dass sie bedeutend werden sollten. Eine gewöhnliche Stirn von mittlerer Größe wird durch die starken Augenbraunen begrenzt, unter denen ein mäßig lebhaftes, nicht sehr großes Auge sich ziemlich zurückzieht, und durch einen ernsten Blick den Charakter der Seele enthüllt, zwischen ihnen eine nicht sehr hervortretende, öfters abgestumpfte, selten schön geformte und gewölbte Nase, volle Wangen, die den Umriss der Bildungs-Physiognomie bedecken, ein nicht gar kleiner Mund mit starken Lippen, unter dem ein breites Kinn mäßig hervorsteht, und dann noch ein ziemlich starkes Haar, charakterisieren im Ganzen die hiesige Nationalbildung, von welcher freilich um so mehr jedem Beobachter Ausnahmen aufstoßen müssen, da nicht alle hiesige Einwohner geborene Rostocker, ja nicht einmal geborene Mecklenburger sind. Aber bei dieser Vermischung der Eingebornen mit den Fremden wird es um so schwerer, den eigentümlichen Charakter der hiesigen National-Physiognomie zu schildern, der noch überdem durch die Art der Beschäftigungen mehr oder weniger modifiziert wird. Man wird mich daher entschuldigen, wenn ich ein oder anderes Unterscheidungszeichen in der allgemeinen Charakteristik sollte aufgefasst haben, was eigentlich nicht dafür angesehen werden kann; doch schmeichle ich mir, nach meinen Beobachtungen ein ziemlich getreues Gemälde der hiesigen Physiognomie entworfen zu haben. Ich füge nur noch hinzu, dass der größte Teil der geborenen Rostocker ein mehr blondes, als schwarzes Haar hat, obgleich das letztere denn doch auch, wahrscheinlich durch Vermischung mit dem Ausland, vorkommt. Braungelbe Gesichter findet man jedoch häufig bei solchen, die sich viel in der freien Luft beschäftigen.
Auch das schöne Geschlecht zeichnet sich bei uns durch einen feinen Teint eben nicht aus. Ihn verdirbt das raue Klima, indem es der Haut seine samtene Zartheit raubt, das Rot zu stark aufträgt, und seine etwas scharf markierte Übergänge, ins Weiße nicht genug verwischt. Indessen gebe ich die Ausnahmen um so lieber zu, da es einem Verehrer dieses Geschlechts nicht entgehen kann, dass doch auch in unserem Klima zuweilen Rosen und Lilien blühen. Und können wir gleich nicht die bewunderten Profile des griechischen Frauenzimmers in unserer Zone erwarten, so überrascht uns doch manche regelmäßige und gefallende Physiognomie in den gesellschaftlichen Zirkeln. Schade nur, dass die aufblühende Schönheit hier oft so bald ihr Interesse verliert, und das Schicksal der Vergänglichkeit so bald erfährt. Doch sei es allen jungen Schönen zum Trost gesagt, dass nach dem Urteil der Männer, noch manches verheiratetes Frauenzimmer mit der vollen Anmut ihrer Jugend im Kreise ihrer Kinder erscheint. Auf geistreiche, seelenvolle Physiognomien scheinen Mädchen und Matronen keinen Anspruch zu machen, weil Männer sie nicht suchen. Beides mag seinen zureichenden Grund haben. Dagegen tragen die meisten unserer jungen Schönen das Gepräge der Gesundheit an sich, und fesseln dadurch die Blicke des teilnehmenden Menschenfreundes.
Der Wuchs mancher unserer vornehmen Damen hat wahrscheinlich seine natürliche Grazie unter dem Zwang der erst vor wenig Jahren verbannten Schnürleiber eingebüßt; wenigstens zeichnen die seit dieser Zeit aufgeblühten Schönen sich durch eine regelmäßigere Proportion zu ihrem Vorteil aus. Zu bewundern ist es aber, dass unter dem Despotismus jener nun vergessenen Mode, nicht wenige Frauenzimmer einen so junonischen Wuchs erreicht haben: denn wirklich gibt es hier viele sehr große Frauenzimmer, besonders unter den Schiffern; ob es gleich auch an kleinen Individuen, doch mehr unter den Vornehmen als Geringeren, nicht fehlt. Schon die jungen Mädchen haben eine Neigung zum Fettwerden. Anfangs gibt dieses ein gefälliges Eubonpoint*): aber mit der Zeit artet es in eine gewisse Korpulenz aus; und wenn man eine Gesellschaft von Matronen beisammen findet, so sollte man beinahe glauben, dass man hier eben diese Begriffe von Schönheit habe, wie man sie nach dem Zeugnisse des Mungo-Park unter den Mauren in Afrika findet. Wahrscheinlich ist der Grund in der Lebensart des hiesigen Frauenzimmers zu suchen. Dass man eine solche Korpulenz nicht anstößig findet, sondern häufig mit einem gewissen Wohlbehagen betrachtet, schreibe ich der Allgemeinheit dieser Erscheinung, und der sehr harmonischen Körperbeschaffenheit des männlichen Geschlechts zu. Aber eben jenes Eubonpoint unserer Frauenzimmer gewährt ihnen auch einen Vorzug vor den schlankem Schönen, die häufig ihre Zuflucht zu den Künsteleien der Mode nehmen müssen, um mit einem scheinbar vollen Busen die Blicke der Neugierigen zu täuschen.
*) Wohlbeleibtheit
Das Maß der körperlichen Erregbarkeit stimmt sehr mit dem angegebenen äußeren Ansehen überein. Dieses verraten schon zum Teil der langsame und schwerfällige Gang, die sichtbare Gravität, die wenig markierten Gesichter: aber man findet diese etwas stumpfe Erregbarkeit, die sich so gern mit einer gewissen Torosität und mit einem böotischen Temperamente verbindet, noch unverkennbarer in dem gesellschaftlichen Umgange. Ein Franzose würde über die Wohlbedächtigkeit erstaunen, mit der man hier zu Werke geht. Diese hat aber gewöhnlich ihren hinreichenden Grund in einem gewissen Phlegma, das von der besonderen Organisation der Muskeln und Nerven so sehr abhängt, und diese kann wiederum eben sowohl in einer gewissen angebornen Trägheit dieser Organe ihren Grund haben, als sie durch ein bequemes und indolentes Leben genährt, oder wohl selbst erzeugt wird. Rasche Entschlüsse und eine schnelle Ausführung derselben, die dem südlichen Bewohner Deutschlands so eigen sind, dürfen hier nur selten bereut werden: hingegen wirkt bei uns die Macht der Gewohnheit und des Herkommens desto kräftiger. Es hält immer außerordentlich schwer, Jemanden aus dem schon so lange betretenen Geleise herauszubringen, und ihn zu einer raschen Handlung zu bestimmen; und kaum erreicht man seine Absicht, selbst wenn man es versucht, seine schwache Seite zu fassen. Aber was er tut, geschieht mit Nachdruck, ordnungsmäßig und nach einem gewissen Plan, von dem er selten abweicht. Wie gering die körperliche Erregbarkeit bei ihm ist, sieht man auch unter andern aus den großen Gaben von Arzneimitteln, die er vertragen kann, und ohne welche man in Krankheiten selten etwas ausrichtet.
Sein mehr rundliches und volles, als mageres und langes Gesicht wird durch ein kurzes Lächeln erheitert, dessen Stelle bald weder ein gutmütiger, selten nur ein abschreckender Ernst einnimmt. Aber die Gesichtszüge liegen zu versteckt, als dass sie bedeutend werden sollten. Eine gewöhnliche Stirn von mittlerer Größe wird durch die starken Augenbraunen begrenzt, unter denen ein mäßig lebhaftes, nicht sehr großes Auge sich ziemlich zurückzieht, und durch einen ernsten Blick den Charakter der Seele enthüllt, zwischen ihnen eine nicht sehr hervortretende, öfters abgestumpfte, selten schön geformte und gewölbte Nase, volle Wangen, die den Umriss der Bildungs-Physiognomie bedecken, ein nicht gar kleiner Mund mit starken Lippen, unter dem ein breites Kinn mäßig hervorsteht, und dann noch ein ziemlich starkes Haar, charakterisieren im Ganzen die hiesige Nationalbildung, von welcher freilich um so mehr jedem Beobachter Ausnahmen aufstoßen müssen, da nicht alle hiesige Einwohner geborene Rostocker, ja nicht einmal geborene Mecklenburger sind. Aber bei dieser Vermischung der Eingebornen mit den Fremden wird es um so schwerer, den eigentümlichen Charakter der hiesigen National-Physiognomie zu schildern, der noch überdem durch die Art der Beschäftigungen mehr oder weniger modifiziert wird. Man wird mich daher entschuldigen, wenn ich ein oder anderes Unterscheidungszeichen in der allgemeinen Charakteristik sollte aufgefasst haben, was eigentlich nicht dafür angesehen werden kann; doch schmeichle ich mir, nach meinen Beobachtungen ein ziemlich getreues Gemälde der hiesigen Physiognomie entworfen zu haben. Ich füge nur noch hinzu, dass der größte Teil der geborenen Rostocker ein mehr blondes, als schwarzes Haar hat, obgleich das letztere denn doch auch, wahrscheinlich durch Vermischung mit dem Ausland, vorkommt. Braungelbe Gesichter findet man jedoch häufig bei solchen, die sich viel in der freien Luft beschäftigen.
Auch das schöne Geschlecht zeichnet sich bei uns durch einen feinen Teint eben nicht aus. Ihn verdirbt das raue Klima, indem es der Haut seine samtene Zartheit raubt, das Rot zu stark aufträgt, und seine etwas scharf markierte Übergänge, ins Weiße nicht genug verwischt. Indessen gebe ich die Ausnahmen um so lieber zu, da es einem Verehrer dieses Geschlechts nicht entgehen kann, dass doch auch in unserem Klima zuweilen Rosen und Lilien blühen. Und können wir gleich nicht die bewunderten Profile des griechischen Frauenzimmers in unserer Zone erwarten, so überrascht uns doch manche regelmäßige und gefallende Physiognomie in den gesellschaftlichen Zirkeln. Schade nur, dass die aufblühende Schönheit hier oft so bald ihr Interesse verliert, und das Schicksal der Vergänglichkeit so bald erfährt. Doch sei es allen jungen Schönen zum Trost gesagt, dass nach dem Urteil der Männer, noch manches verheiratetes Frauenzimmer mit der vollen Anmut ihrer Jugend im Kreise ihrer Kinder erscheint. Auf geistreiche, seelenvolle Physiognomien scheinen Mädchen und Matronen keinen Anspruch zu machen, weil Männer sie nicht suchen. Beides mag seinen zureichenden Grund haben. Dagegen tragen die meisten unserer jungen Schönen das Gepräge der Gesundheit an sich, und fesseln dadurch die Blicke des teilnehmenden Menschenfreundes.
Der Wuchs mancher unserer vornehmen Damen hat wahrscheinlich seine natürliche Grazie unter dem Zwang der erst vor wenig Jahren verbannten Schnürleiber eingebüßt; wenigstens zeichnen die seit dieser Zeit aufgeblühten Schönen sich durch eine regelmäßigere Proportion zu ihrem Vorteil aus. Zu bewundern ist es aber, dass unter dem Despotismus jener nun vergessenen Mode, nicht wenige Frauenzimmer einen so junonischen Wuchs erreicht haben: denn wirklich gibt es hier viele sehr große Frauenzimmer, besonders unter den Schiffern; ob es gleich auch an kleinen Individuen, doch mehr unter den Vornehmen als Geringeren, nicht fehlt. Schon die jungen Mädchen haben eine Neigung zum Fettwerden. Anfangs gibt dieses ein gefälliges Eubonpoint*): aber mit der Zeit artet es in eine gewisse Korpulenz aus; und wenn man eine Gesellschaft von Matronen beisammen findet, so sollte man beinahe glauben, dass man hier eben diese Begriffe von Schönheit habe, wie man sie nach dem Zeugnisse des Mungo-Park unter den Mauren in Afrika findet. Wahrscheinlich ist der Grund in der Lebensart des hiesigen Frauenzimmers zu suchen. Dass man eine solche Korpulenz nicht anstößig findet, sondern häufig mit einem gewissen Wohlbehagen betrachtet, schreibe ich der Allgemeinheit dieser Erscheinung, und der sehr harmonischen Körperbeschaffenheit des männlichen Geschlechts zu. Aber eben jenes Eubonpoint unserer Frauenzimmer gewährt ihnen auch einen Vorzug vor den schlankem Schönen, die häufig ihre Zuflucht zu den Künsteleien der Mode nehmen müssen, um mit einem scheinbar vollen Busen die Blicke der Neugierigen zu täuschen.
*) Wohlbeleibtheit